Vor ein paar Jahren haben Sébastien Perez und Benjamin Lacombe mit ihrem Bilderbuch „FRIDA“ mein Interesse an Frida Kahlo geweckt. Als ich 2024 auf der Leipziger Buchmesse den Comic „Frida Kahlo: Her Life, Her Work, Her Home“ von Francisco de la Mora entdeckte, war ich schnell angetan von den natürlichen, satten Farben. Leider konnten mich Inhalt und Stil nun aber nicht so begeistern wie erhofft.
Der Comic erzählt Fridas Leben in chronologischer Reihenfolge mit etlichen Zahlen, Namen und Daten, bleibt dabei jedoch sehr oberflächlich, distanziert und nüchtern. Es wird viel über die Ereignisse und Menschen um Frida berichtet, jedoch fehlen bei allem tiefere Auseinandersetzungen – und Emotionen! Was Frida oder die Menschen um sie herum bewegt, was sie antreibt, was sie fühlen, wird inhaltlich und visuell selten vermittelt. Wenn es doch einmal um Empfindungen geht, wird uns Lesenden immer alles so offensichtlich wie möglich in Worten mitgeteilt. Francisco de la Mora überlässt nichts der Fantasie und Empathie seines Publikums, sondern sagt uns genau, was wir wissen und denken sollen.
Gleichzeitig lässt er essenzielle Aspekte außen vor, die wichtig sind, um Fridas Kunst und die Ereignisse ihrer Zeit zu verstehen. Beispielsweise werden Frida Kahlos Tiere und deren Einfluss auf ihre Malerei an keiner Stelle aufgegriffen. Auch die Bedeutung der indigenen mexikanischen Traditionen werden nur am Rande behandelt: Zwar schreibt Kuratorin Circe Henestrosa im Vorwort des Comics viel darüber, wie wichtig die mexikanische Kultur und Kleidung für Frida Kahlo waren, im Comic selbst wird darauf aber kaum Bezug genommen. Auf einer einzigen Seite wird erwähnt, dass Frida von dem Kleidungsstil fasziniert war, sie die Kleider mit weiblicher Unabhängigkeit assoziiert und sie ihren Körper unter den Kleidern „verstecken“ konnte – doch mehr über die Bedeutung und Tradition erfahren wir nicht.
Selbst wichtige politische Entwicklungen werden nur beiläufig erwähnt und in keinen Kontext gesetzt. Im Nachgang an die Lektüre habe ich erfahren, dass sich der Comic an Jugendliche richtet. Gerade hier finde ich es fatal, ihnen politische Aufstände und Verfolgung einfach nebenher „hinzuwerfen“, ohne zumindest in Fußnoten oder im Anhang zu erläutern, worum es bei diesen Geschehnissen geht und welche Seiten sich warum und wie gegenüberstehen.
Auf rein inhaltlicher Ebene bewegt sich „Frida Kahlo: Her Life, Her Work, Her Home“ daher eher auf dem Niveau eines kurzen Schulvortrags: eine Aneinanderreihung biografischer Stationen, losgelöst von jeglichem Weltgeschehen, Beweggründen für Handlungen und Empfindungen.
Auch die gestalterische Umsetzung des Comics überzeugt nur mittelmäßig. Die warmen, gedeckten Farben vermitteln von Beginn an ein Wohlgefühl und Francisco de la Mora bricht an einzelnen Stellen mit dem klassischen Panelformat, um zum Beispiel in einem Splash Panel Frida Kahlos Reisen durch die USA zu visualisieren. Insgesamt fehlt es dem Comic jedoch an Einheitlichkeit. So variiert Fridas Aussehen gleich in der allerersten Szene erheblich: Mal ist ihr Haar ungeschmückt, mal mit einem durchgehenden Band und mal mit vielen kleinen Elementen verziert; in einem Panel trägt sie keine Ohrringe, in den anderen Panels dagegen große, auffällige Ohrringe; die Farbe und Anzahl ihrer Halsketten variiert innerhalb der Panels. Solche Patzer sind sicherlich auch in der vagen Abbildung von Menschen begründet. Denn während Francisco de la Mora Hintergründe und Gegenstände sehr detailliert und akkurat gezeichnet hat, sind Menschen immer unförmig, flach, mit ungewöhnlichen Proportionen und teils grotesken Positionen von Körperteilen dargestellt. So wie in diesem Comic sah es immer aus, wenn ich versuchte, Menschen zu zeichnen – und genau deshalb zeichne ich auch keine Menschen mehr.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die ungleiche Darstellung der Affären innerhalb des Comics. Während die Affären von Fridas Mann Diego Rivera mehrmals thematisiert werden, werden Fridas eigene Affären innerhalb der Story an keiner Stelle erwähnt. Lediglich der Zeitstrahl im Anhang erwähnt einzelne Affären Frida Kahlos – allerdings nur die Affären mit Männern; Fridas Affären mit Frauen werden komplett verschwiegen, was den unguten Beigeschmack hinterlässt, dass Frida Kahlo hier möglichst heteronormativ porträtiert werden sollte.
Fazit:
Für Personen, die sich noch nie mit Frida Kahlo auseinandergesetzt haben, liefert „Frida Kahlo: Her Life, Her Work, Her Home“ einen informativen Überblick über den Lebenslauf der Künstlerin. Jedoch mangelt es dem Comic an inhaltlicher Tiefe, Kontext und Emotionalität. So gelingt es Francisco de la Mora nicht, ein Gespür dafür zu vermitteln, wer Frida als Mensch, Frau und Künstlerin war, was sie bewegte, inspirierte, fühlte – das ist Benjamin Lacombe und Sébastien Perez mit „FRIDA“ deutlich besser gelungen.
Francisco de la Mora: „Frida Kahlo: Her Life, Her Work, Her Home“, ins Englische übersetzt von Lawrence Schimel, Selfmadehero 2023, ISBN: 978-1-914224-10-2
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