Wenn ich anderen erzähle, dass ich wieder nach London reise, ernte ich des Öfteren Unverständnis: „Kennst du dort nicht schon alles? Wird das nicht langweilig?“ Ich muss mich dann immer zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten. Alles kennen und sich langweilen in einer so großen, bunten, vielseitigen und sich ständig wandelnden Stadt? Unmöglich. Und wenn es sich dann noch um einen Ort handelt, der einem jedes Mal das Gefühl vermittelt, zu Hause angekommen zu sein, dann kann man zur Rückkehr nicht nein sagen.
Das Schöne daran, so oft in London zu sein: Man kann jede Reise unter neue Schwerpunkte setzen. 2012 stand bei uns z. B. im Zeichen der Buchhandlungen und Museen, 2016 war stark von Harry Potter, Theater und Musical geprägt und in diesem Jahr widmeten wir uns vorwiegend den Comic-Läden sowie gutem Essen. Harry Potter und Bühnenstücke gab es aber auch – ganz ohne geht es in London nun mal nicht.
Wo wurde gestöbert?
Ausgiebig Zeit (und Geld) widmeten wir den Comicbuchläden Gosh! Comics, Orbital Comics, Mega City Comics und Forbidden Planet, die in Größe und Sortiment ganz unterschiedlich gestaltet sind.
Forbidden Planet (179 Shaftesbury Avenue) ist einfach riesig und entsprechend breit aufgestellt: Im Erdgeschoss findet sich ausschließlich Merchandise unterschiedlichster Preis- und Qualitätsniveaus; im Untergeschoss kann man Stunden zwischen Comics aller Genres, Mangas, Filmen und Brettspielen verbringen. Allerdings entsteht hier auch schnell der Eindruck, dass mehr Kommerz als Herzblut darin steckt – es gibt zu wenig Personal für die Größe der Ladenfläche und die Menge an Kunden. Einsteiger, die erst einmal Orientierung benötigen, können somit wohl vergeblich auf eine gute Beratung hoffen.
Gosh! Comics (1 Berwick Street) lässt sich durch seine Lage im West End wunderbar mit einem Theater- oder Musicalbesuch oder einem Touri-Stopp am Piccadilly Circus verbinden. Der Laden ist übersichtlich und bietet neben den Verlagsmedien auch Werke junger, selbstpublizierender Künstler an. Zum Zeitpunkt unseres Aufenthaltes gab es zudem ein halbes Regal voll mit Graphic Novel-Adaptionen von Kurzgeschichten und Romanen Neil Gaimans. Insgesamt konzentriert sich das Angebot im Erdgeschoss auf Graphic Novels mit überwiegend ernsten, zum Teil düsteren Themen sowie einer kleinen Ecke mit Kinder-Comics. Im Untergeschoss finden sich ausschließlich Comic-Hefte, sodass Sammler hier ungestört stöbern können. Vermisst habe ich bei Gosh! Comics allerdings ein gutes Manga-Angebot, da sich lediglich vereinzelte Titel versteckt zwischen den Graphic Novels entdecken ließen.
Mega City Comics (18 Inverness Street) befindet sich im großartigen Stadtteil Camden (wer nie da war: unbedingt nachholen). Der Laden ist überschaubar, bietet aber ein gut gemischtes Angebot an Klassikern, Serien und Geheimtipps für alle Altersgruppen und Vorlieben. Außerdem überzeugt der Laden durch sein freundliches und unkompliziertes Personal.
Orbital Comics (8 Great Newport Street) liegt – wie Forbidden Planet – mitten im West End und ist keine zwei Geh-Minuten von der Leicester Square Station entfernt. Orbital Comics entpuppte sich in diesem Jahr als mein Favorit unter den Comicläden: Das Personal ist entspannt und gut drauf, der Laden gut sortiert und bunt gemischt. Ob Superheldencomics, Graphic Novels, Mangas oder Kinderbücher – hier findet sich für jeden etwas und entsprechend vielseitig fällt auch die Kundschaft aus.
Natürlich haben wir aber nicht nur Comicläden besucht, sondern auch diverse Buchhandlungen. Waterstones, Foyles und Daunt Books hatten sich bereits bei früheren Reisen zu festen Stationen beim Londoner Büchershopping entwickelt. In meinem Fall blieb es dieses Jahr jedoch – aus unterschiedlichen Gründen – beim bloßen Schauen und Anlesen. Erstmals besucht haben wir in diesem Jahr jedoch Word on the Water, das den meisten von euch durch diverse Online-Artikel bekannt sein dürfte. Der Bücherkahn wechselt aller paar Tage seinen Standort entlang des Regent‘s Canals und verkauft werden überwiegend Klassiker und Secondhand-Bücher. Die urige und gemütliche Ausstattung verleiht Word on the Water einen einladenden Wohnzimmercharakter. Konzerte, die regelmäßig auf dem Deck stattfinden, runden das Stöbern und Genießen an bzw. auf dem Wasser ab.
Wo wurde gegessen?
Wer Street Food mag, ist in London genau richtig. Ob Scotch Eggs, Süßkartoffelpommes, Samosas, Gyoza, vegetarische Küche aus Äthiopien oder Eiscreme aus Ziegenmilch – auf dem Borough Market, dem Camden Market, im Brixton Village oder auf dem Gelände von Pop Brixton findet sich für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel etwas.
Um nicht immer nur Essen auf die Hand zu haben, sondern auch einfach mal in Ruhe und ohne Menschenmassen genießen zu können, haben wir neben den diversen Märkten auch verschiedene Restaurants und Cafés aufgesucht. Besonders genossen haben wir das Essen im vegetarischen Restaurant The Gate in Marylebone (22-24 Seymour Place). Absolutes Highlight hier: das Strawberry Eaton Mess – ein GÖTTLICHES, nicht zu süßes Erdbeer-Sahne-Dessert, das zu dem Besten zählt, das ich je gegessen habe!
Apropos süß: Wer Eiscreme mag, sollte sich unbedingt ein sogenanntes Nitro-Eis in einer der ChinChin-Filialen gönnen. Mit Hilfe von flüssigem Stickstoff wird in wenigen Minuten bedarfsgerecht Eiscreme hergestellt. Das Ergebnis: Super cremiges Eis, das nicht einmal annähernd so schnell schmilzt, wie man es von herkömmlich produziertem Eis kennt. An kälteren Tagen empfiehlt sich zudem eine heiße Schokolade mit Marshmallow-Creme – hat zwar gefühlt eine Milliarde Kalorien, ist aber Soulfood pur.
Schokolade in allen Variationen und bester Qualität bekommt man bei den Chocolatiers von Dark Sugars (141 Brick Lane). Unbedingt auch hier eine heiße Schokolade probieren!
Wo ging es sonst noch hin?
Natürlich haben wir nicht nur gegessen und eingekauft. Für das Kontrastprogramm zum bunten Großstadttreiben spazierten wir durch den Regent‘s Park und den Holland Park. Letzterer ist in meinen Augen einer der schönsten, wenn nicht gar der schönste Park in London – statt platt gemähten, weiten Rasenflächen hat der Holland-Park einen fast wald-artigen Look. Alles ist schön verwachsen, wuchert zum Teil wild. Und mittendrin findet sich mit dem Kyoto Garden noch einmal eine besonders idyllische Oase der Ruhe.
Unsere weiteren Wege führten uns über den Columbia Road Flower Market, nach Camden, mehrfach durchs West End, ins Musical „The Book of Mormon“ (geschrieben von den „South Park“-Machern mit entsprechender Religions- und Gesellschaftskritik) sowie zum Konzert von Musical-Star Willemijn Verkaik (spielte u. a. als einzige in vier Länden und drei verschiedenen Sprachen die Elphaba in „Wicked“ und ist die deutsche und niederländische Gesangsstimme von Elsa in „Frozen“).
Zu den schönsten und denkwürdigsten Erlebnissen gehörte jedoch der Besuch von „Harry Potter and the Cursed Child“. Nach anderthalb Jahren vergeblicher Versuche in Warteschlangen konnte ich wenige Wochen vor Abreise noch Tickets ergattern, die just von den ursprünglichen Käufern zurückgegeben wurden. Auf diese Weise wurde Lars‘ Geburtstag kurzerhand vorgezogen. Zum Stück selber sage ich an dieser Stelle nichts – es ist etwas, das man einfach selbst erleben muss und für das sich auch kaum Worte finden lassen würden. Daher nur so viel: Ich, die (noch) kein Potter-Fan ist, war genauso baff wie Lars, der bereits das Skript gelesen hatten – dieses Stück ist wirklich pure Magie und hat neue Maßstäbe in Sachen Theater gesetzt. (Und auf der nächsten LBM kann ich dann gemeinsam mit Jule fangirlen. ;) )
Während ihr nun diesen Beitrag lest, schwelge ich noch immer in Erinnerungen an meine Herzensstadt und eins ist sicher: Ich komme wieder! ❤
Hmpf, wie kann man nur sagen, dass es einem in London nach vielen Besuchen langweilig werden würde? *kopfschüttel* Mein nächster London-Trip wird auf jeden Fall Bücher als Schwerpunkt haben und dank dir habe ich auch schon viele gute Tipps bekommen. :)
Viele tolle Fotos hast du da gemacht. Der Kyoto Garden scheint ein Geheimtipp zu sein…? <3
(Übrigens hab ich dir auf meinem Blog den Blogger Recognition Award verliehen… :) )
Ich freue mich so, dass du die ein oder andere Inspiration für deine nächste Reise bekommen hast. Gerade um den Piccadilly Circus gibt es ja viele tolle Buchhandlungen (Waterstones, Hatchard’s) und eben die Comicläden. Und ja: Der Kyoto Garden ist toll – es wird auch darauf hingewiesen, sich in diesem Bereich leise zu verhalten und da hat sich zumindest bei unserem Aufenthalt auch jeder dran gehalten. Ich glaube, auch dir dürfte es dort sehr gefallen. :)
Wie ich ja schon auf deinem Blog schrieb: Auch nach so vielen Reisen habe ich noch nicht alles in London entdeckt und du bist mir z.B. mit dem Sherlock-Holmes-Museum, dem Museum of London und dem Highgate Cemetery voraus. ;) Eine Reise lohnt also immer und ich bin gespannt, wo es dich beim nächsten Mal hinführen wird.
Das Kompliment für die Fotos gilt meinem Freund – er hat mehr Ahnung und Gespür für die Fotografie als ich. ;)
Bevor ich so richtig los kommentiere muss ich erst einmal sagen: Was für ein toller Beitrag! Und die Bilder erst!
Meine Güte, wie ich dich beneide. Seit dem Brexit habe ich ein Loch im Herzen. Nur dass meine Herzensstadt Edinburgh ist. Und du hast vollkommen recht – nach GB kann man nicht oft genug reisen – ich bin ja sogar jahrelang dageblieben ;)
LG (from a fellow UK addict),
Kaat :)
Danke für deine lieben Worte! Ich freue mich, dass dir der Beitrag so gefallen hat und das Kompliment für die Fotos habe ich direkt an meinen Freund weitergegeben (ich selbst bin bisher nie über die Programmautomatik der Kamera hinausgekommen und bekomme so tolle Bilder daher bislang nicht hin ;) ).
Deine Worte zum Brexit kann ich so unterschreiben. Nach dem Votum blutete mir das Herz und das unkomplizierte Reisen nach GB wird mir nach dem vollzogenen Brexit sehr fehlen. Ich fürchte, dass so mancher Brite diese Entscheidung noch sehr bereuen wird … In Edinburgh waren wir übrigens diesen Sommer auch erstmals – direkt von London aus ging es dorthin und das mitten in der Festivalsaison! Ich möchte Edinburgh nun gerne einmal erleben, wenn die Stadt nicht durch die Festivals geprägt ist und man den Alltag etwas mehr spüren kann. :)
Wenn du mal wieder deinen Weg nach Edinburgh findest, dann geh unbedingt im Salt Café essen. Es ist in Morningside, nicht unweit des Edinburgh Bookshop und eine Mischung aus Café, Bar und Restaurant mit maritimer Küche. Ich war das letzte Mal kurz vor meinem endgültigen Abschied dort und das Essen war wie immer göttlich. Wenn du japanische Küche magst, dann kann ich dir ebenfalls das Harajuku Kitchen empfehlen, das ist in Tollcross.
Du merkst sicher schon, wenn du deine nächste Edinburgh Reise planst, dann gebe ich dir gerne ein paar Insider-Tipps 😉
Lesereiche Grüße,
Kaat 🙂
Maritime Küche, japanische Küche … das trifft genau unseren Geschmack! Wir konnten uns ja schon davon überzeugen, dass Edinburgh viele gute Restaurants hat und wir konnten dieses Mal längst nicht alle Restaurants und Café testen, die uns empfohlen wurden – dabei waren wir 10 Tage dort. Beim nächsten Mal stehen aber Salt Café und Harajuku Kitchen auf unserer Liste, gerade letzteres sieht auch sehr einladend aus.
Beim nächsten Mal werden wir aber eine Rundreise durch Schottland machen, weil wir auch gerne den Rest des grünen Nordens kennenlernen möchten. Für Tipps bin ich immer dankbar, gerade alles, was abseits der klassischen Touristenpunkte ist. :)
Ein sehr schöner London-Bericht, der mir umgehend Lust gemacht hat mich nach zwei Jahren oder so mal wieder dort blicken zu lassen. Werde „Word on the Water“ besuchen, da war ich schon ewig nicht. Danke fürs Mund-wässrig-machen :)
Freut mich, dass ich dein Fernweh wecken und dich zu einer erneuten Reise inspirieren konnte. Gerade abseits der Touri-Attraktionen gibt es so viele Kleinode zu entdecken, so tolle, individuelle Läden, Cafés und Restaurants, die einen Besuch wert sind.
Oh man, der Bericht klingt so gut, das Eis und die Schoki so lecker und das Thema Graphic Novel/Comic/Manga extrem einladend. Großartig! :D
Danke für dein Kompliment! :)
Ich glaube ja, wir wüssten beide mal gemeinsam ein paar Comicläden durchstöbern – ich glaube, gemeinsam würden wir da so manchen Schatz entdecken. :D