Vor Kurzem hatte ich euch davon berichtet, dass die Witches Collection der Scheibenwelt bei mir eingezogen ist und ich endlich Pratchetts Universum erkunden möchte. Im September nun trat ich meine erste Reise an. In „Equal Rites“ begleitete ich die junge Esk auf dem Weg zur ersten Zauberin der Scheibenwelt.
Eigentlich sollte Eskarina „Esk“ Smith der achte Sohn eines achten Sohnes sein – zumindest glaubte der Zauberer Drum Billet, seinen Zauberstab an einen solchen zu vererben. Der Erbe entpuppt sich nach der Geburt jedoch als Erbin und nun weiß keiner so recht, was zu tun ist. Mädchen und Frauen können schließlich ebenso wenig zu Zauberern werden, wie Jungs und Männer zu Hexen. Das ist doch ein ungeschriebenes Gesetz. Nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, muss jedoch eine Lösung her. Als Eskarina alt genug ist und sich ihre magischen Fähigkeiten Bahn brechen, nimmt sich daher Dorfhexe Granny Weatherwax ihrer an. Sie versucht zunächst, Eskarina zur Hexe auszubilden, muss aber feststellen, dass dies Eskarinas Fähigkeiten nicht gerecht wird. Es gibt nur einen Ort, an dem Esk lernen kann, mit ihren Fähigkeiten umzugehen: die Unseen University. Doch natürlich werden dort nur Jungs zu Zauberern ausgebildet. Die einzigen Mädchen und Frauen in der magischen Universität sind die Haushälterinnen und Köchinnen. Mit derart wenig Aussicht auf Erfolg brechen Granny und Esk auf, um Veränderung in dieses System zu bringen und die Geschlechtertrennung in den magischen Künsten aufzuheben.
Bereits auf der ersten Seite konnte Terry Pratchett mich für sich und seine Welt gewinnen. Mir gefielen die verschiedenen aufgegriffenen Ideen und Themen, Pratchetts lockerer Stil, die Anspielungen und Seitenhiebe und die Verwendung klassischer Fantasyelemente bei gleichzeitiger Persiflage fragwürdiger Muster und Topoi. Geschlechterklischees und von der Gesellschaft zugeschriebene Rollen werden hier mehr als offensichtlich vorgeführt. Zu Beginn erfolgte dies für meinen Geschmack noch zu sehr mit der platten Holzhammermethode. Mit Beginn von Esks und Grannys Reise zur Universität verlor sich dieser Fokus dann nahezu vollständig, was mich wiederum enttäuschte, da das Thema viel hergegeben hätte. Erst zum Schluss des Buches wird das eigentliche Kernthema, das auch zu dem herrlichen Wortspiel im Buchtitel führte, wieder aufgegriffen und findet in der Konfrontation und Kooperation von Hexe, Jungzauberin und Zauberern eine gelungene Umsetzung.
Leider war die Handlung insgesamt recht vorhersehbar und hatte gelegentliche Längen. Insbesondere die Reise zur Unseen University fand ich unnötig ausgeartet und wenig spannend. Im Großen und Ganzen habe ich „Equal Rites“ aber sehr gern gelesen. Die Lektüre machte nicht zuletzt deshalb Spaß, weil „Equal Rites“ Teile unserer Gesellschaft und unserer (Populär-)Kultur immer wieder gekonnt hinterfragt und bloßstellt. Trotzdem waren die humoristischen Elemente nicht so ausgeprägt und die Scheibenwelt nicht annähernd so ungewöhnlich, wie ich es im Vorfeld erwartet hatte. Im Gegenteil: Die Geschehnisse, die Figuren und die Erzählweise erinnerten mich immer wieder an Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend, sodass ich mich in der Scheibenwelt schnell „zu Hause“ fühlte.
Mein persönliches Highlight war jedoch die Hexe Granny Weatherwax. Mit ihr hat Pratchett eine Figur erschaffen, die es nicht nur mit ihren magischen Fähigkeiten, sondern vor allem mit ihrem Verstand und ihrer Schlagfertigkeit locker mit jedem aufnehmen kann. Ihr Auftritt in „Equal Rites“ war, wie ich bereits erfahren habe, auch nicht ihr letzter und so freue ich mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.
Fazit:
„Equal Rites“ hat durchaus ein paar Schwachstellen und ist beileibe nicht so genial, wie ich erwartet habe. Die Lektüre war aber dennoch äußerst unterhaltsam und hat mir einen guten Eindruck vermittelt, warum Terry Pratchetts Scheibenwelt-Reihe einen solchen Kultstatus erlangt hat. Ein solider Einstieg, der Lust auf mehr gemacht hat.
Terry Pratchett: „Equal Rites“, Discworld: The Witches Collection, Gollancz (Orion Publishing) 2014, ISBN: 978-1-473-20020-3
Es ist bei mir zwar über 20 Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, aber wenn ich mich richtig erinnere, ist es bei Weitem nicht das beste der Hexenbücher. Vielleicht sogar das Schwächste. Richtig gut wird es, wenn Granny Weatherwax mit Nanny Ogg und Magrat ein Trio bildet. Ich hoffe, die nächsten Bücher können dich mehr überzeugen. Ich lasse mir Zeit mit den letzten Scheibenweltromanen, aber ich muss sie wirklich mal abschließen und dann noch mal von vorne lesen :-)
Hallo Anette,
ich habe „Equal Rites“ an sich ja wirklich gern gelesen und es einfach genossen, nach langer Zeit mal wieder ein so unbeschwertes Buch zu lesen, dass sich aus Konventionen gar nichts macht und Spaß bereitet, ohne dabei platt zu wirken. Aber meine Erwartungen an die Scheibenwelt waren/ sind an sich schon höher. Deine Erinnerung scheint dich auch nicht zu trüben – ich habe auch anderswo gelesen, dass „Equal Rites“ nicht zu den besten Scheibenwelt-Romanen gehört. Umso mehr freue ich mich nun auf all die kommenden Geschichten. :)
Dass du die Scheibenwelt-Reihe noch einmal von vorn beginnen möchtest, bewundere ich ein bisschen. :) Ich habe die Lektüre ja ewig vor mir hergeschoben, weil die Reihe so lang ist – ein Re-Read könnte ich mir bei so vielen Bänden momentan nicht vorstellen. Andererseits spricht es natürlich für die Bücher, wenn man so ein Gesamtwerk noch ein zweites Mal durchlesen möchte. :)
Liebe Grüße und einen wunderbaren Sonntag!
Kathrin
Liebe Kathrin,
ach ja, die Scheibenwelt. Die müsste ich als großer Neil Gaiman Fan ja auch unbedingt erkunden. „Good Omens“ von den beiden fand ich schließlich wunderbar. Aber wenn ich DAS jetzt auch noch anfange, verschwinde ich vermutlich ganz und gar in dieser Serie und kriege nichts anderes mehr hin.
Einmal war ich schon dort: Zu Studienzeiten habe ich „Wyrd Sisters“ gelesen – auch mit Granny Weatherwax“ – und eine denkwürdige Aufführung von „Hamlet“ innerhalb dieser Geschichte ist mir in Erinnerung geblieben sowie ein sehr unglücklicher Hofnarr. Was ich an dem Buch liebte waren, wie bei dir, die vielen Anspielungen, Zitate, persiflierenden Momente, auch die Diversität. Ich vermute, das macht die Reihe noch mehr aus als die Handlung oder sogar die Scheibenwelt an sich. Ich liebe sowas! Ich werde Siebenen Erkundungen aufmerksam folgen und schauen, ob mich das auch irgendwann dazu bringt, doch in die Scheibenwelt einzutauchen. Viel Freude!
Ute
Liebe Ute,
„Good Omens“ kenne ich auch noch nicht – dabei steht der Titel seit Jahren auf meiner Merkliste! Ich konnte mich hier bisher einfach nicht zwischen Hörspiel und einer der verschiedenen Buchausgaben entscheiden. :D
Die „Wyrd Sisters“ werden demnächst mein zweiter Ausflug in die Scheibenwelt. Mit deinen Erinnerungen machst du mich nun sehr neugierig. darauf, v.a. auf die Hamlet-Aufführung! Irgendwie muss „Hamlet“ ja sehr oft in der (Pop-)Kultur für Scherze und Neu-Interpretationen herhalten. Diversität gab es in „Equal Rites“ noch nicht, wenngleich Pratchett aber immer wieder damit gespielt hat, welche Vorurteile und Klischees wir im wahren Leben wie in der Fiktion immer wieder an den Tag legen – sei es nur die Vorstellung, wie eine „richtige“ Hexe auszusehen oder sich zu verhalten hat. Ich kann mir vorstellen, dass dies in späteren Bänden noch deutlicher und umfassender aufgegriffen wird.
Liebe Grüße und einen entspannten Sonntag!
Kathrin
Also, Good Omens musst du echt lesen oder hören. Bald kommt ja auch die Verfilmung raus, und die sieht sehr schräg und vielversprechend aus bisher.
Bin gespannt, wie Dir Wyrd Sisters gefällt!
LG,
Ute
Das mit der Verfilmung hatte ich am Rande mitbekommen und jetzt kommt wieder das übliche Dilemma: erst lesen (und den Film ständig mit der Vorlage vergleichen) oder erst den Film als Einstieg nutzen?
Ich liebe die Scheibenwelt-Romane! „Equal Rites“ bzw. „Das Erbe des Zauberers“ habe ich allerdings auch als etwas schwächer in Erinnerung. Die anderen Hexen-Bücher, vor allem die über Tiffany Weh, haben mir besser gefallen.
Das Schöne an der Scheibenwelt ist ja, dass es keine Serie im engeren Sinn ist; man kann sich gut einzelne Bücher oder Themen wie die Hexen oder die Zauberer herausnehmen und „muss“ nicht alles gelesen haben (habe ich auch noch nicht).
Ich wünsche Dir noch viel Spaß beim Entdecken der Scheibenwelt!
Liebe Grüße, Netty
PS: Meine absoluten Lieblingsbücher sind die über die Stadtwache von Ankh-Morpork, damit ist bei mir der „Scheibenwelt-Funke“ erst so richtig übergesprungen.
Hallo Netty,
danke für deinen Kommentar und die Einblicke in deine Erfahrungen! Mittlerweile häufen sich die Stimmen, dass „Equal Rites“ einer der schwächeren Bände ist, was mich natürlich nun umso neugieriger auf die übrigen Scheibenwelt-Romane macht. Die Tiffany-Weh-Bücher möchte ich auch noch unbedingt lesen, zu den Bänden rund um die Stadtwache fehlen mir bisher noch Eindrücke/ Informationen, daher hab ich sie nun dank dir auf der Merkliste und werde mich bei Gelegenheit mal näher mit ihnen beschäftigen.
Ansonsten hast du vollkommen Recht: Dass die Bände der Scheibenwelt zwar zusammenhängen, aber dennoch jeder für sich allein steht, macht den Einstieg leicht und ermöglicht so viel Abwechslung, dass man seine ganz eigenen Schwerpunkte setzen kann. Was mir auch gut gefällt, dass man die Welt sehr leicht „versteht“ – man braucht keine Einführungen oder vorangehende Bände, um sich in die Welt hineinzufinden und sie kennenzulernen. Das hat Terry Pratchett wirklich toll umgesetzt. :)
Viele Grüße
Kathrin
Uh, da ist der erste Beitrag zu den Scheibenwelt-Romanen! Habe ich sehr gerne gelesen und freue mich sehr auf die weiteren! V.A. auch um noch rauszukriegen, ob die nicht doch auch was für mich sind ;) Viel beizutragen habe ich ja nicht, aber ich weiß, dass bspw. die Unseen University noch oft eine Rolle spielen wird. Was mich noch interessieren würde ist, ob man wirklich bei egal welchem Buch der Reihe einsteigen kann. Die so oft zitierten Kommilitonen von mir haben das zumindest früher immer behauptet und ich fand das sehr bewundernswert, wenn es Terry Pratchett wirklich gelungen ist.
Soweit ich weiß, kann man tatsächlich bei jedem beliebigen Band einsteigen – nur die ersten zwei Bände sollte man zusammen lesen, weil sie inhaltlich zusammengehören.
Bei meinem Band hatte ich jedenfalls nie das Gefühl, etwas nicht zu verstehen. Pratchett hat wohl ganz nach dem Prinzip „Show, don´t tell“ gearbeitet und dadurch findet man ganz beiläufig in diese Welt hinein.
Als ich vor Jahren zum ersten Mal über einen Einstieg in die Reihe nachdachte, habe ich im Netz unterschiedliche Empfehlungen gefunden, welche Bände sich besonders für den Beginn eignen und in welchen Reihenfolgen man die Bücher lesen kann. Allerdings hörte ich über die Jahre hinweg von immer mehr Bloggerinnen (deren Urteilen ich mehr vertraue als einer anonymen Forumsrunde o.ä. ;) ), dass der Einstieg und die Lesereihenfolge tatsächlich ziemlich egal sind. Vermutlich ist bei seinen Büchern tatsächlich so, dass man sich einfach irgendwann einmal eines rausgreifen und loslesen muss, statt zu grübeln.