Aufgrund der inzwischen räumlichen Nähe fuhr ich letzte Woche zur Frankfurter Buchmesse – obwohl mich die FBM bei meinem ersten Besuch 2015 nicht so recht von sich überzeugen konnte: zu groß, zu anonym und mit viel zu geringem Rahmenprogramm. Allein die Aussicht auf Begegnungen mit lieben Menschen, das gemütliche Yogi Tea Lesezelt, der Tolkien-Nachmittag und der besondere Auftritt des jeweiligen Gastlandes bewogen mich im Sommer, mich für die Messe zu akkreditieren und am besucherreichen Samstag zu fahren.

2015 war ich ganz verzaubert von dem Auftritt des Gastlandes Indonesien. Mein erster Weg auf der FBM19 galt daher auch dem Norwegen-Pavillon. Der Raum war sehr minimalistisch gehalten und schien durch das dominierende Weiß und die beiden ganzseitigen Wandspiegel riesig. Allerdings fühlte ich mich durch diese Gestaltung auch permanent beobachtet. Das Klinisch-Kühle empfand ich zudem als abweisend und die sehr schlicht gehaltene Präsentation der Bücher lieblos und wenig ansprechend. Teilweise wirkten die Bücher regelrecht verloren. Die weißen Tische und die kühle Beleuchtung ließen mich dabei auch immer wieder an Handy-Läden denken – es fehlten lediglich noch die Anti-Diebstahl-Kabel.

Den weiteren Samstagvormittag wollte ich mit Veranstaltungsbesuchen und einem Gang durch die Hallen verbringen. Aus den Veranstaltungen wurde jedoch nichts, da sie entweder schon voll waren oder ich aufgrund der Menschenmassen einfach nicht rechtzeitig ankam. Zu den viel zu vielen Menschen und dem dadurch entstandenen Chaos auf der Frankfurter Buchmesse hatte Mareike auf Crow and Kraken bereits einen guten Artikel geschrieben. Was sich an diesem Tag insbesondere in Halle 3 abspielte, war katastrophal. Stände sahen verwüstet aus und in den Gängen herrschte ein reines Schieben, Drücken, Schubsen. Dass ich nicht stürzte, lag allein daran, dass durch die Menschenmassen einfach kein Platz zum Fallen war. Ja, auch auf der Leipziger Buchmesse ist es samstags viel zu voll. Aber diese luftnehmende, beängstigende Enge, wie sie auf der FBM19 vorzufinden war, habe ich in meinen fast 15 Jahren LBM kein einziges Mal erlebt. Sich einen Stand anzusehen war unmöglich, was den Besuch einer Messe ad absurdum führt. Abgesehen davon konnte man nicht einmal steuern, wohin man überhaupt ging, da die Massen gleich einem Schneeschieber jeden vor sich hertrieben. Nebenbei musste ich mich vor langen Regenschirmen in Acht nehmen und wurde wiederholt von Trolleys und Kinderwagen angefahren. (Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum Eltern ihren Kleinkindern Stress, Lärm, Hitze und Enge eines Buchmesse-Samstag antun.)

Es ist seit Jahren mehr als überfällig, dass die Buchmessen – sowohl in Frankfurt als auch in Leipzig – endlich etwas gegen diesen Massenandrang unternehmen und den Zugang steuern bzw. begrenzen. Statt sich Jahr für Jahr an steigenden Besucherzahlen zu erfreuen, die auf dem Papier toll aussehen, müssen die Messen durch limitierte Ticketanzahl für einen reibungslosen Besuch sorgen – und damit auch für mehr Sicherheit! Im Notfall kämen keine Einsatzkräfte durch diese Menschenmassen hindurch und die lausigen Taschenkontrollen am Einlass der diesjährigen FBM (kurzer Blick in eines von vielen Rucksackfächern und teilweises Durchwinken von Leuten ohne jegliche Kontrolle) lassen ahnen, wie leicht Waffen auf das Gelände geschmuggelt werden können.

Mein Besuch der FBM19 war daher für mich mehr Qual als Genuss oder Inspiration und bislang kann ich niemandem guten Gewissens einen Besuch der Messe empfehlen. Die einzigen Dinge, die mich zwischenzeitlich aufatmen ließen, waren das Wiedersehen mit Mina von Aig an taigh, der Stand des Diogenes Verlag, der als gefühlt einziger von dem Chaos verschont blieb und durchweg entspannte, gute gelaunte Mitarbeiter*innen hatte, sowie der Tolkien-Nachmittag. Letzteres war sozusagen eine abgespeckte Version des „Herr der Ringe“-Abends der LBM19. Vieles war 1:1 übernommen, aber dafür durfte das Publikum dieses Mal Verleger Michael Klett lauschen, der Denis Scheck und uns erzählte, wie viel Überredungskunst es nach seiner Entdeckung von Tolkien brauchte, seinen Vater zu überzeugen, als Sachbuchverlag einen Fantasyroman herauszugeben. Außerdem gab es Lesungen und Interviews mit Manuel Straube, der deutschen Synchronstimme von Bilbo, und Frodo-Sprecher Timmo Niesner, den ich mir nach wie vor für eine neue Hörbuch-Version von „Der Herr der Ringe“ wünsche. Für den musikalischen Rahmen sorgte das Jugendsinfonieorchester Hochtaunus, dass die Filmmusik noch einmal anders interpretierte als damals das Leipziger Jugendsinfonieorchester.

Rückblickend waren die wenigen schönen Momente auf der FBM19 aber nicht den Frust, Stress und die Erschöpfung wert und ich weiß das Leipziger Pendant nun umso mehr zu schätzen. Es sind allein Begegnungen mit bestimmten Menschen, die mich zu einem erneuten Besuch der Frankfurter Buchmesse bewegen könnten. Ansonsten würde ich jedoch andere Events oder auch einen gemütlichen Lesetag zu Hause vorziehen. Und wenn ich schon von einem Tag FBM so erschlagen, genervt und schockiert bin – wie muss sich all das erst für die Mitarbeiter*innen der Verlage, Buchhandlungen und Messen anfühlen, die fast eine Woche vor Ort sind?