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Inhaltswarnungen / Content Notes

Der Comic thematisiert:

  • Mord
  • Suizid
  • Folter
  • Kannibalismus

Cormac McCarthys Roman „Die Straße“ und dessen Filmadaption zählen inzwischen zu den modernen Klassikern. Seit diesem Jahr liegt McCarthys Geschichte auch als Comic von Manu Larcenet vor. Und die hat es in sich! Larcenets Adaption von McCarthys Dystopie zählt zu den besten Comics, die ich je gelesen habe, und hat mich mit einer solchen Wucht umgehauen, dass ich mich anschließend für mehrere Tage auf keine andere Geschichte einlassen konnte und das Gesehene und Gelesene immer wieder wie ein Film vor meinem geistigen Auge abliefen.

Auf rund 150 Seiten begleiten wir einen Mann mit seinem Sohn, die nach einer alles auslöschenden Katastrophe der Kälte des Winters entkommen möchten und nach Süden gehen – ihr ganzer Besitz sind die Kleidung, die sie tragen, ein Revolver mit zwei Patronen und ein Einkaufswagen mit Dingen, die sie sich mühselig zusammengesucht haben.

Ich habe schon viele Dystopien gelesen und gesehen, aber in keiner war die Welt derart trostlos wie in McCarthys „Die Straße“: Wir erfahren zwar nicht, was genau passiert ist, aber die ganze Welt liegt im wahrsten Wortsinn in Schutt und Asche; es regnet Asche; es gibt keine Tiere und keine Pflanzen; die wenigen Menschen, die noch leben, können einander nicht trauen und sind sich selbst die nächsten. Es geht um nichts anderes als das bloße Überleben.

Dabei wird vieles in „Die Straße“ lediglich angedeutet oder nur kurz thematisiert. Doch sind diese wenigen Fakten ausreichend genug, um sich das Ausmaß und die bestialischen Grausamkeiten vorstellen zu können, die das Leben der verbliebenen Menschen kennzeichnen. Wobei der Begriff „Leben“ nicht passt – es handelt sich für alle nur noch um ein Existieren. Hoffnung, dass sich dieser Planet irgendwann erholt oder aus einem Gegeneinander ein Miteinander wird, sucht man vergeblich. Das führt unweigerlich zu Fragen nach dem Sinn des (Über-)Lebens in solch einer Welt, nach dem „Warum“ und „Wofür“.

Die Hoffnungslosigkeit, Kargheit, Feindseligkeit und das Chaos dieser Welt hat Manu Larcenet hervorragend in seinen Bildern festgehalten: Schwarz ist die dominante Farbe, andere Farben mischen sich nur gelegentlich in blassen Tönen darunter. Es gibt viele Schattierungen und trotz reichlicher Details entsteht immer der Eindruck, dass irgendwo in diesem Dunkel mehr lauert. Das macht Larcenets Bilder noch beklemmender, als sie durch die Geschichte sowieso schon wären.

Manu Larcenets Kunst schont die Lesenden dabei nicht vor der Brutalität dieser Welt. Er zeigt Leichen, Hunger, Krankheit, Folter, Kannibalismus. Doch nie verkommen diese Bilder zu Gore; nie dienen sie der bloßen Effekthascherei oder dem Zweck, zu schockieren. Larcenet schafft immer wieder den Balanceakt, die Lesenden mit der harten Realität zu konfrontieren und ihnen gleichzeitig genug Raum zu geben, um Szenarien selbst weiterzudenken und die eigene Fantasie einzubringen – oder ihnen eine Distanz zu bieten, um alles zu verarbeiten.

Fazit:

Manu Larcenet hat eine eindrucksvolle, heftige Adaption von Cormac McCarthys Roman „Die Straße“ geschaffen, die ihre Lesenden so schnell nicht loslässt und in keinem Comic-Regal fehlen sollte.

Manu Larcenet: „Die Straße – Nach dem Roman von Cormac McCarthy“, aus dem Französischen übersetzt von Maria Berthold und Heike Drescher, Reprodukt 2024, ISBN 978-3-95640-423-8