Während sich die gegenwärtige Fantasy vorwiegend um Werwölfe, Feen und Vampire dreht und sehr actionlastig ist, hat sich Autorin Anke Höhl-Kayser dafür entschieden, in ihrem Roman-Debüt „Ronar“ gegen den Strom zu schwimmen und sich stattdessen auf Elemente klassischer Phantastik zu berufen.

„Ronar“ ist die Geschichte des gleichnamigen zwölfjährigen Findelkindes auf der Suche nach seinem wahren Ich. Aufgezogen von der Familie des Dorfschmiedes bleibt der kleine Ronar immer ein Außenseiter. Nicht nur äußerlich, auch innerlich unterscheidet er sich von den restlichen Dorfbewohnern. Während sie alle blond sind und mit beiden Beinen fest im Leben stehen, ist das Findelkind dunkelhaarig und verträumt. Ronar spricht mit Tieren, schätzt die Natur und hängt häufig seinen Gedanken nach. Dafür wird er von seinen Ziehgeschwistern verspottet – ein Zuhause hat der Junge bei dem Schmied wahrlich nicht gefunden. So wundert es nicht, dass sich der Zwölfjährige zunehmend Gedanken über seine Herkunft und seine leiblichen Eltern macht.

Als seine Ziehschwester Irith eines Tages von den scharlachroten Reitern entführt wird, zögert Ronar nicht und macht sich auf die Suche, wird er doch das Gefühl nicht los, dass die Entführung etwas mit ihm zu tun hat. Auf seiner Reise begegnet er schon bald dem Elthenherrscher Athanian. Zum ersten Mal erlebt der Zwölfjährige was es heißt, akzeptiert und sogar respektiert zu werden. Der weise Elthe hilft dem kleinen Ronar bedingungslos und staunt nicht schlecht über dessen Umgang mit Flora und Fauna. Gemeinsam schleichen sie sich in die Burg des Schwarzen Königs Elaran und entdecken schon nach kürzester Zeit Irith. Doch kurz darauf entbrennt ein Kampf um Leben und Tod. Ronars Freundschaft zu dem Elthen wird auf eine harte Probe gestellt und der Junge muss sich entscheiden, wo er hingehört, wer er ist und wer er sein will.

Die Geschichte Ronars ist eine Geschichte der Gegensätze: Weiße oder Schwarze Magie, Frieden oder Krieg, Hass oder Gutherzigkeit, Gut oder Böse. Aber es ist auch eine Geschichte über Macht und deren Missbrauch, über die Schönheit der Natur und vor allem über Identität.

Auf spielend leichte Weise vermittelt Autorin Anke Höhl-Kayser Werte wie Vergebung, Freundlichkeit, Vertrauen und den Glauben an sich und andere, aber auch den Respekt gegenüber allen Lebewesen. Diese sind – ob groß oder klein wie Amsel und Hase – liebevoll gezeichnet. In „Ronar“ hat jedes Tier eine ganz eigene Seele und Bedeutung für die Geschichte, keines ist wichtiger oder unwichtiger als das andere. Es scheint, als hätte jedes von ihnen einen ganz individuellen Charakter, sodass die einzelnen Lebewesen dem Leser mindestens ebenso deutlich in Erinnerung bleiben wie die eigentlichen Protagonisten.

Ronar selbst erscheint für seine zwölf Jahre recht reif, wodurch man als Leser manchmal glatt vergisst, wie jung der Held der Geschichte doch noch ist. Elthenherrscher Athanian ist gutmütig, weise und väterlich – ein regelrechtes Vorbild und die Inkarnation des Guten. Gegenspieler Elaran wird nicht als rein böser, herzloser Herrscher portraitiert, sondern ist ein Charakter mit Tiefe und einem gut durchdachten Hintergrund, jemand, der trotz aller Härte einen wunden Punkt hat und so sehr authentisch wirkt.

Während des Lesens entfaltet sich dem Leser eine detailreiche, zum Greifen nahe Welt: Dank Anke Höhl-Kaysers bildlicher Beschreibungen fällt es leicht, sich Ronars Welt vorzustellen. Kopfkino garantiert!

Fazit:

„Ronar“ ist ein Buch, das dank seiner klassisch-phantastischen Geschichte, zwischen den Unmengen an Romantic Fantasy und auf wirtschaftliche Rentabilität abzielende Mainstream-Fantasy sehr erfrischend und willkommen scheint. Wer vom gegenwärtigen Markt des Genres genug hat, für den ist „Ronar“ genau das Richtige, aber auch für alle anderen, die gerne in Fabelwelten abtauchen und denen es beim Lesen um mehr als nur Unterhaltung geht.

Für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares bedanke ich mich an dieser Stelle vielmals bei Anke Höhl-Kayser!