In „Batman Tales: Once Upon a Crime“ treffen Superhelden auf Klassiker der (Kinder-)Literatur – eine Verbindung, die auf Anhieb meine Neugier weckte, als zum Batman Day 2020 eine Kostprobe daraus veröffentlicht wurde. Schon nach wenigen Panels war ich vollkommen begeistert. Logisch, dass sofort der vollständige Band her musste.

In insgesamt vier Kurzgeschichten verlagern Autor Derek Fridolfs und Zeichner Dustin Nguyen bekannte Märchen und Kinderbuchklassiker nach Gotham, geben ihnen spannende Neuinterpretationen und vermischen sie untereinander zu etwas völlig Neuem. Mein absolutes Highlight: „Alfred in Wonderland“. Die längste der vier Geschichten ist, wie der Titel bereits verrät, eine Neuerzählung von „Alice im Wunderland“ – und nicht weniger skurril und unterhaltsam als die Vorlage. Butler Alfred möchte eigentlich nur ein Tasse Tee trinken, findet sich dann aber in einer kunterbunten Welt voller Absurditäten wieder. Wie zuvor die ursprüngliche Protagonistin Alice nimmt auch Alfred an einer Teeparty und einer Partie Croquet teil, die für ihn zum Verhängnis wird. Doch im Gegensatz zu dem kleinen Mädchen aus dem Kinderbuch betrachtet Alfred die ganze Situation recht nüchtern und statt sich zu wundern, in was für einer Welt er da überhaupt gelandet ist, beschwert er sich lieber darüber, dass es in Wunderland dringend eines guten Gärtners bedarf, dass das Besteck bei der Teeparty nicht korrekt liegt und niemand Manieren hat. Die vertrauten Figuren aus Lewis Carrolls Klassiker werden größtenteils von Figuren aus dem Batman-Universum verkörpert. So wird der Pinguin zur Raupe und Catwoman ist – selbstverständlich – die Grinsekatze. Als Königin und König von Wonderland tritt das Traumpaar von Gothams Unterwelt auf: Joker und Harley Quinn. Eine bessere Besetzung für diese Rollen könnte es nicht geben! Es ist spürbar, wie viel Spaß Derek Fridolfs dabei hatte, die Beiden in dieses Setting zu packen, sie in eine Welt zu schicken, die so voller Unberechenbarkeiten, Wortspiele und makaberen Witz ist wie sie selbst. Neben den typischen Elementen, Figuren und Charakteristika, die das Batman-Universum und das Wunderland kennzeichnen, steckt „Alfred in Wonderland“ außerdem voller Zitate der bekanntesten Sätze des literarischen Klassikers. Ein gelungene, kurzweilige und unterhaltsame Neuinterpretation und Hommage an eines meiner Lieblingsbücher!

In eine inhaltlich, visuell und stilistisch ganz andere Richtung geht „The Snow Queen“, das auf dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen beruht. Es ist die kürzeste der vier Geschichten in „Batman Tales: Once Upon a Crime“, aber vielleicht auch genau deshalb so wirkungsvoll. Fridolfs und Nguyen lassen hier die leisen Töne dominieren: Auf klassische Panels und Sprechblasen wurde verzichtet. Stattdessen wird Batmans Begegnung mit der Schneekönigin ausschließlich in ganzseitigen Zeichnungen und in Versen erzählt. Die Farben sind eisig-kühl, die Bildinhalte konzentrieren sich auf die Figuren mit nur angedeuteten Landschaften und wenigen, gezielt gesetzten Akzenten. Dazu kommt eine traurige, schöne Botschaft. „The Snow Queen“ ist damit die einzige der vier Geschichten, die sich auf die ernsten Themen konzentriert, die nicht auf Unterhaltung setzt und auf stille Weise wirkt und nachhallt. Sie ist melancholisch, poetisch und etwas, das ich zuvor in dieser Form noch nicht in Superhelden-Comics gesehen habe. Eindrucksvoll und meine zweitliebste Erzählung innerhalb der „Batman Tales“.

Weniger begeistern konnte mich jedoch die ersten zwei Geschichten des Comicbandes. In „The Princess & the Pea“ versucht Gothams Polizei herauszufinden, wer einen wertvollen Diamanten aus dem Museum gestohlen hat. Befragt werden die üblichen Verdächtigen. Am Ende wissen die Ermittelnden aber weniger als zuvor, denn die Schurk*innen tischen ihnen eine Lüge nach der anderen auf. In diesen Lügen finden wir einen wilden Mix verschiedener Märchen wie „Die Prinzessin auf der Erbse“, „Rotkäppchen“ und „Jack und die Bohnenstange“. Auf mich als Lesende wirkte das alles jedoch zu zusammenhangslos, konstruiert und wie eine sinnfreie Aneinanderreihung, bei der es nur darum geht, möglichst viele Verweise auf beliebte Märchen unterzubringen. Die erfundenen, märchenhaften Lügen lassen sich zu einem Großteil nicht mal mit viel Fantasie und gutem Willen mit dem Diamantendiebstahl in Verbindung bringen, da ihre Erzähler*innen von völlig anderen Verbrechen berichten und nicht einmal ansatzweise die Brücke zum eigentlichen Fall schlagen. Am Ende blieb ich als Lesende verwirrt zurück und fragte mich, worauf „The Princess & the Pea“ eigentlich hinaus wollte.

„Waynocchio“ indes ist eine grundsätzlich gut gelungene Adaption von „Pinocchio“. Wie in der literarischen Vorlage von Carlo Collodi kommen auch im Comic die moralischen Fragen zu platt und aufdringlich daher. Die durchgehenden Belehrungen mit der Holzhammermethode hatten mir den Klassiker damals nahezu unerträglich gemacht und auch „Waynocchio“ kommt nicht um allzu offensichtliche Konsequenzen des eigenen Handelns aus, wenngleich die Lügen des hölzernen Robin in dieser Version für unseren Protagonisten von Vorteil sind. Ein guter Twist, aber fast schon zu naheliegend für eine Neuinterpretation des Stoffes. Wer Collodis „Pinocchio“ mag, wird sicher auch an „Waynocchio“ Spaß haben. Ich hätte mir die Geschichte jedoch ein wenig subtiler gewünscht.

Fazit:

Derek Fridolfs und Dustin Nguyen haben mit „Batman Tales: Once Upon a Crime“ eine gelungene Sammlung an Neuinterpretationen und Liebeserklärungen an Märchen und Kinderbuchklassiker geschaffen, die für jeden Geschmack etwas bereithält. Der Comicband wird bei DC Comics in der Rubrik „Graphic Novels for Kids“ gelistet. Ältere Leser*innen werden aber ebenso viel Freude mit den Geschichten haben – wahrscheinlich sogar mehr, da sie all die Querverweise, Zitate und Wortspiele leichter erkennen und verstehen.

Derek Fridolfs & Dustin Nguyen: „Batman Tales: Once Upon a Crime“, DC Comics 2020, ISBN: 978-1-4012-8340-7


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