In dem Kinderbuch „Endlich Esel“ erzählen Kathrin Lena Orso und Linda Mieleck die „ziemlich wahre“ Geschichte der Eselin Hermine: wie Hermine erst allein und dann Außenseiterin war, bis sie schließlich zum Hof Dorf Sentana in Bielefeld kam. Noch heute lebt die Eselin glücklich und gesund auf dem Begegnungs- und Gnadenhof an der Seite einer anderen Eselin – und kann von euch besucht werden! Denn Hermine gibt es wirklich: Der CalmeMara Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte von Hermine und anderen Tieren des Hofes Dorf Sentana zu erzählen und mit seinen Einnahmen die Arbeit des Hofes zu unterstützen.
Natürlich wurde Hermines Geschichte für das Buch ein wenig abgeändert, ist aber von ihren wahren Erfahrungen inspiriert. In „Endlich Esel“ begleiten wir Hermine zunächst beim Umzug von ihrem einsamen Leben am Waldrand hin zu einem Ponyhof. Endlich andere Tiere! Doch schon kurz nach der Ankunft am Ponyhof muss Hermine erkennen, dass das Leben mit den Ponys nicht so ist, wie sie sich erhofft hat: Die Ponys lassen sie spüren, dass sie anders aussieht und klingt; die Menschen finden Hermine stur und alles, was den Ponys Spaß macht, ist für Hermine anstrengend. Irgendwann erfährt sie, warum das so ist: Sie ist eine Eselin und kein Pony. Jetzt kennt Hermine zwar den Grund, doch trotz ihrer Bemühungen schafft sie es nicht, „dazuzugehören“. Mit jedem weiteren Tag wird sie trauriger, zieht sich mehr und mehr zurück, frisst aus Traurigkeit viel zu viel und das Falsche – bis der Tierarzt eines Tages dafür sorgt, dass die Eselin zum Dorf Sentana und in die Gesellschaft einer anderen Eselin kommt.
Auch wenn sich „Endlich Esel“ an Kinder richtet: Hermines Geschichte zu verfolgen ist bedrückend und rührt das Herz. Kathrin Lena Orso und Linda Mieleck haben ihre Geschichte mit so viel Liebe und Tiefe erzählt und mit wunderschönen, natürlich warmen Illustrationen versehen. Inzwischen habe ich das Buch zweimal gelesen und war jedes Mal erstaunt, wie viel Handlung und wie viele Themen in diesem schmalen Buch stecken, die Lektüre aber trotzdem leicht und kurzweilig ist. „Endlich Esel“ ist ein Buch über universelle Themen wie Zugehörigkeit, Zuhause-Sein, über Individualität und darüber, dass nicht alle an jedem Platz „richtig“ sein können, es aber irgendwo den passenden Ort und die passende Gruppe gibt. Gleichzeitig schafft das Buch Bewusstsein dafür, wie wichtig die richtige Tierhaltung ist, und räumt mit dem Vorurteil auf, dass Esel stur seien.
Besonders gefällt mir dabei, dass „Endlich Esel“ nicht urteilt und keine Welt zeichnet, in der es nur Gut und Böse, nur Richtig und Falsch gibt: Die Ponys sind nicht gemein zu Hermine, sie stellen ihre Andersartigkeit fest, aber versuchen dennoch, sie in ihre Gemeinschaft aufzunehmen. Auch Hermines Halterin handelt lediglich mangels besseren Wissens und sie reagiert sofort, als der Tierarzt die Probleme benennt.
Die Illustrationen untermalen in erster Linie den Text, schaffen es aber, uns Hermines Gefühlswelt noch näher zu bringen: An Hermines Augen, Ohren und Körperhaltung spiegeln sich ihre Emotionen und ihre Veränderung aufgrund der Ausgegrenztheit sehr genau wider. Das lässt die Eselin regelrecht „lebendig“ wirken.
Fazit:
„Endlich Esel“ ist eine wunderschön illustrierte und berührende Geschichte, die etliche Themen aufgreift und viel Gesprächsstoff für die gemeinsame Lektüre mit Kindern bietet. Aber: Wenngleich „Endlich Esel“ sich an Kinder richtet, empfehle ich das Buch auch ausdrücklich an Erwachsene! Und wer aus dem Raum Bielefeld kommt oder sich irgendwann in der Region aufhält, sollte unbedingt Hermine und die anderen Tiere auf dem Hof Dorf Sentana besuchen.
Kathrin Lena Orso & Linda Mieleck: „Endlich Esel“, CalmeMara Verlag 2023, ISBN: 978-3-948877-38-5
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