​Angeregt durch Janas Artikel über John Steinbecks „Der Winter unseres Missvergnügens“ lasen Jana, Steffi, Kerstin und ich gemeinsam Steinbecks Klassiker „Von Mäusen und Menschen“. Aufgrund der Kürze der Geschichte (kaum mehr als 100 Seiten) hatten wir das Buch auch binnen eines Wochenendes durch. Es wurde damit zur kürzesten Leserunde, die ich je hatte. Das war einerseits spannend, weil wir uns an diesen Tagen wirklich fest auf dieses eine Buch konzentrierten und der Austausch auf Twitter (#SteinbecksMäuse) dadurch nicht so zeitversetzt erfolgte, wie es sonst bei Leserunden der Fall ist. Andererseits war es einfach viel zu kurz und gerade bei einer Leserunde schätze ich es, dass wir uns immer über einen längeren Zeitraum hinweg austauschen und uns das Lesen bzw. dieses Buch über mehrere Wochen verbindet. Beim nächsten gemeinsamen Lesen wird also wieder ein umfangreicheres Buch ausgewählt.

Der eigentliche Austausch unter uns Leserinnen kam aber trotz der geringen Seitenzahl nicht zu kurz. Bereits die ersten Zeilen, in denen John Steinbeck auf poetisch-malerische Art das Salinas Valley beschreibt, beeindruckten uns alle und verleiteten uns zum Schwärmen.

​Doch mitten in dieser schönen Landschaft spielen sich Leben ab, die von Armut, Verzicht, harter Arbeit, Einsamkeit und Gewalt geprägt sind. Die beiden Wanderarbeiter George und Lennie sind gerade auf dem Weg zu ihrem neuen Job, nachdem sie ihren alten im wahrsten Wortsinn fluchtartig verließen. Doch bevor sie ihrem neuen Boss gegenübertreten, geht George mit Lennie doch einmal die Grundregeln durch. Denn die Verbindung aus Lennies Naivität, kindlicher Unbedarftheit, Vergesslichkeit und immenser körperlicher Stärke bringt die beiden Arbeiter immer wieder in Schwierigkeiten und kostete sie bereits so manchen Job.

Für George ist es nicht einfach, mit Lennie immer wieder neu anzufangen und sie beide so gut wie möglich vor Ärger zu bewahren. Es ist daher fast schon normal, dass sich ihre Gespräche häufig darum drehen, dass George ohne Lennie besser dran wäre. Und doch lässt George Lennie nie im Stich, steht hinter ihm, nimmt ihn vor anderen in Schutz – und erträumt sich gemeinsam mit ihm eine Zukunft, in der sie eine eigene Farm haben werden, wo sie sich niemandem unterzuordnen haben, das Leben und die Arbeit leichter werden.

Bei ihrem neuen Arbeitgeber offenbart sich schnell, dass diese Wunsch-Farm wohl immer ein Luftschloss bleiben wird. Jeder der Arbeiter hat seinen ganz eigenen Traum, seine Hoffnungen, die ihn dazu bringen, tagein, tagaus schwer zu schuften und all die Strapazen und Demütigungen auszuhalten. Doch insgeheim wissen sie alle, dass sich ihre Wünsche nie erfüllen werden, dass ihr Leben weiterhin in der gleichen Monotonie fortlaufen wird.

Was sich ebenfalls schnell zeigt: Der neue Boss und sein Sohn werden den Aufenthalt für Lennie und George nicht leicht machen. Der eigentliche Chef zeigt sich zwar nur einmal und nie wieder, aber sein Sohn Curley ist ein eifersüchtiger und gewalttätiger Mann, der regelrecht nach Problemen und Streit sucht. Dass seine Frau anscheinend die einzige weibliche Person auf der ganzen Ranch ist, Wert auf ihr Äußeres legt und in ihrer Einsamkeit immer wieder mit den Männern der Farm ins Gespräch zu kommen versucht, trägt nicht gerade zur Beruhigung von Curleys Gemüt bei.

Vor diesen Hintergründen ist „Of Mice and Men“ sehr vorhersehbar. Keine von uns hat überrascht, wie sich die Dinge entwickeln. Dennoch hat uns Ende der Geschichte in seiner Heftigkeit zugesetzt. Hier laufen alle zunächst für sich stehenden Themen des Buches zusammen und eskalieren. Während sich „Of Mice and Men“ für mich zwar lange gut, aber nicht überragend las, musste ich meine Meinung zum Schluss noch einmal revidieren und blieb berührt und beeindruckt zurück.

Dennoch ist es weniger die Handlung, durch die „Von Mäusen und Menschen“ überzeugt, als vielmehr John Steinbecks Talent, Mensch und Gesellschaft zu porträtieren. Mit nur wenigen Sätzen lässt er eine ganze Welt entstehen, in scheinbar unscheinbaren Gesten oder Nicht-Gesagtem liegt oft viel Gewichtiges. Wenn der Arbeiter Candy nach dem Tod seines Hundes und jahrelangen Gefährtens stumm die Wand anblickt und später bereut, in letzten Augenblick seines Tieres nicht dabei gewesen zu sein, spricht das Bände über die enge Bindung zwischen Candy und seinem Hund. Ein Schmerz, den ich so gut nachvollziehen kann; eine Szene, die mich gemeinsam mit Candy leiden ließ und die eine beklemmende Stille über die ganze Ranch zu legen scheint. Aber der Tod des Hundes verrät auch viel darüber, was Candy als sein eigenes Schicksal fürchtet und worauf ich hier nicht näher eingehen kann, ohne zu viel zu verraten.

Wir spüren gleichzeitig die Trostlosigkeit des Arbeiterlebens, in dem sich jeder selbst der Nächste ist und aus dem es anscheinend kein Entrinnen gibt. Träume, die unerfüllt bleiben; Abhängigkeiten, die nie enden; Ohnmacht, die sich nur zu schnell in Gewalt und Erniedrigung entlädt… Der Alltag, den Steinbeck skizziert steht in krassem Gegensatz zu der idyllischen Landschaft, in der er sich abspielt.

Fazit:

„Of Mice and Men“ zählt zu Recht zu den Klassikern, die man kennen sollte. Es beeindruckt durch seine Sprache, durch seine präzise Skizzierung der Wanderarbeiter, der Machtverhältnisse während der Weltwirtschaftskrise und des Menschseins an sich. Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass John Steinbecks Talent bei längeren Texten stärker brilliert – daher freu ich mich schon jetzt darauf, bald einen umfangreicheren Roman von ihm zu lesen.

John Steinbeck: „Of Mice and Men”, Penguin Books 1993, ISBN: 0-14-017739-6


Weitere Beiträge zur Leserunde:

Alle Eindrücke und Unterhaltungen zu „Of Mice and Men“ / „Von Mäusen und Menschen“ könnt ihr auf Twitter via #SteinbecksMäuse nachlesen.