Jede*r kennt das Gesicht von Frida Kahlo. Die mexikanische Künstlerin ist längst selbst ein Kunstwerk geworden. Dennoch habe ich mich nie näher mit ihr und ihrer Kunst auseinandergesetzt, da es mich grundsätzlich abschreckt, wenn Menschen derart zur Ikone stilisiert werden. Das änderte sich erst, nachdem mein Lieblingskünstler Benjamin Lacombe zusammen mit seinem Partner Sébastien Perez eine Hommage im Bilderbuchformat geschaffen hat. „FRIDA“ wurde für mich zum Appetizer auf das Gesamtwerk und das nicht einfache Leben der Malerin.

In neun Themen – angelehnt an die Symbolik der Zahl im Christentum und der aztekischen Mythologie – widmen sich Sébastien Perez und Benjamin Lacombe zentralen Ereignissen, Elementen und Empfindungen Frida Kahlos. Da sind Der Unfall, der die junge Frida für immer zeichnete, und Die Mutterschaft, nach der sich die Künstlerin stets sehnte – ein Traum, der durch Fehlgeburten mehrfach zerstört wurde. Aber da sind auch Die Tiere, die für Frida wichtige Gefährten darstellten. Und da ist Die Liebe zu Künstler Diego Rivera, die trotz eines wiederkehrenden On-Offs von leidenschaftlicher Hingabe und lebenslanger Verbundenheit geprägt war.

Illustrationen, die zu Teilen Frida Kahlos Werke abbilden, zu anderen Teilen eigene Auseinandersetzungen mit der Malerin und ihrem Leben sind, und Ausstanzungen, die über mehrere Ebenen verlaufen, bringen das Innerste nach Außen – im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne, auf physischer wie psychischer Ebene. Das verleiht den Bildern etwas Intimes, Tiefgehendes, ohne jedoch plakativ zu werden. „FRIDA“ zeigt uns eine Frau, die stark und sensibel zugleich war. Es fängt all den Schmerz, all das Leid der Malerin ein, aber auch ihre Leidenschaft, den immerwährenden Kampf zwischen Sehnsüchten und ernüchternder Realität. Dabei geht Lacombes Stil eine perfekte Symbiose mit den intensiven, farbenfrohen und symbolreichen Bildern Frida Kahlos ein, was jedoch wenig überrascht: Genau wie bei Kahlo treffen wir auch in Lacombes Gesamtwerk auf eine ungewöhnliche Kombination aus satten Farben, floralen Elemente, Düsterem und Makaberen.

Auf textlicher Ebene ergänzen Zitate Kahlos und fiktive Monologe aus der Feder Sébastien Perez‘ die eindrucksvollen Bilder. Dabei ist es Perez hervorragend gelungen, seinen Stil an die bildhafte, fast schon poetische Sprache der Malerin anzugleichen, sodass Eigenkreationen und Originalaussagen nahtlos ineinander übergehen und allein die Anführungszeichen der Zitate kenntlich machen, welcher Satz von wem stammt.

Eine zusätzliche, schöne Botschaft findet sich zudem in Perez‘ und Lacombes Nachwort:

„F R I D A – diese fünf Buchstaben stehen für eine ganze Welt, ein einzigartiges Universum, eine Kultur und einen Mythos, und es bedarf gar keines Nachnamens, keines Patronyms.“

Perez‘ und Lacombes „FRIDA“ ist aber vielmehr als eine Hommage und schon gar keine Biografie im herkömmlichen Sinne. Vielmehr ist es ein – überaus gelungener – Versuch, Frida Kahlos Innerstes, ihre Sehnsüchte und Schmerzen, ihre Kunst, die prägendsten Momente und Eckpfeiler ihres Lebens konzentriert auf Papier zu bündeln. Lacombes und Perez‘ Wertschätzung gegenüber der Malerin ist auf jeder einzelnen Seite spürbar: Im eigentlichen Inhalt des Bilderbuches findet sie Ausdruck in wenigen, aber wohl gewählten Worten und imposanten Bildern, die uns Lesende alles aus Sicht Frida Kahlos erleben lassen. Im Nachwort lässt uns das Duo noch einmal an den persönlichen Gedanken zur Künstlerin und zum Entstehen dieses Bilderbuchs teilhaben. Auch hier lässt sich aus jeder Zeile größte Bewunderung herauslesen und vor meinem geistigen Auge sah ich Benjamin Lacombe und Sébastien Perez mit vor Begeisterung strahlenden Gesichtern über Frida erzählen – eine Begeisterung, die auch einen Funken in mir entzündet hat. Allerdings: Der Genuss des in Seide gehüllten Buches währt nur kurz. Viel zu schnell hat man dieses prachtvolle Werk beendet und just in dem Moment, in dem ich vollends in Frida Kahlos Welt aufging, musste ich sie schon wieder verlassen. Das Bilderbuch hätte also gerne doppelt so umfangreich ausfallen können.

Fazit:

Eine vor Leidenschaft und Lebendigkeit sprühende – wenn auch viel zu kurze – Liebeserklärung an die wohl bekannteste Künstlerin der Welt.

Sébastien Perez & Benjamin Lacombe: „FRIDA“, aus dem Französischen übersetzt von Edmund Jacoby, Verlagshaus Jacoby & Stuart 2017, ISBN: 978-3-946593-47-8