​Seit anderthalb Monaten ist hier nichts mehr passiert, selbst die Sonntagsleserin und die Backgroundarbeiten ruhten, weshalb mich soeben rund 200 Spam-Kommentare und -Mails erwarteten. Zum Glück gibt’s Filter und mit zwei Klicks ist alles gelöscht.

Generell war die Online-Welt in den letzten Wochen nicht mein Place to be. Hitze und Großstadtlärm machen mir seit über fünf Wochen das Schlafen kaum möglich, Hochzeiten, Katzensitting und Verabredungen ließen keine freien Lücken im Kalender. In den wenigen freien Stunden der letzten Wochen fehlte dann für Bücher, Blogs und Podcasts die Konzentration und Motivation. Bluesky empfand ich nur noch als anstrengend und negativ, Instagram als stressigen Overload an allem. Das Einzige, was mir noch guttat, waren die seltenen Stunden in der Welt von „Pokémon-Legenden: Arceus“.

Trotzdem habe ich immer wieder versucht, mich in Bücher zu vertiefen. Meist sah das so aus, dass ich lange vor meinem SUB stand, die unzähligen Titel ansah – und dann ohne Buch in der Hand wieder ging. Obwohl im Regal so viele unterschiedliche Genres, Seitenumfänge, unbekannte und vertraute Autor*innen vertreten sind, weckte nichts meine Neugier.

Nach einer dieser unzähligen SUB-Sichtungen griff ich zu „The Best of Adam Sharp“ von Graeme Simsion – einen Roman, über den ich bis dato wenig wusste und an den ich entsprechend ohne besondere Erwartungen herangehen konnte. Obwohl ich Simsions „The Rosie Project“ damals aufgrund der enthaltenen Klischees problematisch fand und ungern Love Stories lese, haben mich die ersten Kapitel von „The Best of Adam Sharp“ ganz gut unterhalten. Zugegeben: Die Story um einen Musiker, der als Expat in einer Bar in Australien eine Frau für sich gewinnt, die eine bekannte TV-Schauspielerin ist und klischeemäßig sehr an sich selbst zweifelt, ist unrealistisch und konstruiert – so unrealistisch, dass ich das Buch aber wie eine Vorabendsendung verfolgen kann und ein entspanntes Lesen habe. Dass Protagonist Adam derart für die Musik lebt, dass er viele Momente mit Songs verbindet, für jede Situation die richtigen Lyrics und Noten kennt und der Roman dadurch eine umfangreiche Playlist erhielt (verfügbar u.a. auf Spotify), macht für mich das eigentlich Interessante an dem Buch aus. Einen Großteil des Romans habe ich noch vor mir – ich bin gespannt, ob der bisherige Eindruck bleibt.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander

​Parallel dazu probierte ich, mit Hörspielen und Hörbüchern in die Welt der Geschichten zurückzukehren. Zunächst lauschte ich dem Hörspiel „Wenn wir morgen sagen“. Da die Anthologie sich der Frage widmet, wie eine Zukunft aussehen kann, nachdem Menschen und Klimawandel Leben auf der Erde nahezu unmöglich machen, rechnete ich damit, dass die Geschichten belehrend und zäh ausfallen. Tatsächlich entpuppte sich das Hörspiel aber als dystopischer Horror. Die Geschichten sind brutal und enthalten viele recht explizite Szenen. Somit hat mich die Anthologie positiv überrascht. Lediglich die letzte Story passt nicht zur Sammlung, da sie deutlich „harmloser“ und blutleer ist und auf Humorvolles zurückgreift.

Kaum beendet, startete ich die nächsten Audiogeschichten. Zur Einstimmung auf den bald anstehenden Urlaub in der Bretagne, begann ich den ebendort spielenden Krimi „Jenseits des Grabes“ von Fred Vargas, dessen erste Stunde mir schon um Längen besser gefiel als die Mehrheit der meisten Krimis: Die Ermittler haben Humor, (bisher?) keine persönlichen Dramen und retten sogar einen Igel, der von einem Auto angefahren wurde.

Da es mir bei Leseflauten oft hilft, auf Vertrautes zurückzugreifen, begann ich zusätzlich mit der SWR-Hörspieladaption von „Der Herr der Ringe“ aus den 1990ern (u.a. mit Rufus Beck). Obwohl ich Tolkiens Klassiker so oft gelesen, gehört und gesehen habe, verliert die Geschichte nicht an Reiz. Immer wieder erwische ich mich beim Hören, wie ich mit einer buchstäblich körperlichen Anspannung lausche, weil ich weiß, was die Gefährten in Kürze erwartet. An so manche Stimme, Sprechweise, das extrem langsame Reden und die schlecht gealterte Musik kann ich mich bislang jedoch nicht gewöhnen.

Nichts von alledem schaffte es aber, in mir wieder eine Begeisterung fürs Lesen zu entfachen.

Was Mitte August endlich den Bann der Leseflaute brach, war ein Thermenbesuch mit einer Freundin. Umgeben von Wald, Ruhe und vielen lesenden Thermenbesucher*innen spürte ich nach zwei Monaten erstmals wieder Neugier und Lust aufs Lesen. Am liebsten hätte ich noch vor Ort mit einem Buch begonnen. Ohne dass ich erklären kann, warum, hatte ich in der Therme auch schon ein konkretes Buchcover vor Augen: „Die Enkelin“ von Bernhard Schlink. Also zog ich ebenjenen Roman am nächsten Tag aus dem SUB und begann, mit einem guten Gefühl zu lesen. Nach den ersten rund 100 Seiten sind Geschichte und Figuren für mich noch nicht nahe und greifbar genug, auch weil zu den Figuren zwar viele Aussagen getroffen werden, aber zu wenig „gezeigt“ und erfahrbar gemacht wird. Trotzdem genieße ich die Zeit mit dem Buch und habe das Gefühl, dass die Geschichte so facettenreich ist, dass sie genug Material für mehr als die tatsächlichen 368 Seiten beinhaltet.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander