Nachdem mich die Leipziger Buchmesse (LBM) – trotz toller Manga-Comic-Con (MCC) – in den Vorjahren nicht mehr so begeistern konnte wie früher, kam ich 2018 zu dem Ergebnis, sie wohl nur noch gelegentlich zu besuchen. 2019 keine LBM und MCC für mich, so der ursprüngliche Plan. Aber dann erfuhr eine liebe Fünftklässlerin im letzten Sommer von meinen jährlichen Messebesuchen und erzählte, dass sie schon immer mal zur Buchmesse wollte, insbesondere zur MCC. Prompt war mein Vorhaben seltener Messebesuche hinfällig. Wie könnte ich zu dem Wunsch eines gemeinsamen LBM-Besuches Nein sagen? Und da man Versprechen gegenüber Kindern hält, fand ich mich am 23. und 24. März also doch in den Leipziger Messehallen wieder.

Tatsächlich verspürte ich in diesem Jahr auch eine fremd gewordene Vorfreude: Ich war aufgeregt, weil ich die LBM und MCC quasi zum ersten Mal als eine Art Guide besuchen würde und sich in kurzer Zeit viele Treffen mit lieb gewonnenen Bloggerkolleginnen / Freundinnen ankündigten. Das Wetter versprach ebenfalls mitzuspielen und kein Schneechaos zu bringen, was hieß: Keine 3 Stunden für 3 Kilometer auf der Autobahn feststecken und weniger überfüllte Hallen, weil sich die Menschen für ihre kleinen Pausen ins Freie begeben konnten!

Auch das Programm sagte mir in diesem Jahr deutlich mehr zu. Zwar gab es am Samstag und Sonntag keine Veranstaltung, die ich als „Must See“ empfand. Doch erschien mir das Programm deutlich abwechslungsreicher als in den letzten zwei oder drei Jahren. Folglich gab es etliche Programmpunkte, die mein Interesse weckten: Gespräche über Humboldt, Vorträge über den Entstehungs- und Veröffentlichungsprozess von Mangas, Ausstellungen, Schnitzeljagden und vieles mehr. Die Area für das japanische Brettspiel Go! war ebenfalls wieder präsent und lud zum Ausprobieren ein. Dass ich von all diesen Punkten am Ende nur einen Teil wahrnahm, ist natürlich Messe-typisch.

Das eigentliche Highlight des diesjährigen Lesefestivals „Leipzig liest“ sollte jedoch der „Herr der Ringe“-Abend (HdR-Abend) werden, der anlässlich des 50. Jubiläums der deutschen Ausgabe am Freitag, 22. März 2019, in der wunderschönen Kongresshalle am Zoo stattfand. Doch dazu verrate ich euch später in einem gesonderten Beitrag mehr. Kurzum: Die LBM und MCC 2019 standen unter einem guten Stern und so brach ich am 22. März erstmals nach Leipzig auf. Gleich während meines ersten Events, besagten HdR-Abends, traf ich tolle Bloggerinnen, die meine Timeline schon lange bereichern, zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht: die Frauen vom Comicklatsch (Ariane, Christin, Sandra), Christina von Books’n’Stories, Eva von Phantastisch lesen und Jana von Wissenstagebuch. Diese Begegnungen haben den HdR-Abend noch einmal zusätzlich abgerundet – und die Kongresshalle bot ein tolles Ambiente für ein erstes Treffen.

Der Messe-Samstag

Auf ein Wiedersehen sollte ich nicht lange warten, denn mein Messe-Samstag startete mit einem gemütlichen Plausch mit Jana und Steffi alias Miss Booleana. Die Treffen mit Steffi auf der Messe sind inzwischen obligatorisch. Zusammen mit Jana kamen wir nun auch als Team unserer #Dostopie-Leserunde zusammen – lediglich Mitleser voidpointer fehlte. Am Ende verbrachten wir anderthalb Stunden in der Bloggerlounge bei Kaffee und Matcha-KitKat (danke Steffi!), plauderten über „Verbrechen und Strafe“, das Lesen und Bloggen an sich, die bisherigen Messe-Erlebnisse, aber auch über nicht buchzentrierte Themen. Die gemeinsame Zeit verging leider zu rasant und gerade, als ich aufbrach, führte es zufällig Ariane und Sandra in die Bloggerlounge. Ein wenig habe ich mich geärgert, nicht bleiben zu können – andererseits wartete jedoch eine weitere liebe Person auf mich: Wie Steffi ist auch Sindy von booksandmore81 eine Person, die für mich zu einem guten LBM-Besuch gehört. Also ging es so schnell wie möglich in Halle 2.

Da mittlerweile der Mittag erreicht war, machten Sindy und ich es uns auf der Tribüne bequem, snackten und schnackten – während unsere Blicke über die gesamte Halle 2 streifen konnten. Von diesem Platz aus hatten wir gleichzeitig beste Sicht auf die Ausstellung der Arbeit des japanischen Regisseurs Mamoru Hosoda, dessen Anime „Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ im Mai in den deutschen Kinos startet. Ansonsten war die Ausstellung aber leider wenig günstig platziert, da sie in einem Bereich der Halle lag, wo weniger Durchgangsverkehr herrschte – und direkt vor der Ausstellung verliefen Warteschlangen für Signierstunden, die häufig den Blick auf die Bilder versperrten.

Apropos „Mirai“: Eine Kostprobe der Geschichte erhielten Sindy und ich ebenfalls, denn Synchronsprecherin Peggy Pollow, die im Film den Jungen Kun spricht, las aus dem zugehörigen Roman. Leider waren die Kinderstimmen für meinen Geschmack zu übertrieben quengelig bzw. quietschig gesprochen. In einem Film mag das passend sein. Bei einem reinen Zuhören, bei dem ich mich als Publikum auf nichts anderes konzentrieren muss, war es mir jedoch zu viel.

Nachdem Sindy und ich uns trennten, verbrachte ich eine weitere Stunde in Halle 2, genauer gesagt beim Forum Politik und Medienbildung. Dort besuchte ich einen Vortrag zur frühkindlichen Medienbildung, der mich aufgrund meines Jobs interessierte, letztlich aber nichts Neues für mich bereithielt. Zuvor konnte ich noch einen Vortrag über Gewalt in Superheldencomics wahrnehmen. An sich ein sehr spannendes Thema und auch, dass es aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet wurde, fand ich grundsätzlich gut. Insgesamt hätte ich bei mir diesem Thema jedoch lieber ein multiperspektivisches Fachgespräch gewünscht.

Inzwischen war es 15.30 Uhr und von meiner ursprünglichen Programmplanung hatte ich dank der schönen Bloggerinnengespräche nur wenig wahrgenommen. Abgesehen von der Hosoda-Ausstellung, der Lesung aus „Mirai“ und den beiden Vorträgen, hatte ich alles verpasst bzw. zugunsten des persönlichen Austauschs gestrichen. Die Signierstunde des kanadischen Instagram-Poeten Atticus verfolgte ich nur kurz aus der Distanz, die Bücher von bzw. über Alexander von Humboldt konnte ich nicht in Lesungen oder Gesprächen kennenlernen und von der Messe hatte ich bisher nichts als Halle 2 gesehen. Daher erkundete ich nun die anderen Hallen im Schnelldurchlauf, deckte mich mit neuem Lesestoff ein und blieb in der Glashalle am Auftritt des Gastlands Tschechien hängen, wo die imposante Trabi-Golem-Skulptur „Quo Vadis“ des Künstlers David Černý ausgestellt wurde.

Plötzlich ging es auf 17 Uhr zu. Das hieß für mich: ein letztes Treffen mit Steffi und ihrer Freundin Jasmin, die auf DASkleingedruckte bloggt, sowie der Besuch der Lesung von Jan Drees. Leider mussten Steffi und Jasmin zugbedingt kurz nach 5 aufbrechen. Liebe Jasmin und Steffi, ich hoffe, beim nächsten Mal haben wir drei mehr gemeinsame Zeit!

Am Stand des MDR stellte Jan Drees seinen Roman „Sandbergs Liebe“ vor, in dem es um das sogenannte Gaslighting geht. Nachdem Marc von Lesen macht glücklich damals so begeistert über das Buch schrieb, war ich angefixt und wollte die Buchmesse für mehr Eindrücke nutzen. Eindringlich, unterhaltsam und informativ sprach Jan Drees über das Thema Gaslighting, sein Buch und die vermeintlich zu hohen Erwartungen, die Frauen im 18. Jahrhundert an Männer hatten, weil die (männlichen!) Autoren damals ein wohl unerreichbares Männerbild in ihren Romanen schufen. Als er aus „Sandbergs Liebe“ las, merkte ich zwar schnell, dass der Schreibstil deutlich reduzierter und nüchterner ist als das, was ich sonst lese, doch dank Marcs Rezension und Jan Drees‘ Aussagen kam ich nicht umhin, mir dieses Buch zu gönnen. Allerdings wunderte es mich, dass ich nach dieser gewinnenden Veranstaltung die einzige Person war, die das Buch kaufte und signieren ließ. Vermutlich saßen im Publikum einfach viele, die einfach nur sitzen wollten und nicht wegen der Veranstaltungen an sich kamen – auch das erlebt man auf der Buchmesse oft genug.

Zum Abschluss des Samstages schaute ich noch kurz bei einer musikalischen Neuinterpretation von Theodor Fontanes Texten vorbei. Hier merkte ich jedoch schnell, dass diese nicht meinen Geschmack trafen, was mir den Zugang erschwerte. Da meine Energie nach fast acht Stunden auf den Beinen langsam zur Neige ging, hatte ich aber auch nichts gegen eine etwas frühere Heimfahrt – schließlich wartete noch ein zweiter Messetag auf mich.

Der Messe-Sonntag

Der zweite und letzte Tag auf dem Messegelände war schön und anstrengend zugleich. Da ich mit der Familie vor Ort war, die trotz der geringen räumlichen Distanz zum ersten Mal die LBM besuchte, hatte ich mir den Sonntag fast gänzlich frei von Terminen gehalten. Dadurch entstand kein zeitlicher Druck und theoretisch bot sich die Gelegenheit, entspannt durch die Hallen zu streifen. In der Realität sah es so aus, dass bei vielen Leuten natürlich unterschiedliche Interessen und Konditionen aufeinander treffen. Die Fünftklässlerin wollte am liebsten nur auf der MCC in Halle 1 bleiben, sich an den Mangas, Süßigkeiten, Kostümen, Winkekatzen und Plüschtieren erfreuen. Die Erwachsenen wollten bei den Reiseführern und Romanen stöbern. Und ich – ich wollte am liebsten alle Hallen ablaufen und in keiner Halle zu lang verweilen.

So trennten wir uns zwischenzeitlich in zwei Gruppen auf, damit jeder etwas anderes wahrnehmen konnte. Die Erwachsenen besuchten Lesungen und streiften durch Halle 3, während ich mit der Fünftklässlerin beim Cosplay-Wettbewerb vorbeischaute, Mangas kaufte und immer wieder mit mir rang, ob ich mir Ghibli-Bentoboxen, Mochi, Pokémon-Drinks oder eine Bonbondose im Stil des traurig-schönen „Die letzten Glühwürmchen“ holen sollte. Am Ende entschied mein Geldbeutel jedoch immer dagegen. Mein persönliches Highlight unter den Messe-Entdeckungen waren allerdings die Mini-Gärtchen mit Totoro-Figuren.

Ansonsten bestand der Sonntag aus vielen in Halle 1 zurückgelegten Kilometern, die für mich am Nachmittag doch anstrengend wurden, da die MCC im Gegensatz zu den anderen Hallen an diesem Tag brechend voll war und die Luft entsprechend schnell stickig wurde.

Zwischendurch gab es dann ein familiäres Wiedersehen mit Kaffeepause am Stand der Stadt Halle. Dort testeten wir mittels VR-Brille die 360°-Videos der Uni und ich schaute mir die gegenüberliegende Ausstellung des Mangaka Sui Ishida („Tokyo Ghoul“) an. Die Ishida-Ausstellung war deutlich besser platziert als die Ausstellung von Hosodas Kunst, da sie sich mitten in der gut besuchten Halle 5 befand. Durch die Lage gegenüber vom Stand der Stadt Halle, wo viele wegen des Kaffees Halt machen, wurde zudem ein Laufpublikum erreicht, das anderweitig kaum mit Manga oder Anime in Berührung kommt. Immer wieder blieben Menschen spontan stehen, um die Bilder zu betrachten.

Da sich aber bei der Hälfte von uns Erschöpfung breit machte, blieb mir auch an diesem Sonntag keine Gelegenheit, die anderen Hallen in Ruhe zu erkunden. Gegen 16 Uhr cancelte ich schließlich auch den eingeplanten Vortrag über Japanreisen und verabschiedete mich von der LBM19 und MCC19.

Wie war´s nun insgesamt auf der Messe?

Dank lieber Menschen hatte ich viele schöne, sogar entschleunigende Momente auf der Leipziger Buchmesse und der Lesestoff für die nächsten Monate ist gesichert. Sehr dankbar war ich für das Publikum: Abgesehen davon, dass ich unter den Cosplayern Eponine, Marius und Enjolras aus „Les Misérables“ entdeckte, trug das schöne Wetter zur Entzerrung bei. Die Menschen verteilten sich auch auf die Außenbereiche, sodass ich selbst am Messe-Samstag recht entspannt durch die Hallen kam und kaum Einbahnstraßen bei den Durchgängen entdeckte. Das nahm Druck und Stress raus und ich merkte, dass ich am Samstagabend nicht so erschöpft war wie nach früheren Messe-Samstagen.

Über die Security kann ich nach weniger schönen Erfahrungen in vergangenen Jahren dieses Mal ebenfalls nur Positives berichten. Die Mitarbeiter waren durchweg freundlich, entspannt und haben wirklich gründlich durchsucht.

Ein wenig wehmütig bin ich heute, eine Woche nach der Messe, allerdings noch immer darüber, dass ich kaum etwas anderes als Halle 1 und 2 sah. Was ich wohl in den anderen Hallen verpasste?