Vor dem Gesetz sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Aber die Realität sieht – wie jede Frau bestätigen kann – anders aus. Beispielsweise erhalten Frauen mit kleinen Kindern seltener einen (unbefristeten) Job, selbst wenn sie in einer Beziehung sind. Eine Frau, die keine Kinder möchte, erntet hingegen irritierte Blicke und Kommentare à la „diese Ansicht ändert sich noch“. Gleichzeitig wird es noch zu häufig als selbstverständlich angesehen, dass die Frau für die Karriere ihres Partners Abstriche im eigenen Berufsleben macht, sich lange in Elternzeit und danach in Teilzeit begibt und im Krankheitsfall des Kindes alles im Job stehen und liegen lässt. Nichts davon würde einem Mann passieren. Das hat über kurz oder und lang Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Frau und ihre finanzielle Vorsorge für Krisensituationen, Pflege und Rente. Denn auch wenn viele in einer glücklichen, funktionierenden Beziehung gern die Augen davor verschließen: Jede Beziehung kann scheitern, der*die Partner*in temporär den Job verlieren, berufsunfähig oder pflegebedürftig werden oder sterben. Dann muss frau plötzlich allein für sich (und eventuell die Kinder und den*die Partner*in) sorgen. In den wenigsten Fälle ist das möglich, weil wir Menschen Unbequemes gerne vor uns her schieben, naiv glauben, dass uns so etwas nicht passiert, oder es schlichtweg nicht anders wissen.

Genau deshalb hat Natascha Wegelin, die im Netz als Madame Moneypenny über Finanzen informiert, berät und coacht, ihr Buch „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ geschrieben. Darin sensibilisiert sie für die Problematik der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen und gibt einen Einstieg, wie frau Schritt für Schritt mehr Kontrolle über ihre individuelle finanzielle Situation erlangen und sich für die Zukunft absichern kann.

Wie ist das bei euch? Habt ihr euch schon mal Gedanken gemacht, wie ihr im Worst Case über die Runden kommt? Wie ihr für Alter oder Berufsunfähigkeit vorsorgen könnt?

Ich bin in Ostdeutschland aufgewachsen, meine Eltern waren beide durchweg in Vollzeit berufstätig. Mein Bruder und ich haben von Anfang an ganztägig Kinderkrippe, später Kindergarten und in der Grundschule den Hort besucht. Für uns war das total normal. Nicht nur das: Ich habe es geliebt, den ganzen Tag von meinen Freund*innen umgeben zu sein. Und wir lernten schnell, eigenständig zu sein. Da meine Familie nie viel Geld hatte, musste ich bspw. auch meine Studienzeit ohne ihre finanzielle Unterstützung stemmen. Ich weiß, wie es ist, gerade genug Geld zu haben, um die Miete zu zahlen und lediglich die Existenz zu sichern. Ich kenne mittlerweile aber auch das Gegenteil, also genug zu verdienen, um andere zu unterstützen. Außerdem habe ich einen Autokredit abgezahlt, mehrere kostenintensive berufliche und private Neuanfänge hinter mir und bin noch immer dabei, mein Bafög zurückzuzahlen. Finanziell von niemanden abhängig zu sein, war für mich in all den Jahren eine Selbstverständlichkeit und ist es noch heute. Genauso selbstverständlich ist es für mich aufgrund dieser Biografie, dass ich für meine potenziell zukünftigen Kinder nicht meinen Beruf aufgeben würde – auch nicht temporär. Dafür liebe ich meinen Job zu sehr.

Mit Mitte 30 und diesen Erfahrungen rückten nun auch immer häufiger Fragen nach finanzieller Vorsorge und Sparplänen für größere Träume in den Vordergrund. Das Thema Finanzen war für mich allerdings immer zu abstrakt und Finanzjournalismus oder -ratgeber erschienen mir wie ein willkürliches Dropping von Fachbegriffen, die man als Einstieger*in nicht verstehen kann. Auf Empfehlung einer lieben Freundin griff ich daher zu Madame Moneypennys Buch – und kann diese Empfehlung nur weiterreichen an alle, die sich bisher nicht oder nur wenig mit dem Thema Finanzen beschäftigt haben.

In „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ macht Natascha Wegelin immer wieder deutlich, wie relevant das Thema finanzielle Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen ist. Untermauert werden ihre Argumente, die wissenschaftlichen Fakten und Statistiken durch Interviews mit Frauen, die sich irgendwann an einem Punkt befanden, an dem sie ihren Umgang mit Finanzen analysieren und ändern mussten. Die Fallbeispiele umspannen Frauen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen, Krisensituationen und mit unterschiedlichen Vorbedingungen. Das offenbart noch einmal, welche „Baustellen“ unsere Gesellschaft hat und wie leicht jede*r in eine finanzielle Notlage geraten kann.

Im weiteren Verlauf tastet sich Natascha Wegelin mit ihren Leser*innen immer näher an die Auseinandersetzung mit der individuellen Finanzlage heran. Dabei richtet sie sich bewusst an absolute Neulinge: Das sonst so häufig erlebte Droppen von Fachjargon entfällt. Stattdessen widmet sich Madame Moneypenny den grundlegenden Basics wie Haushaltsbüchern, dem Bewusstwerden der eigenen Ausgaben oder auch der Frage danach, wofür wie vorgesorgt werden kann. Zusammenhänge und Fachbegriffe erläutert sie an alltagsnahen Beispielen, die mitunter nicht einmal einen Finanzbezug haben – so werden bspw. Fonds mit Knabberboxen verglichen. Erst im letzten Drittel wird stärker auf das Thema Aktien eingegangen. Alle relevanten Begriffe werden anschließend noch einmal in einem Glossar erläutert und wer noch mehr Input sucht, findet im Anhang diverse Literaturempfehlungen und kann sich natürlich auch auf madamemoneypenny.de in das Thema vertiefen.

Wer befürchtet, dass ein Buch über Finanzen dröge oder zäh ist, den*die kann ich beruhigen: „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ liest sich äußert kurzweilig. Einerseits ist das Buch keine 250 Seiten dick, andererseits geht Natascha Wegelin sehr anekdotisch vor. Das ganze Buch ist in die Geschichte eines Grillabends mit ihrer Familie eingebettet und liest sich daher wie ein Gespräch unter Freund*innen oder Verwandten, bei dem Erfahrungen, Wissen und Tipps ausgetauscht werden. Zugegeben: In den ersten Kapiteln liest sich dieses Szenario sehr konstruiert, im weiteren Verlauf wird es aber zunehmend natürlicher und authentischer geschildert. Abgerundet wird diese lockere Auseinandersetzung mit Finanzen durch kleine Aufgaben, die Natascha Wegelin ihren Leser*innen am Ende jedes Kapitels stellt.

Für mich selbst hielt Madame Moneypennys Buch lange nur sehr wenig Neues bereit, da ich für die Problematik längst sensibilisiert war. Wirklich hilfreich wurde es für mich erst im letzten Drittel, als es u.a. um ETFs und Aktienindizes ging. Hierüber hätte ich gerne noch mehr gelesen. Auch hätte ich mir für ein Buch, dass sich an Finanznoviz*innen richtet, einen ausführlicheren Vergleich über verschiedene Formen des Sparens und Investierens gewünscht. Denn obwohl Natascha Wegelin immer wieder betont, dass sie keine konkreten Empfehlungen ausspricht, weil es kein „One fits all“ gibt, ist doch eine klare Präferenz von ETFs vorhanden. Trotzdem habe ich ihr Buch sehr gern gelesen und viel für mich mitnehmen können: Einmal so gebündelt serviert zu bekommen, welche Problematiken für Frauen bestehen, bietet einerseits hilfreiche Argumentationshilfen, um andere für die noch immer nicht existierende finanzielle Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zu sensibilisieren; andererseits hat es mir einen großen Motivationsschub gegeben, mich endlich meinen eigenen Finanzplänen zu widmen und mir gleichzeitig einen guten Startpunkt geliefert.

Wer sich bereits intensiver mit dem Thema Finanzen auseinandergesetzt hat, wird aus „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ wenig Neues für sich selbst ziehen können. Wer aber erste Schritte gehen möchte, findet hier einen guten Einstieg. Unabhängig davon ist Madame Moneypennys Buch aber auch ein klares Plädoyer für Feminismus und sollte meines Erachtens nach auch von allen Männern gelesen werden, die noch immer glauben, dass Frauen die gleichen beruflichen und privaten Chancen haben wie sie.

Fazit:

Alltagsnahes, kurzweiliges, wachrüttelndes und motivierendes Buch über die (fehlende) finanzielle Unabhängigkeit von Frauen.

Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny: „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“, Rowohlt 2021, ISBN: 978-3-499-63374-4