Als ich im Februar 2010 Phántasienreisen ins Netz schickte, geschah das nicht spontan. Schon länger trug ich den Gedanken mit mir herum, über mein Lesen zu bloggen. Dass ich aber zehn Jahre später noch immer bloggen würde, hätte ich damals nicht vermutet. Ebenso wenig gerechnet hatte ich mit den vereinzelten Hürden (Blogsperren, Umzug auf die eigene Domain, Hacking …) oder mit all den Bereicherungen, die ich durch das Bloggen erfahren würde.

Über eine so lange Zeit zu bloggen, hat Phantásienreisen für mich zu einer Art Dokumentation meines Leselebens und meiner eigenen Weiterentwicklung gemacht. Aber es hat auch meinen Umgang mit Büchern verändert und wunderbare Menschen in mein Leben geführt, die ich ohne das Bloggen nie kennengelernt hätte.

Was und wie ich (nicht mehr) lese

Ich habe schon immer querbeet gelesen und Backlisttiteln gekauft. Trotzdem habe ich durch das Bloggen (und vor allem dank der bunten Blogwelt und der verschiedenen Diskussionen auf Twitter) einen viel breiteren Geschmack entwickelt, lese zugleich aber auch kritischer. Es fällt mir heute leichter, Bücher abzubrechen und ich stöbere leider immer gelangweilter durch die Neuerscheinungen: Ich lese Titel und Klappentexte, die mir das Gefühl geben, diese Story bereits in 15 anderen Versionen zu kennen. Mich nerven Stereotype, passive oder naive Protagonist*innen, Lösungen, die aus dem Nichts heraus auftauchen, leicht vorhersehbare Entwicklungen oder auch all die – oftmals überflüssigen – Liebesgeschichten.

Entsprechend strenger bin ich bei der Auswahl und beim Behalten von Büchern. In den ersten Blogjahren kaufte ich ständig neue Bücher (Rezensionsexemplare für Blogger*innen waren vor zehn Jahren eher die Ausnahme als die Regel). Noch heute – eine Dekade und zwei Umzüge quer durch Deutschland später – liegen hier ungelesene Titel aus diesen ersten Jahren. Doch der Platz für Bücher wird nicht mehr und auch die Zeit fürs Lesen und Bloggen wird knapper. Inzwischen sortiere ich daher regelmäßig aus und es ziehen nur wenige neue Bücher ein. Auf den Buchmessen gönne ich mir meist eine Handvoll Bücher, ansonsten kaufe und ertausche ich jedoch nur aller paar Monate ein Buch, das bereits seit Längerem auf meiner Merkliste steht oder für eine Leserunde mit anderen Blogger*innen benötigt wird. Spontankäufe sind zur Seltenheit geworden und kommen überwiegend bei Comics und Mangas vor. 

Manchmal vermisse ich es, einfach durch eine Buchhandlung zu gehen und überrascht zu werden, ein Buch zu finden, von dem ich noch nicht gehört habe. Denn auch wenn man wie ich keine Verlagsvorschauen liest, findet man in den Buchhandlungen nur selten Titel, die nicht schon vorher ihren Weg durch die Social Media-Kanäle gefunden haben. Immerhin: Was sich nicht vor Ort entdecken lässt, weil es nicht kommerziell genug ist, finde ich nun ebenfalls auf Blogs, auf Twitter und Instagram.

In den letzten zehn Jahren entdeckte ich außerdem Hörbücher und Hörspiele für mich, lese heute mehr auf Englisch und habe eine Liebe für Klassiker entwickelt: Das Traurige wie Schöne ist, dass sich die Lektüreauswahl meiner ehemaligen Lehrkräfte stark auf Goethe, Fontane und Schiller beschränkte. Klassiker abseits dessen lasen wir kaum. Das machte Schullektüre für mich sehr eintönig und fad, gleichzeitig kann ich mich nun Schlink, Tolstoi, Orwell und Co. unvoreingenommen nähern und ihre Werke umso mehr genießen – am liebsten mit anderen Leser*innen gleichzeitig.

Bloggen und Lesen als gemeinschaftliches Erlebnis

Lesen und Bloggen sind Tätigkeiten, die man natürlich zuallererst allein unternimmt – egal, ob auf der Couch, im Freibad oder im öffentlichen Verkehr (die Mitreisenden ausblendend). Dank unserer vernetzten Welt ist es dabei aber nicht geblieben. Im Laufe der Jahre habe ich durch das Bloggen viele interessante Menschen kennenlernen dürfen und einige davon offline getroffen. Vereinzelt waren darunter ernüchternde Erfahrungen, wenn man merkt, dass jemand offline ganz anders agiert oder andere Meinungen vertritt als online, oder wenn einfach die Chemie nicht stimmte. Die meisten Begegnungen waren jedoch schöne Erlebnisse, die mich euch da draußen noch mehr ins Herz schließen ließen. Manchmal blieb nur wenig Zeit füreinander, bspw. als ich wegen des Schneechaos drei Stunden später auf der Leipziger Buchmesse ankam und dadurch nur ein kurzes Treffen mit der großartigen Sabine von Binge Reading & More möglich war. In anderen Fällen ergaben sich Begegnungen auch abseits der Events der Buchbranche. So habe ich in Steffi alias Miss Booleana nicht nur eine Bloggerin gefunden, mit der ich viel gemeinsam habe, sondern die ich heute sogar zu meinen engsten Freundinnen zähle – etwas, das ich vor zehn Jahren nie für möglich gehalten hätte. Und in Sandra habe ich jemanden gefunden, mit der mich die Liebe zu illustrierten Büchern verbindet und die mir ein Bücherschiff mit einigen Schätzen meines Leselebens schenkte und meinem Blog damit ein individuelles Gesicht gab.

Doch auch wenn wir einander nicht treffen konnten/ können, findet immer eine Form des Austauschs statt. Dank Ute von Buchstapelweise habe ich mich bei Twitter angemeldet, wo die Gespräche über Buchthemen hinausgehen und mich immer wieder auf etwas aufmerksam machen oder mich für ein noch kritischeres Lesen sensibilisieren. Bewährt hat sich Twitter für mich auch im Rahmen von Leserunden. Inzwischen lese ich mehrmals im Jahr zusammen mit anderen Blogger*innen ausgewählte Bücher. Oftmals sind es Klassiker, hin und wieder aber auch neuere Titel von Lieblingsautor*innen wie Ted Chiang. Mit wem ich lese, variiert. Eingespielte Leseteams sind jedoch mein #TeamTolstoi bzw. #TeamDickens mit den beiden Utes und die Lesebuddies Miss Booleana und Jana von Wissenstagebuch.

Abseits dessen finde ich in der Blogwelt immer wieder Inspiration für neue Autor*innen (danke an dieser Stelle an Marc von Lesen macht glücklich für die Empfehlung von Jan Drees – „Sandbergs Liebe“ ist schon jetzt eines meiner Jahreshighlights!), entdeckte alte (Comic-)Lieben neu und lasse mich gerne von Jules Begeisterung fürs Meditieren und Klettern anstecken. War das Bloggen vor zehn Jahren ein kleines Hobby, ist es heute ein wichtiger Teil meines Lebens, der zwar aktuell viel zu kurz kommt, den ich aber nicht missen möchte.

Was ich mir wünsche

Bei all der tollen Vernetzung und den diversen Social Media-Kanälen geraten mir die Blogs derzeit jedoch zu oft in den Hintergrund. Inhaltlicher Austausch findet vor allem auf Twitter statt. Dort sind die Unterhaltungen sichtbarer und leichter zu verfolgen, was ich sehr schätze. Aber Twitter, Instagram und Co. sind auch extrem schnelllebig. Ein Like, Retweet oder Kommentar freut mich und sorgt für mehr Öffentlichkeit, ist allerdings sehr flüchtig. Ein Kommentar auf einem Blog hingegen geht nicht in einer Flut von tausend anderen unter und zeigt, dass sich der*die Kommentierende wirklich Zeit genommen hat und nicht einfach auf den Like- oder Retweet-Button klickte, ohne den eigentlichen Blogartikel gelesen zu haben. Ich wünsche mir daher, dass wir wieder mehr auf all den tollen Blogs kommentieren, die wir schätzen und hinter denen mehr Arbeit steckt, als es von außen erkennbar ist. Und ja, dabei schließe ich mich selbst mit ein, denn auch ich nehme mir im Alltag zu selten die Zeit, ein paar Zeilen bei all den großartigen, kreativen, inspirierenden, kritischen Blogger*innen zu hinterlassen.

In diesem Sinne sage ich danke an euch alle da draußen – ohne eure Inspirationen und unseren Austausch hätte ich keine zehn Jahre lang gebloggt. Ich bin gespannt, wo unsere Reisen noch hingehen.