Als Dmitry Glukhovsky das Manuskript für seinen dystopischen Roman „Metro 2033“ bei Verlagen einreichte, glaubte dort niemand an den Erfolg der Geschichte um die russische Bevölkerung, die nach einem Atomkrieg die Stationen der Moskauer Metro ihr Zuhause nennt – abgeschirmt von der radioaktiven Erdoberfläche, von Sonnenlicht, aber nicht von den Mutanten, die immer tiefer in das U-Bahn-System vordringen. Also veröffentlichte Glukhovsky seinen Text im Web. Und im Gegensatz zu den Verlagen erkannten Lesende aus aller Welt sehr wohl das Potenzial des Romans. Die wachsende Fangemeinde weckte schließlich doch noch die Aufmerksamkeit von Verlagen, die nun den finanziellen Marktwert sahen. Inzwischen hat sich um die ursprüngliche Trilogie ein ganzes Universum entwickelt: Es entstanden weitere Romane, Kurzgeschichten und Novellen innerhalb des Metro-Universums, mehrere Games und eine Comic-Adaption des ersten Metro-Bandes.
Für die visuelle Umsetzung in den Comics sorgte der Niederländer Peter Nuyten, der die düstere, raue und schmutzige Underground-Welt perfekt abgebildet hat. Er fängt das Chaos der zerstörten U-Bahn-Tunnel und die Enge in den behelfsmäßig errichteten Untergrund-Städten ein – mal eher beiläufig oder skizzenhaft, dann wiederum sehr detailliert. Das alles ist ursprünglich in wenigen, überwiegend erdigen Töne dargestellt. In der Leseprobe des Comics empfand ich diese Kombination aus Farben und recht vollgepackten Panels als zu viel auf einmal – ich wusste nie so recht, wohin ich zuerst blicken sollte, hatte den Eindruck, nicht alles erfassen zu können. Als Splitter seine Vorzugsausgabe im XXL-Format und mit schwarz-weißen Tuschezeichnungen ankündigte, entschied mich daher für diese Version. Im Nachgang war das für mich die richtige Wahl. Zwar macht das Format von 28×37 cm das Lesen nicht allzu gemütlich, aber es gibt dem Comic den gebührenden Raum, damit jedes einzelne Panel seine Wirkung entfalten kann. Die Reduzierung auf Schwarz und Weiß macht die Bilder zudem einerseits ruhiger und bewirkte, dass ich fokussierter Lesen konnte. Gleichzeitig empfand ich die Bilder durch diesen farblichen Kontrast aber auch ausdrucksstärker und härter, was mir Leben in der Metro noch kälter und brutaler erscheinen ließ.
Als ich „Metro 20033“ vor einigen Jahren als Hörbuch hörte, habe ich mir das Leben der Moskauer*innen in den Stationen bereits sehr trostlos und unheimlich vorgestellt – aber Nuyten hat mir noch einmal gezeigt, mit wie vielen Entbehrungen und Bedrohungen die Menschen tatsächlich tagtäglich konfrontiert sind. Keine Privatsphäre, kein Sonnenlicht, keine Kultur, keine Bildung, stattdessen Lebensmittelknappheit, Misstrauen und eine permanente unterschwellige Angst vor Mutanten oder menschlichen Feind*innen.
In dieser Umgebung wächst auch Protagonist Artjom auf. Der junge Mann erhält eines Tages einen geheimen Auftrag, der ihn durch die Tunnel des Metrosystems und die verschiedenen Stationen mit nicht immer freundlich gesinnten Bewohner*innen führen wird. Obwohl der Auftrag selbst recht vage ist und für Artjom tödlich enden könnte, bricht er ohne großes Zögern bei der erstmöglichen Gelegenheit auf. Denn der Ausgang seiner Mission könnte über Rettung oder Untergang der unterirdischen Zivilisation entscheiden.
Die insgesamt dreibändige Comic-Adaption von „Metro 2033“ hat dabei deutliche Vorzüge gegenüber Glukhovskys Bestseller. Der Roman besticht vor allem durch seine Atmosphäre und die geschaffene dystopische Welt. Allerdings ist das Original derart überfüllt von Namen, Orten oder Personen mit nur kurzen Auftritten und schwach ausgeprägter Charakterisierung, dass es mir – trotz mehrfacherer Neustarts des Buches – immer wieder schwerfiel, den Überblick zu behalten oder alles korrekt einzuordnen. Die für den Comic nötige Reduktion und Verschlankung hat der Story dahingehend gutgetan. Zusammenhänge erschließen sich einfacher und es ist leichter, den Überblick über das Geschehen, das Metrosystem und die Personen zu behalten. Dabei offenbart sich auch eine große Schwachstelle der Story: Artjoms Reise beruht grundsätzlich nur auf Zufällen. Der Mission liegt kein Plan zugrunde, es gibt kein Netzwerk, auf das Artjom zurückgreifen könnte. Sein Weiterkommen innerhalb der Metro gelingt allein durch, dass Artjom immer wieder zufällige Begegnungen mit Fremden macht, die ihn unter ihre Fittiche nehmen. Das ist eine ganz schön dünne und konstruierte Basis für eine Geschichte.
Aber auch der Comic hat seine Schwächen. Während er vielen Mutationen ein klares Gesicht gibt, als ich es beim Roman vor Augen hatte, sind die mutierten Ratten innerhalb des Comics längst nicht so riesig und furchteinflößend wie in der Vorlage. Als ich „Metro 2033“ hörte, hatte ich gehörigen Respekt vor den Ratten und konnte mir vorstellen, wie grausig ihre Attacken auf die Menschen sind. Beim Betrachten der Ratten innerhalb des Comics kam dieser Schauer nicht auf, sondern eher ein Gefühl, dass es sich hier um eine ganz schön lästige Plage handelt.
Enttäuscht war ich zudem von der visuellen Darstellung Artjoms. In Dmitry Glukhovskys Roman wird wieder und wieder betont, wie jung Artjom ist. Im Comic wirkt der 24-jährige Protagonist dagegen locker zehn Jahre älter, weshalb es auf mich jedes Mal unglaubwürdig wirkte, wenn andere Personen ihn wie ein Kind behandelten.
Was die Lektüre des Comis außerdem schmälerte, waren die Fehler im Lettering der Vorzugsausgabe: Da steht der Text schon mal neben statt in der Sprechblase oder ist so unglücklich platziert, dass er nur schwer lesbar und leicht übersehen werden kann.
Fazit:
Roman oder Comic? Wer ins Metro-Universum eintauchen möchte, sollte sich nicht auf eines beschränken. Comic und Buch bilden eine tolle Einheit und ergänzen einander hervorragend. Während der Roman vor allem durch seine Atmosphäre punktet, ist die im Comic zu findende Reduktion aufs Wesentliche ein Gewinn für die Handlung.
Dmitry Glukhovsky & Peter Nuyten: „Metro 2033. Band 1: Wo die Welt endet“ (Splitter Diamant Vorzugsausgabe), aus dem Niederländischen übersetzt von Axel Rothkamm, Splitter 2019, ISBN: 978-3-96219-466-6
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