In „Eine Vorhaut klagt an“ schildert Shalom Auslander seine Kindheit und Jugend in dem jüdisch-orthodoxen Elternhaus. Parallel dazu erzählt er von der Schwangerschaft seiner Frau bzw. vom Vaterwerden – ein Ereignis, das Anlass zu dem Rückblick auf die Kindheit war, nicht zuletzt da Shalom und Gott schon immer ein ziemlich anstrengendes Verhältnis zueinander hatten. Der US-Autor fürchtet sich vor dem, was Gott seiner Frau und dem Kind antun könnte – vielleicht sterben beide bei der Geburt, denn: „Das wäre ja so typisch Gott!“ Dieses repetitive Zitat über Gottes Verhalten ist prägend für das Buch bzw. Shaloms Leben, hat der Autor doch oft genug die Ironie des Lebens erfahren. Shalom Auslander berichtet jedoch nicht mit Frust oder Zorn, sondern geht alle Ereignisse mit einer großen Portion Humor an – und scheut dabei weder Spott gegenüber Gott, noch gegenüber sich selbst. Auf diese Weise erzählt uns Auslander davon, was es heißt, jüdisch-orthodox aufzuwachsen und von seiner Jugend, die geprägt war von Lügen, Pornografie und maßlos viel treife (nicht koscherem Essen). Shalom ist kein perfekter Jude – und steht offen dazu. Genau das macht ihn und die Geschichte auch so sympathisch. Man trifft hier nicht auf einen Comedian, der sich über andere lustig macht und Klischees bedient, sondern auf jemanden, der Komik als Weg nutzt, seine religiöse Vergangenheit und sein Verhältnis zu Gott aufzuarbeiten. Auslander lacht dabei vor allem über sich selbst und die Eigenarten der Religiosität. Seine Geschichte ist genau wie sein Leben geprägt von Ehrfurcht vor Jahwe und der gleichzeitigen Rebellion gegen diesen. Von sich selbst sagt Auslander: „Ich glaube an Gott. Das ist mein Problem.“ So widersetzt er sich regelmäßig jüdischen Gesetzen und kritisiert Gott, nur um kurz darauf panisch zu werden: Was ist, wenn Jahwe sich für diese Tat rächt – an ihm oder, was noch viel schlimmer wäre, an seiner Frau oder dem Kind? Diese komplexe, anstrengende Gott-Gläubiger-Beziehung ist das tragende Element der beiden Handlungsstränge, die sich gegen Ende des Buches zu einem verbinden.
Bei allem Humor steckt in „Eine Vorhaut klagt an“ auch viel Hinterfragung und Kritik des Glaubens. Es sind Punkte, die oft auch von Atheisten angebracht werden oder die wiederholt Bestandteil politischer oder ethischer Diskusssionen sind (z. B. Beschneidung). Auslander ist kein blinder Gläubiger, der Kritik an seiner Religion nicht akzeptiert, sondern jemand, der sich ernsthaft und vielschichtig mit seinem Glauben und dessen Regeln auseinandersetzt, jemand, der wissen möchte, was richtig und was falsch ist.
Grandios zum Leben erweckt wird Auslanders Geschichte im Hörbuch durch Sprecher Alexis Krüger. Dieser liest nicht einfach vor, sondern lebt Shaloms Geschichte geradezu. Krüger variiert in Betonung, Stimmlage und Tempi, steigert sich dabei teilweise stark hinein, sodass man am Ende meinen könnte, Shalom Auslander spreche persönlich zu einem. Krüger hat zudem eine sehr angenehme Stimme, was zusätzlich dazu führt, dass man dem Hörbuch ohne Schwierigkeiten lange konzentriert zuhören kann. Von allen Hörbüchern und -spielen, die ich bisher hörte, ist dieses wohl das Beste: Inhalt, Stil und Sprecher stimmen hier perfekt überein. Ich persönlich habe im Nachhinein sogar Lust bekommen, das Buch noch einmal zu hören oder zu lesen – ein Eindruck, den bei mir bisher nur wenige Bücher hinterlassen haben. Im Übrigen bin ich bereits vor rund fünf Jahren auf das Hörbuch gestoßen – damals lief es abends auf dem Radiosender MDR Sputnik. Schon damals konnte mich Auslanders Geschichte begeistern. Da ich es jedoch nie vollständig gehört hatte, wollte ich dies nachholen. Dass ich nun – nach fünf Jahren und erneutem Hören – noch genauso begeistert bin wie damals, sollte für sich sprechen.
Fazit:
„Eine Vorhaut klagt an“ ist ein großartiges Buch, als Hörbuch aber geradezu perfekt. Es ist zeitlos, witzig und zugleich kritisch hinterfragend. Autor Shalom Auslander erzählt intelligent und teils zynisch von seiner schwierigen Beziehung zu Gott bzw. seinem Glauben im Allgemeinen. Sprecher Alexis Krüger rundet diese Erzählung mit einer sehr lebendigen, authentischen Vortragsweise ab. „Eine Vorhaut klagt an“ bekommt daher von mir eine absolute Hör- bzw. Leseempfehlung!
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