Im Frühjahr 2016 startete Jean-Baptiste Monge eine Kickstarter-Kampagne für sein neues Buchprojekt „Celtic Faeries – The Secret Kingdom“. Feen, Elfen, Kobolde und mehr, liebevoll illustriert und herausgegeben als Schmuckausgabe mit vielen bibliophilen Details – schnell wusste ich, dass ich dieses Projekt unterstützen möchte.

Rund drei Jahre später liegt das Buch mitsamt Zubehör vor mir. Dass es so lange dauerte, hatte verschiedene Gründe. Am fatalsten war der erste Fehldruck aller Bücher. Es folgten die Suche nach einer neuen Druckerei, Transport etc. – alles über mehrere Kontinente hinweg, gestemmt allein vom Illustrator selbst und seiner Frau und Verlegerin Margo. Am Ende übertrafen die Kosten deutlich das durch die Kampagne erhaltene Geld, sodass Jean-Baptiste Monge und Margo noch viel Eigenkapital hineinstecken musste. Man könnte meinen, ein paar listige Goblins oder beleidigte Brownies hätten ihre Finger im Spiel gehabt.

Doch all die Arbeit und Zeit war es am Ende wert, denn „Celtic Faeries – The Secret Kingdom“ ist ein wirklich edles Stück geworden: ein großformatiges Hardcover mit Schutzumschlag, Goldschnitt, Lesebändchen, Farbseiten, tollem Vorsatzpapier mit Exlibris, goldfarbenen Prägungen und zum Teil auch in Gold gehaltenen Texten. Abgerundet wird Jean-Baptiste Monges Werk durch Zeilen von Guillermo del Toro, Iain McCaig, Pierre Dubois und Paul Tobin. Für Backer*innen wie mich gab es zusätzlich zum Buch noch ein paar weitere Goodies on top: Desktop-Bilder, eine PDF-Version des Buches, Ausmalbilder, ein Sketchbook, Kunstdrucke dreier Motive aus dem Buch, zwei Lesezeichen, eine Grußkarte und eine kleine Glocke, um in der Gunst der Feen zu stehen.

Inhaltlich präsentiert das Buch keine durchgehende Geschichte. Vielmehr ist „Celtic Faeries – The Secret Kingdom” eine Art Herbarium. Es enthält Anekdoten und Beschreibungen gängiger Feenwesen, ihrer Lebensorte und Eigenheiten. Dabei treffen wir auf bekannte, in der (Pop-)Kultur immer wieder auftretende Wesen wie Puck, Mab, Meerjungfrauen, Leprechauns und Bogeymen. Aber auch weniger bekannte Wesen werden uns vorgestellt. Wir lernen zum Beispiel Abbey Lubbers und Trows kennen. Manche dieser Feenwesen sind gut, andere abgrundtief böse, wieder andere sind grundsätzlich zwar harmlos, aber zutiefst eitel und rachsüchtig. So oder so ist es besser, Feen, Kobolden, Trollen, Geistern, Elfen und Co. mit Respekt und Vorsicht zu begegnen und ein paar grundlegende Dinge zu beachten. Wem sein Leben lieb ist, sollte beispielsweise nicht die Dummheit begehen, nachts durch Moore, Nebel und Sümpfe zu laufen. Auch sollte nicht alles darangesetzt werden, die Feenwesen und ihre Welt zu studieren. Wem sich ihre Welt offenbart, entscheiden allein sie selbst.

Jean-Baptiste Monge haben sie in ihr Reich gelassen und in ihre Geheimnisse eingeweiht. Einen Teil davon offenbart uns der Künstler in seinem Buch. Wir lernen, dass Feenwesen von Grillen beschützt werden und Ale über alles lieben. Wir erfahren, was es bedeutet, wenn ein Knocker unter einem Haus klopft, warum Leprechauns immer nur einen Schuh reparieren und warum Dudelsackmusik in unterirdischen Gängen und Räumen den sicheren Tod bedeuten.

Ja, die Welt der Feenwesen ist alles andere als unschuldig und fröhlich. Wer meint, mit „Celtic Faeries – The Secret Kingdom“ ein besonderes Geschenk für ein Kind gefunden zu haben, irrt gewaltig. Denn so magisch-mystisch und wunderschön manche Wesen auch sind, so hässlich und brutal sind andere. Wer beispielsweise die furchterregenden Abbildungen der Wechselbälger gesehen hat, möchte diesen Wesen nicht mal am helllichten Tag begegnen. Und der stechende, abgrundtiefe Blick aus den schlohweißen Augen der Luideag sorgt schnell für Unbehagen.

In mal düsteren, mal heiteren, mal geheimnisvollen Bildern entdecken wir all diese grauenerregenden und faszinierend-schönen Wesen. Jean-Baptiste Monge ist es gelungen, die Feenwesen und ihre Welt voller feiner Details auf Papier einzufangen – manchmal in strahlenden, bunten Farben, in den meisten Fällen jedoch in erdigen Farbtönen oder als schwarz-weiße Zeichnung. Jedes Gesicht erzählt dabei eine eigene Geschichte. An jedem Blick, jedem verschmitzten Lächeln ahnen wir, woran die Feenwesen denken. Ja, jedes Wesen ist sogar so detailgetreu und authentisch abgebildet, dass ich zuweilen meinte, ihre Stimmen und das Klingen ihrer Glöckchen zu hören oder die Elfen um den alten Eichenbaum umherschwirren zu sehen.

Zugegeben: Es fällt mir noch immer schwer, alle Feenwesen voneinander zu unterscheiden, nicht zuletzt, weil es in den einzelnen Regionen in Irland und Großbritannien zum Teil unterschiedliche Namen für ähnliche Wesen gibt. Außerdem stellt sich die Frage, wie viel Wahres in den Zeichnungen und Texten Jean-Baptiste Monges steckt, denn wie wir nach der Lektüre des Buches wissen: Wer alle Geheimnisse der Feen verrät, wird von ihnen geächtet. Über Feen zu sprechen und zu schreiben, sie zu zeichnen, ist erlaubt – solange nicht alles preisgegeben wird. Wem das eigene Leben lieb ist, streut vereinzelte Lügen, übertreibt an so mancher Stelle oder enthält seinem Publikum wichtige Informationen vor.

Jean-Baptiste Monge: „Celtic Faeries – The Secret Kingdom” (Deluxe Edition), Goblin’s WAY Publishing 2016 / 2018, ISBN: 978-2-9815289-1-9