Seit über zehn Jahren gehört Yoga zu meinem Alltag. Achtsamkeit und Dankbarkeit habe ich schon seit meiner Kindheit vollkommen selbstverständlich gelebt – natürlich, ohne das früher mit diesen Begriffen benennen zu können. Dennoch stehe ich den in den letzten Jahren erschienenen Büchern und Podcasts zu diesen Themen immer wieder skeptisch gegenüber. Die meisten Titel driften mir zu sehr ins Spirituelle ab oder wirken, als wolle nur jemand auf der aktuellen Trendwelle mitreiten. Praktiken wie Yoga und Meditation wurden und werden dabei immer wieder auf einen Aspekt reduziert (z. B. Abnehmen, Schmerzlinderung, Burn-Out-Prävention) oder als Heilsbringer verkauft, der schnell zu einem besseren Leben führen soll.
Überraschung: Yoga und Meditation sind alles und nichts davon! Weder Yoga noch Pilates, Meditation oder irgendein anderes Konzept wird all deine Probleme lösen, schon gar nicht über Nacht. Aber insbesondere Yoga ist ein ganzheitliches Konzept, in dessen Mittelpunkt Flexibilität und Kraft ebenso stehen wie die innere und äußere Balance, Bewusstheit im Alltag und ein respektvoller Umgang mit der (Um-)Welt. Werden Yoga und Meditation in ihrer Ganzheitlichkeit regelmäßig praktiziert, prägen sie tatsächlich nachhaltig und bewirken viele positive Veränderungen. Oder anders ausgedrückt: Du veränderst dich und deine Sicht auf die Dinge – und damit auch das Wechselspiel zwischen dir und deiner Umwelt.
All das bringt auch Michael Kurth in seinem (Hör-)Buch „Stell dir vor, du wachst auf. Die OOOO+X-Methode für mehr Präsenz und Klarheit im Leben“ wunderbar auf den Punkt. Die meisten von euch kennen Michael Kurth vermutlich nur als Rapper Curse. Aber er ist auch ausgebildeter Systemischer Coach, Buddhist und betreibt den Podcast „Meditation, Coaching & Life“. Seine Erfahrungen, die er in diesen Funktionen, aber auch auf seinem ganz persönlichen Weg zu einem bewussteren Leben machte, hat er in einem eigenen Ansatz, der sogenannten „OOOO+X-Methode“, zusammenfließen lassen. OOOO+X steht dabei für:
- Offener Raum (Momente, die frei von Ablenkung sind und den Gedanken Raum geben),
- Obrigado (Dankbarkeit),
- Om (Meditation),
- Ocha (japanisch für „Tee“; Bewusstheit in alltäglichen Dingen),
- Excercise (Bewegung und Sport).
Dabei geht es nicht darum, irgendwelche Übungen oder Praktiken zusätzlich in den Alltag zu quetschen, sondern vielmehr um das Aufbrechen bisheriger Verhaltensmuster. Statt einer großen, radikalen Veränderung sollen sukzessive neue Routinen ausgebildet werden, z. B. indem seltener aufs Smartphone geguckt wird oder banale, alltägliche Tätigkeiten bewusst ausgeführt werden, anstatt in Multitasking auszuarten, bei dem die Gedanken schon drei Schritte weiter sind. Der große Vorteil dabei: Jede*r bestimmst für sich selbst, wie diese Bestandteile im eigenen Leben umgesetzt werden sollen. So können individuelle Prioritäten gesetzt werden. Je nach persönlicher Vorerfahrung und den eigenen Rahmenbedingungen fällt die konkrete Umsetzung aber nicht nur unterschiedlich stark aus, sondern wird sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln, da OOOO+X in erster Linie ein Prozess ist. Die alltagsorientierte Methode ist nicht nur sehr einfach umzusetzen, sondern auch motivierend.
Ergänzt wird das Hörbuch um viele Beispiele, in denen sich die meisten von uns wohl wiederfinden dürften, sowie um kurze Übungen, die die Theorie von OOOO+X in die Praxis übertragen. Aber auch Verweise auf wissenschaftliche Hintergründe und bewährte Konzepte kommen nicht zu kurz und untermauern die einzelnen Techniken.
Sehr gemocht habe ich auch Michael Kurths eigene Erfahrungen, die er in „Stell dir vor, du wachst auf“ mit uns teilt. Er berichtet, wie er zu Meditation und Achtsamkeitstraining kam, von seinem persönlichen Weg, mehr Klarheit, Ruhe und Bewusstheit in sein Leben zu bringen. Dabei erzählt er nicht nur von den positiven Effekten, die bestimmte Reisen, Retreats und Workshops auf ihn hatten, sondern auch von den weniger inspirierenden Erlebnissen. Sympathisch ist dabei, dass er ganz offen zu Vorurteilen steht, die er anfangs gegenüber bestimmten Praktiken und Konzepten hegte. Auch welche Methoden oder Übungen ihm Schwierigkeiten bereiten, verrät er und bestätigt damit noch einmal, dass der Weg für jede*n anders aussieht.
Zugegeben: Für mich war das meiste, wovon Michael Kurth schreibt bzw. spricht, nichts Neues und vieles Geschilderte ist längst fest in meinem Leben integriert. Dennoch war es interessant zu sehen, wie stark die verschiedenen Aspekte, die häufig getrennt voneinander betrachtet werden, ineinander greifen, und alles benannt zu bekommen, was ich zwar jahrelang empfunden und erlebt habe, aber nicht so klar definieren konnte. Darüber hinaus habe ich durchaus vereinzelte Anregungen bekommen, an welchen Stellen ich noch etwas bewusster handeln könnte, und bin neugierig auf Kum Nye (tibetisches Yoga) geworden. Den nachhaltigsten Effekt hatte Curse‘ Hörbuch für mich jedoch im Bereich der Meditation. Seit längerem wollte ich auch außerhalb meiner Yoga-Stunden meditieren, fand aber nie den richtigen Einstieg. „Stell dir vor, du wachst auf“ kam zum richtigen Zeitpunkt und lieferte mir neue Motivation und Inspiration zur Umsetzung dieses Vorhabens. Zusätzliche Unterstützung dabei boten mir die Übungen von Curse, die über den Alexa Skill der Techniker Krankenkasse zur Verfügung stehen. Seit etwa zwei Monaten meditiere ich daher ein- bis zweimal pro Woche. In einer Phase meines Lebens, in denen sich das Gedankenkarussell unaufhörlich drehte, waren diese Momente die einzigen, in denen ich etwas Ruhe fand und einfach nur sein konnte. Inzwischen kann ich diese Auszeiten genießen und tanke in einer viertelstündigen Meditation oft mehr Energie als in einer achtstündigen Nacht.
Rückblickend kann ich Curse‘ OOOO+X-Methode bzw. „Stell dir vor, du wachst auf“ daher nicht nur jenen empfehlen, die bisher keine oder wenige Berührungspunkte zu Meditation, Yoga und Achtsamkeit hatten, sondern auch denjenigen, die bereits bewusster leben, aber offen für weitere Ideen und Veränderungen sind.
Fazit:
Michael „Curse“ Kurth hat mit OOOO+X eine extrem alltagsorientierte, einfache und flexible Methode entwickelt, um bewusster und konzentrierter durchs Leben zu gehen. Curse‘ Podcast und die Übungen über TK Smart Relax ergänzen das (Hör-)Buch und sorgen für Nachhaltigkeit bei der Einbindung des Konzeptes in den eigenen Alltag. Das macht „Stell dir vor, du wachst auf“ bzw. die OOOO+X-Methode für Neulinge ebenso zugänglich wie für Menschen, die längst Bewusstheit, Achtsamkeit und Dankbarkeit leben.
Michael „Curse“ Kurth: „Stell dir vor, du wachst auf. Die OOOO+X-Methode für mehr Präsenz und Klarheit im Leben“, Hörbuch, Argon Balance 2018, ISBN: 978-3-8398-8164-4
Uuuh interessant. Wenn ich solche Zeiten durchleben musste wie du sie beschreibst, dann hat mir meistens Wandern geholfen und ich habe das zu meiner Technik erklärt um mit Zeug fertig zu werden oder abzuschließen. Aber richtiges Meditieren habe ich nur mal eine kurze Zeit lang ausprobiert, aber wieder aus den Augen verloren oder viel mehr in eben anderen Tätigkeiten denselben Effekt gefunden und mich eben für die anderen entschieden. (Wandern, Zeichnen) Aber ich finde, dass es ein faszinierendes Prinzip ist und irgendwie auch erstaunlich, dass wir das bewusst empfinden und loslassen lernen müssen. Mit „wir“ meine ich wohl die Menschheit ;) Deine Erfahrungen dahingehend finde ich sehr spannend zu lesen. Und Junge Junge, deine Krankenkasse geht mit der Zeit ;)
Dass aber der Rapper, den ich nur als Curse kenne, Coach ist und meditiert war für mich tatsächlich die größte Überraschung. Ich hätte das nicht unbedingt mit HipHop und Rap verbunden.
Bei mir hilft gewöhnlich Yoga und – dank dir – seit diesem Jahr auch das Wandern. Aber im September und Oktober half weder das eine, noch das andere. Meditationen waren dann immer meine kurzen, aber wirkungsvollen Ruheoasen. Diesen Monat habe ich es in all dem Trubel auf Arbeit und Privat aber leider wieder etwas vernachlässigt (das wird heute endlich nachgeholt). Wie beim Sport muss man sich manchmal wohl einfach dazu „zwingen“, damit man es nicht aus den Augen verliert.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Zeichnen einen ähnlichen Effekt hat, weil man sich ja auch hier auf etwas bestimmtes fokussiert und die Umgebung ausblendet. Leider bin ich zeichnerisch nicht begabt und habe auch nicht die Geduld (ich hatte mal eine Probe eines Ausmalbuches und schon nach einer einmaligen, zehnminütigen Euphorie die Freude daran verloren XD ).
Mit dem Loslassenlernen hast du Recht. Ich frage mich, ob das in unserer Zeit der Hektik, Dauerbeschallung und Fear of Missing Out stärker ist als früher… Aber dann wiederum denke ich bspw. an „Walden“ oder an Schilderungen Tolstois und glaube, dass es etwas Zeitloses ist.