Kurzgeschichtensammlungen sind immer eine gute Gelegenheit, um mit den Themen und dem Stil eines Autors oder einer Autorin vertraut zu werden. Da ich in diesem Jahr mehr Science Fiction lesen und auch endlich etwas von Ray Bradbury kennenlernen wollte, schien „S is for Space“ ideal. 16 der – in seinen eigenen Augen – besten Kurzgeschichten bündelte Bradbury in der Sammlung, die erstmals 1966 erschien. Nicht alle dieser Geschichten sind tatsächlich Science Fiction und es finden sich durchaus auch humorvoll oder nostalgisch angelegte Texte darunter sowie Mystery.

Bradburys Sammlung kommt mit dem Untertitel „Meisterhafte Stories“ daher. Das weckt große Erwartungen – die in meinem Fall leider nicht erfüllt wurden. Wie in den meisten Kurzgeschichtensammlungen stehen auch in „S is for Space“ brillante Geschichten neben sehr schwachen Erzählungen. Insgesamt überwiegt jedoch die Mittelmäßigkeit, was weniger an Bradburys Ideen, als vielmehr an deren Umsetzungen liegt.

Typische Fälle hierfür sind die Geschichten „Der unsichtbare Junge“, „Die Flugmaschine“ oder auch „Der Kokon“. Die beiden ersteren sind an sich ganz nett und bergen viel Potenzial, das Bradbury aber nicht ausgeschöpft hat, da keine der Geschichten einen wirklichen Höhepunkt erreicht und auch in keiner Weise überraschen kann. Bei „Der Kokon“ hat Bradbury sich hingegen zu sehr im Schreiben verloren und die Handlung auf ein Maß ausgedehnt, das meine Spannung und Neugier schließlich gen Null sinken ließ. Immer wieder stellte ich mir daher beim Hören die Frage, wann endlich das Ende der Geschichte erreicht ist.

Andere Texte gefielen mir wiederum für sich allein stehend betrachtet gut, verloren aber innerhalb der Kollektion an Strahlkraft. „Stunde null“ über die gefährliche Freundschaft zwischen Kindern und Außerirdischen, das religiös gefärbte Weltraumabenteuer „Der Mann“ sowie „Auf den Schwingen der Zeit“ über einen folgenreichen Schulausflug in eine vergangene Epoche sind solide und pointiert erzählt und verfolgen interessante Ansätze. Alle drei Stories stehen allerdings direkt am Anfang der Sammlung. Das sorgt für einen starken Einstieg, der zum Weiterlesen bzw. -hören anregt. Im Verlauf des Hörbuches habe ich diese Geschichten aber tatsächlich aus dem Fokus verloren und musste sie mir im Vorfeld dieser Besprechung erst wieder in Erinnerung rufen. Nachhaltig beeindrucken konnte diese Geschichten demnach nicht.

Bradburys größte Schwachstellen liegen jedoch in den überwiegend blassen, austauschbaren Figuren und dem wiederholten Aufgreifen bestimmter Themen bzw. Ideen. So finden sich unter den 16 Geschichten gleich zwei, in denen eine Familie eine neue Heimat auf dem Mars finden muss, nachdem die Erde unbewohnbar wurde. Doppelt aufgegriffen wurde auch die Idee einer schleichenden Infiltrierung und damit Veränderung der Menschen durch außerirdische Substanzen. Tatsächlich vereint die Geschichte „Dunkel waren sie und goldäugig“ sogar beide Ideen und bekommt dadurch einen faden Beigeschmack, der nachträglich auch einen Schatten auf die vorangehenden, eigentlich nicht üblen Geschichten mit ähnlichen Konzepten wirft.

Ein Plus von Bradburys Texten liegt indes in dem häufigen Fokus auf kindliche bzw. jugendliche Protagonisten. Dabei zeigt Bradbury immer wieder, dass Kinder und Jugendliche zu selten ernst genommen werden und man sie besser nie unterschätzt.

Auf rein erzählerischer und stilistischer Ebene überzeugen grundsätzlich jene Geschichten am meisten, in denen Bradbury sich auf das Wesentliche und eine Handvoll Figuren konzentrierte; Geschichten, die weniger durch Technologien oder fremde Spezies geprägt sind, als vielmehr durch das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Gleichzeitig sind dies auch die kürzesten Stories der Sammlung.

Grandios gelungen und nachhaltig beeindruckend sind jedoch nur zwei Geschichten: „Der Spaziergänger“ und „Hallo und Lebwohl“. Ersteres schildert eine Welt, in der sämtliche Lebensgestaltung über Technologie stattfindet und selbst so banale Tätigkeiten wie ein Spaziergang als kriminell erachtet und bestraft werden. Bradbury hat „Der Spaziergänger“ sehr einfach und puristisch angelegt, was der Geschichte aber nur zum Vorteil gereicht. Die Erzählung beginnt harmlos und endet in einem Szenario, das nicht mit Pauken und Trompeten daherkommt, aber gerade deshalb umso glaubhafter und schockierender wirkt. Sie zeigt mit einfachen Mitteln, wie scheinbar vorteilhafte Entwicklungen ins Extreme kippen können und die Menschen um ihre Freiheit und Individualität berauben werden. Ein wenig ließ mich „Der Spaziergänger“ an Orwells „1984“ denken. Ein Mahnmal, Dinge und Tätigkeiten nicht als selbstverständlich hinzunehmen und auch das Unscheinbare wertzuschätzen.

„Hallo und Lebwohl“ ist hingegen eine der wenigen nicht technologisch oder dystopisch gefärbten Stories. In ihr begegnen wir Willie, der mit seinen Anfang 40 aussieht wie ein Zwölfjähriger. Auf berührende und zugleich unaufgeregte Art breitet Bradbury dieses Gedankenexperiment vor uns aus und lässt uns an Willies Leben voller Abschiede und Neubeginne teilhaben.

In der Hörbuchversion leiht Maximilian Laprell Ray Bradburys Figuren seine Stimme. Dabei fängt er gekonnt die jeweilige Atmosphäre jeder Geschichte ein, ohne dabei theatralisch zu werden. Im Fall der guten Stories wie „Hallo und Lebwohl“ oder „Der Spaziergänger“ passt Laprells Darbietung perfekt. Bei den längeren und schwächeren Texten habe ich mir indes ein etwas lebendigeres Vorlesen gewünscht, da die Verbindung aus zäher Story und ruhiger Vortragsweise immer wieder zulasten meiner Aufmerksamkeit ging.

Fazit:

Meisterhaft, wie der Titel ankündigt, sind Ray Bradburys Kurzgeschichten in „S is for Space“ nicht. Bradbury verfolgt ausnahmslos interessante Ideen, kann diese aber nicht immer spannend oder anderweitig nachhaltig beeindruckend erzählen. Zu oft verliert er sich in Ausschweifungen, wiederholt sich und vernachlässigt die Charakterisierung seiner Figuren. Bradburys Stärken liegen derweil in seinen kürzesten Geschichten, die schlicht daherkommen und sich auf das Zwischenmenschliche konzentrieren.

Ray Bradbury: „S is for Space: Meisterhafte Stories“ (Hörbuch, gelesen von Maximilian Laprell), aus dem amerikanischen Englischen übersetzt von Oliver Plaschka, Audible Studios 2017, ASIN: B07336YXY9