Es ging zurück nach Avonlea. Dieses Mal haben Wörterkatze Kerstin und ich Annes erste zwei Jahre als Lehrerin verfolgt. Da Anne kurz vorher noch mit einem Großteil ihrer jetzigen Schützlinge selbst die Schulbank drückte, hätte ich gedacht, dass einige von ihnen Probleme damit haben würden, Anne als Lehrerin und Autoritätsperson zu akzeptieren. Doch Anne hatte einen guten Start, beinahe zu gut, möchte ich meinen.
Überhaupt fällt es Anne immer wieder leicht, bei allen einen positiven Eindruck zu hinterlassen und selbst die störrischsten und mürrischsten Leute in Avonlea zum Plaudern und zu Gemeinschaftssinn zu ermuntern. Viel heile Welt also. Und ich gebe zu: Manchmal war es mir zu viel heile Welt, war es mir zu leicht, wie Anne alles gelingt und alle kleinen wie großen Katastrophen in ganz Avonlea gut ausgehen. Doch die Bücher sind nun einmal für ein junges Publikum geschrieben und da sind Happy Endings und Positivbeispiele durchaus angebracht. Moral und Werte sind sowieso ein sehr zentrales Thema im zweiten Band um Anne Shirley. Anne, Diana und Gilbert gründen beispielsweise eine Gesellschaft, die sich die Verschönerung Avonleas und die Verbesserung des Zusammenlebens vorgenommen hat. Dabei lernen wir die Bewohnerinnen und Bewohner Avonleas kennen – mit all ihren Macken und Sehnsüchten. So manche von ihnen schließt man schnell ins Herz, beispielsweise Annes Nachbar Mr. Harrison und seinen fluchenden Papagei. Oder ganz besonders: Miss Lavendar, die zurückgezogen lebt und Anne sehr ähnelt.
„‚People who are different from other people are always called peculiar,‘ said Anne. ‚And Miss Lavendar is certainly different, though it´s hard to say just where the difference comes in. Perhaps it is because she is one of those people who never grow old.'“
Tatsächlich kommt mit dem Auftauchen von Miss Lavendar viel neuer Schwung in die Handlung. In der ersten Hälfte des Buches wirkte vieles auf mich zu sehr wie eine Wiederholung des ersten Bandes. So nimmt Marilla die Zwillinge Dora und Davy bei sich auf, die wie einst Anne dazu beitragen, dass Marilla sich neue Sicht- und Herangehensweisen aneignet. Anne hingegen passieren wieder einige Missgeschicke, die zum Teil ähnliche Ursachen haben wie in „Anne of Green Gables“.
Die anderen Kinder in Annes Schule sind ebenfalls bemerkenswert. Da ist insbesondere Paul Irving, der genauso verträumt und tiefsinnig ist wie Anne. Beide verstehen sich blind und Anne nimmt sich Paul, der allein bei seiner Großmutter lebt, wie eine Mutter an. Wie kein anderer Mensch versteht sie ihn und er spürt, dass er in ihr eine Seelenverwandte gefunden hat, mit der er sogar über seine imaginären Freunde sprechen kann, ohne für merkwürdig gehalten zu werden. Wie einst Anne hat auch Paul eine sehr direkte Art an sich, sagt geradeheraus, was er denkt. Das lässt ihn geistig reifer als Gleichaltrige wirken und verschlägt selbst einer Mrs. Lynde die Sprache.
Um uns bei unseren Reisen zu Anne Shirley zu begleiten, haltet Ausschau nach dem Hashtag #träumenmitAnne.
Bisher erschienene Blogposts zum Leseprojekt:

Es ist über 20 Jahre her, dass ich die Bücher gelesen habe, aber ich kann mich noch erinnern, dass ich sehr über Davy gelacht habe :-)
Ja, Davy ist wirklich göttlich! Wie Anne und Marilla schon feststellten: Obwohl er so oft etwas falsch macht und Ärger bereitet, muss man ihn einfach lieben.
So bekomme ich immer mehr Lust auch mal die Bücher, oder wenigstens endlich Serie oder Anime zu schauen. Und drehe mich immer weiter im Kreis des Nicht-entscheiden-könnens, was von alledem es denn nun sein soll. XD Die Kinder und ihre „Weisheiten“ klingen großartige. Das Mädchen, das Witwe werden will zum Beispiel XD
Ja, aus heutiger bzw. Erwachsenensicht sind manche Episoden in den Anne-Büchern wirklich amüsant. Ich bin gespannt, wie der nächste Band wird, nachdem der zweite im Vergleich zum ersten schon ein wenig nachgelassen hatte.
Die Verfilmungen kann ich dir aber nur ans Herz legen und ich glaube, du würdest beide mögen.
Apropos Verfilmungen: Ich schaue gerade „The Haunting of Hill House“ – gefällt mir sehr gut (da schließ ich mich dir an). Und gestern habe ich durch Zufall gesehen, dass der Darsteller des (jungen) Vaters damals den Elliot in „E.T.“ spielte. Wie lang das schon wieder her ist… Auf jeden Fall möchte ich ganz bald mal die Vorlage von Shirley Jackson lesen.