Irgendwann im Juni spülte mir Instagram eine Anzeige für eine Lesung von Christoph Maria Herbst aus Walter Moers‘ „Die Insel der tausend Leuchttürme“ in die Timeline. So gut das klang, war ich anfangs skeptisch: Eine Lesung aus einem Moers-Buch – hat es das schon mal gegeben? In den Social-Media-Kanälen und auf der Verlagsseite konnte ich nichts über die Lesung finden; der Ticketdienstleister war mir zum damaligen Zeitpunkt noch fremd. Merkwürdig. Aber auf der offiziellen Zamonien-Website fand ich dann doch die Bestätigung, dass diese Lesereise kein Fake ist.
Nach ein paar Monaten Wartezeit – aus dem Sommer wurde inzwischen nasskalter Herbst – war es schließlich so weit: Am 13. November fanden wir uns mit hunderten weiterer Zamonien-Fans im Stuttgarter Theaterhaus für die Reise zur Insel der tausend Leuchttürme ein. So viele Menschen dicht gedrängt auf zwei Stockwerke – da kamen fast Buchmessengefühle auf.
Das Buch „Die Insel der tausend Leuchttürme“, in dem der große zamonische Autor Hildegunst von Mythenmetz seine Briefe von seiner Reise zur gleichnamigen Insel veröffentlicht hat, hatte ich zum Zeitpunkt der Lesung zwar begonnen, aber noch nicht beendet. So hielt der Lesungsabend für mich eine ideale Mischung aus bekannten und unbekannten Textpassagen bereit.
Auf großer, nahezu leerer Bühne wirkte Christoph Maria Herbst anfangs fast ein wenig verloren – je länger er aber aus dem Buch las, desto mehr löste sich der nahezu ausverkaufte Saal auf und stattdessen entstanden vor dem geistigen Auge die Dünen, Leuchttürme und Geschöpfe der Insel Eydernorns. Wer einmal ein Hörbuch von Christoph Maria Herbst gelesen hat[1], weiß, wie einzigartig ihm das Beleben literarischer Welten gelingt! Ich hatte meinen Freund mit zur Lesung genommen, der noch nie ein Zamonienbuch gelesen hatte, und fürchtete, dass ihm ohne jegliches Vorwissen der Einstieg in die Welt schwerfallen könnte. Aber diese Sorge war unberechtigt, obwohl Christoph Maria Herbst vor dem Vorlesen nichts über die Geschichte erzählte: Allein, wie der Schauspieler und Hörbuchsprecher die Figuren und Szenen zum Leben erweckte, reichte in Verbindung mit projizierten Bildern aus, um sich auf die Geschichte einzulassen.
Was Christoph Maria Herbst mit seiner Stimme vermag, fasziniert mich stets aufs Neue. Er schafft es immer wieder, mir das Gefühl zu geben, nicht nur einer Person zuzuhören, sondern einem ganzen Sprecherensemble. So auch an diesem Abend, als er nicht nur dem Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz, sondern auch einem Molchling, einer Schreckse, einem Küstengnom und einem Nebelheimer ganz individuelle Stimmen verlieh. Seine Interpretation des platt sprechenden Küstengnoms und des an beliebigen Stellen Sprechpausen machenden, hauchenden Nebelheimers waren dabei die Highlights. Bis heute frage ich mich, wie es Christoph Maria Herbst gelingt, zwischen all den Figuren mit ihren markanten Stimmen und Sprechweisen so schnell hin und her zu wechseln.
Angesichts dieser Perfomance brauchte es auch gar nicht mehr, um das Publikum zu begeistern. Anders als bei allen Lesungen, die ich in meinem Leben besucht habe, war diese wirklich eine reine Lesung. Soll heißen: Christoph Maria Herbst hat rund 90% des Abends gelesen. Zwischen den verschiedenen Textpassagen gab es keine Erläuterungen und die einzigen Punkte, über die Herbst sprach, waren seine Verbindung zu Moers‘ Werken bzw. warum gerade er diese Lesereise macht sowie seine Rolle als Schrecksenmeister Succubius Eißpin in einem Kurzfilm.
Zum Abschluss des Abends gab es als literarische Zugabe eine Kostprobe aus dem nächsten Buch von Mythenmetz/Moers. Dieses Mal dürfen sich Zamonien-Fans auf eine Sammlung von Flabeln freuen (nein, das ist kein Tippfehler – es sind Flabeln, keine Fabeln). Und wenn der Rest der Flabeln so lustig wird wie die vorgelesene Kurzgeschichte über ein Einhörnchen, wird das Buch eine fantastische Ergänzung im Zamonien-Regal.
Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, das eigene Exemplar von „Die Insel der tausend Leuchttürme“ von Hildegunst von Mythenmetz signieren zu lassen. Natürlich war der Lindwurm nicht selbst vor Ort (vielleicht saß er gerade ormdurchströmt über einem neuen Werk – oder hatte einfach keine Lust auf all die Menschen). Daher stempelte „sein Personal“ seine Unterschrift in die Bücher.
Als weitere Besonderheit des Abends wurden zehn Bücher mit einer Zeichnung und der Unterschrift von Walter Moers verlost. Und nun ratet mal, wer Glück hatte, eines dieser Exemplare zu gewinnen! Nein, nicht ich. Ausgerechnet der Freund, der noch nie ein Zamonien-Buch las, hatte das buchstäbliche Glückslos gezogen. Dann geht dieses Abenteuer für ihn jetzt wohl richtig los.
[1] Ich empfehle an dieser Stelle das von Herbst gelesene „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende.
Klingt toll :D Hätt ich mir auch gern angehört. Ich liebe ja Leuchttürme … ob das nun der Zamonien-Roman für mich ist? Nach dem ersten habe ich damals gar nicht weitergelesen … ich kann nicht mal sagen warum, denn ich fand’s toll.
Und wegen der Verlosung … so ein Glückspilz! :D
Hm, schwer zu beurteilen – bisher spielten Leuchttürme noch keine so große Rolle im Buch (ich hab aber auch erst ein Drittel gelesen).
Grundsätzlich sehe ich „Die Insel der tausend Leuchttürme“ bisher eher als Buch für eingefleischte Zamonien-Fans. Und wenn man mit „Die Stadt der träumenden Bücher“ ins Moers’sche Universum eingestiegen ist, ist die Messlatte sowieso hoch. Daher würde ich dir als nächstes eher zu „Rumo“ oder „Der Schrecksenmeister“ raten.