Das Labyrinth der Träumenden BücherLange wurde darauf gewartet – und dann zeigten sich viele Leser enttäuscht von Walter Moers‘ Zamonienroman „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“. Den von anderen Lesern genannten Kritikpunkten kann ich nicht gänzlich zustimmen, ihnen aber auch nicht vollkommen widersprechen. Ja, „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ ist nicht so großartig wie sein Vorgänger. Aber „Die Stadt der Träumenden Bücher“ war ein regelrechtes Meisterwerk – eine derart geniale Geschichte als Messlatte zu nehmen, erachte ich persönlich als eine zu hohe Anforderung, da es nur schwer möglich ist, eine solche Leistung erneut zu erreichen oder gar zu übertreffen. Aus diesem Grund bin ich auch mit weniger hohen Erwartungen an die Fortsetzung gegangen als vermutlich viele andere Leser. Voller Neugierde wanderte ich mit Hildegunst von Mythenmetz nach dem Erhalt eines mysteriösen Briefes zurück nach Buchhaim und erkundete gemeinsam mit ihm alles Neue, was die vor 200 Jahren in Flammen aufgegangene Stadt nun zu bieten hat. Besonders gefreut habe ich mich dabei über das Wiedersehen mit Hildegunsts alten Bekannten. Die Gespräche mit Ovidios von Versschleifer, Hachmed Ben Kibitzer und der Schreckse Inazea Anazazi stellten für mich die interessantesten und gelungensten Stellen dar, da sie die Ereignisse und Entwicklungen der vergangenen 200 Jahre großartig wiedergeben und eine wunderbare Konstante nach all den Veränderungen bilden. Ins Herz geschlossen habe ich auch die Librinauten, von denen ich gerne mehr kennengelernt hätte.

Ein oft genannter Kritikpunkt ist das vermeintliche Fehlen des Labyrinths bzw. der scheinbar nicht ganz passende Titel. Hier muss ich jedoch widersprechen (auch wenn ich damit vielleicht eine Ausnahme bin). Zwar gelangt Hildegunst erst am Ende des Buches zurück in die labyrinthischen Gänge der Katakomben, allerdings zielen die Ereignisse des Buches darauf ab. Auch sind die Katakomben die Basis von allem: Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch Gespräche, Entwicklungen in Buchhaim und den Alltag in der Stadt.

Kräftezehrend war jedoch die ausführliche Beschreibung von Hildegunsts und Inazeas Besuch des Puppaecircus Maximus – einem einzigartigen Puppentheater, das „Die Stadt der Träumenden Bücher“ als Bühnenstück inszenierte. Dass einige Momente aus Band 1 der Buchhaim-Trilogie hier noch einmal rekapituliert werden, ist dabei gar nicht zu kritisieren – die Schilderung der Inszenierung war jedoch einfach zu ausschweifend. Dass das Puppentheater mit all seinen ungewöhnlichen Eigenschaften – wie der olfaktorischen Aroma-Orgel – etwas Besonderes ist, wird einem bereits nach wenigen Seiten klar. Daher hätte eine Raffung des Theaterbesuchs auf ein Kapitel gereicht. Die Streckung auf etwa 80 von insgesamt 427 Seiten verleiht der Geschichte jedoch einen starken Dämpfer und lässt die Spannung für eine ganze Weile abflauen. Selbst für eine Mythenmetzsche Abschweifung wäre die Schilderung zu ausführlich. Apropos Mythenmetzsche Abschweifungen: Diese habe ich in „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ sehr vermisst. Die einzig wirkliche Abschweifung stellen Hildegunsts „Puppetistische Notizen“ dar, die jedoch inhaltlich nicht allzu abschweifend sind – oder zumindest nicht in einem Maße, wie die Leser es aus „Die Stadt der Träumenden Bücher“ gewohnt sind.

Ein weiteres Element, das ich in Band 2 vermisste, waren die zamonischen Kapitelnummerierungen. In „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ sind die Kapitel nur betitelt und nicht nummeriert, sodass hier leider keine Einheitlichkeit innerhalb der Buchhaim-Trilogie vorliegt.

Nicht verzichten müssen Leser jedoch auf die geliebten Anagramme und die damit verbundenen Anspielungen auf literarische Größen und Werke sowie die Einbindung kulturhistorischer Aspekte (in diesem Buch vor allem durch den Puppetismus sehr detailliert und gekonnt umgesetzt). Daneben überzeugt die Fortsetzung von Hildegunsts Abenteuern wieder durch komplexe Verstrickungen: Auch in „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ ist nicht immer alles Zufall und selbst unscheinbar wirkende Ereignisse sind Teil eines großen Plans, dessen Gänze sich aber erst im dritten Band erschließen wird.

Womit Walter Moers natürlich auch wieder begeistern kann, sind die Illustrationen. Insbesondere das Portrait unseres Lieblingslindwurms auf Seite 6 sei hier hervorgehoben, entpuppt es sich doch als regelrechtes Suchspiel: Moers versteckt diverse Figuren aller bisherigen Zamonienromane in der Kulisse. So gibt es ein Wiedersehen mit Echo dem Krätzchen aus „Der Schrecksenmeister“ sowie den Geschwistern Ensel und Krete.

Fazit:

Walter Moers betont im Nachwort, dass er die Geschichte auf zwei Bücher aufsplitten musste, da es ansonsten zu umfangreich geworden wäre und die Leser zu lange auf eine Fortsetzung hätten warten müssen. Daher muss man „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ wirklich als Überleitung bzw. Auftakt zum dritten Band der Buchhaim-Trilogie erachten. Es schlägt mehr eine Brücke zwischen Band 1 und Band 3, als das man es als eigenständiges Buch sehen könnte. Dessen sollte man sich als Leser bewusst sein und die Erwartungen an die Lektüre entsprechend anpassen. Insgesamt hat der zweite Band wenige, aber dafür große Schwächen – allerdings auch etliche kleine Stärken, die vor allem in den aus „Die Stadt der Träumenden Bücher“ bekannten Elementen und Figuren liegen.