Lange hat es gedauert, bis ich den dritten „Der Herr der Ringe“-Band beenden konnte. Zum Teil lag es an nicht buchbedingten, äußeren Umständen, zum Teil aber auch am Buch selbst. All das Kämpfen fand ich extrem ermüdend, die Orks nervig und Éowyn anstrengend in ihrer Melodramatik. Erst suhlt sie sich im Leid ihrer unerwiderten Liebe zu Aragorn und macht all ihr Handeln und Dasein von ihm abhängig – und kaum äußert Faramir ihr gegenüber ein paar Worte der Vertrautheit und Zuwendung, ist ihr Liebeskummer vergessen und sie verliebt sich in ihn. Das ist jetzt natürlich ein wenig überspitzt geschildert: Faramir und sie verbringen einige gemeinsame Tage, bevor es so weit kommt und Faramir gibt sich durchaus charmant, aber dafür, dass Éowyn kurz zuvor kaum noch Lebensmut besaß und nur an Aragorn dachte, kam ihre Wendung doch arg plötzlich.
Spannung kam für mich in all diesen Tagen des Krieges vorrangig auf, als Faramir und Denethor aufeinandertreffen und letzterer schließlich dem Wahnsinn verliert. Was für ein Bangen, als er sich und seinen Sohn lebendig verbrennen lassen möchte! Für mich war diese Szene eine der fesselndsten der ganzen Trilogie und in der Hörbuchversion hat Gert Heidenreich Denethor grandios verkörpert.
Ansonsten bin ich jedoch vorzugsweise bei Sam und Frodo gewesen, die im dritten Band ihrer nun größten Gefahr ausgesetzt und dabei lange Zeit jeder auf sich allein gestellt sind. Mit Sam tue ich mich zu Beginn der Trilogie immer schwer, weil er für mich lange nur wie ein Schatten und Anhängsel Frodos scheint. Aber spätestens im dritten Band wird Sam zu einer Schlüsselfigur und wächst extrem über sich selbst hinaus. Nicht länger ist er nur Frodos Freund, einer der Gefährten, sondern einer der größten Helden dieser Geschichte und es ist allein ihm zu verdanken, dass Frodo es schließlich bis zum Schicksalsberg schafft und der eine Ring endgültig vernichtet werden kann.
Zwischen all der Düsternis blieb das Lesen aber immer wieder auch etwas demotivierend und so war ich dankbar, wenn sich ein wenig Comic Relief einschlich. Auf Pippin und Merry ist eben immer Verlass.
Wirklich genießen konnte ich „The Returning of the King“ / „Die Wiederkehr des Königs“ allerdings erst, als sich der Band seinem Ende näherte und wir uns weg von Kämpfen und Düsternis hin zu den Freuden des Lebens begeben. Aragorn und Arwen, die endlich in ihrer Liebe vereint sind, und Aragorns Krönung sind hier natürlich eines der Highlights, dicht gefolgt von dem fast unschuldig wirkenden Wiedersehen zwischen Sam und Rosie. Aber auch die besonderen Bande, die die Gefährten für immer verbinden sollen, rühren das Herz – sei es nun die einmalige Freundschaft zwischen Gimli und Legolas, die noch gemeinsame Reisen unternehmen werden, oder die Rollen, die Merry und Pippin im Dienste Aragorns annehmen.
Lange wirkt all das wie ein Happily Ever After. Aber nichts währt für immer. Irgendwann muss jeder seinen eigenen Weg gehen. Auch wenn unsere Gefährten immer etwas Besonderes bleiben werden, ist ihr gemeinsames Kapitel doch zu Ende erzählt und uns bleiben schwere Trennungen nicht erspart. Die letzten 200 Seiten sind daher ebenso von Glückseligkeit und Frieden begleitet wie von Traurigkeit und Wehmut.
Macht’s gut Frodo, Sam, Merry, Pippin, Gandalf, Gimli, Legolas und Aragorn! Es war eine aufregende Zeit – die wir irgendwann wiederholen werden.
J. R. R. Tolkien: „The Lord of the Rings“ (50th Anniversary Editon), Houghton Mifflin 2004, ISBN: 0-618-51765-0
J. R. R. Tolkien: „Der Herr der Ringe. Zweiter Teil: Die zwei Türme“ (Hörbuch, gelesen von Gert Heidenreich), aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Krege, Der Hörverlag 2006, ASIN: B000R210U0
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Hallo Kathrin,
Ja, diese Probleme kenne ich mit Der Herr der Ringe auch. Es ist stellenweise sehr ermüdend, diesen ganzen Kämpfen, Schwüren etc zu folgen. Dazu noch die teilweise sehr detailgetreuen Landschaftsbeschreibungen, die mich ebenfalls öfter haben abschweifen lassen.
Außerdem hat das Buch für mich von vornherein ein großes Grundproblem. Man weiß, wie es ausgehen wird. Das ist zum Beispiel ein riesengroßer Unterschied zum Dunklen Turm, wo man dich nie sicher sein kann, was als nächstes kommt. Es gibt in beiden Geschichten ein großes Ziel, aber der zu beschreiten Weg könnte unterschiedlicher nicht sein.
Was ich aber an der einen wie der anderen Geschichte sehr faszinierend finde, ist diese überbordende Fantasy, komplett neue Welten und im Falle Tolkiens sogar eine völlig neue Sprache zu kreieren.
Und was genauso wichtig ist. Ohne Der Herr der Ringe gäbe es wohl auch keinen dunklen Turm. Zumindest nicht in der Form, wie es nun existiert.
Liebe Grüße und gesund bleiben
Marc
Hi Marc,
das stimmt: Kings Dark Tower hat deutlich mehr Überraschungsmomenten. Überhaupt kann man bei Kings Büchern nie sicher sein, was sie bereithalten- wie oft entwickeln sich Geschichten ganz anders, als man es anfangs geahnt hätte.
Beim HdR geht es dagegen auch viel um den Weg selbst – das Hinauswachsen über sich selbst, das Einstehen für Freunde und für die Sache, auch wenn das ein Risiko für einen selbst birgt, das Überwinden von Vorurteilen etc.
Was Tolkiens Welt angeht, bin ich ganz bei dir! Eine neue Sprache erfinden, ein neues Kalendersystem, ganze Stammbäume und Chroniken, auch wenn diese kaum oder gar keine Rolle für die jeweiligen Geschichten spielen… Das ist eine gewaltige Leistung und sehr beeindruckend. Die Anhänge im HdR fand ich dadurch aber auch sehr ermüdend und manches davon habe ich irgendwann nur grob überflogen.
Genieß das lange Osterwochenende und das tolle Wetter, das die momentane