Magische Meriten 1Als die Frau zu sich kommt, weiß sie weder wo sie ist, noch ob sie überhaupt ist – sie ist körperlos und hat keinerlei Erinnerung an das, was ihr widerfahren ist. Doch sie ist nicht allein: Ein anderes Wesen ist bei ihr und eröffnet der Frau, dass sie gestorben ist, aber wiedergeboren wird. Nicht zum ersten Mal. Die Frau steckt schon länger im Kreislauf der Wiedergeburten und hat die unterschiedlichsten Leben geführt. Tatsächlich soll sie jedes Leben geführt haben, sie ist jedes Lebewesen zu jeder Zeit.

„‚Jedes Mal wenn du jemanden etwas angetan hast, hast du es dir selbst angetan. Jede freundliche Tat hast du dir selbst angedeihen lassen. Jeder glückliche oder traurige oder verzweifelte Moment, den je ein Mensch erlebt hat, wurde von dir erlebt.'“

Mit jedem weiteren Leben lernt die Frau dazu, entwickelt sich weiter. Momentan steht sie allerdings noch am Anfang, steckt noch in den Kinderschuhen …

„‚Also ist das ganze Universum nur- ’
‚Dein Spielplatz, auf dem du lernst, was du sein könntest.'“

Der Auftakt des ersten Bandes von Dennis Freys Novellenserie „Magische Meriten“ liest sich wie ein kleines Déjà-vu: Wie Dennis Freys Roman „Fremdes Leben“ beginnt auch dieses Abenteuer mit der Wiedergeburt eines gestorbenen Protagonisten und einem magischen, mysteriösen Wesen, das wie ein Marionettenspieler die Fäden in der Hand hält. Das hat einen einfachen wie cleveren Grund: Dennis Freys Geschichten spielen alle in derselben Welt – jede Geschichte steht dabei für sich allein, ist aber zugleich mit anderen verknüpft. Das Leben schenkende Wesen in „Magische Meriten 1 – Gefunden“ ist daher ein vertrauter Freund aus „Fremdes Leben“, der in der Novelle zwar nur zwei kurze, aber bedeutende Auftritte hat.

Nachdem das Wesen die Frau in ein neues Leben geschickt hat, wechseln wir zu dem Mädchen Florence, genannt Flo, das gerade in einem drögen Allgäu-Urlaub mit der Familie steckt. Mit der Langeweile ist es für sie jedoch vorbei, als sie in den Fokus eines sogenannten An’ya gerät, eines bösen Magiers, der sich in seiner Gier zu einem übermächtigen Wesen verwandelt hat und mehr Monster als Mensch ist. Mit viel Glück und einem gefährlichen Zauber, der sie in die „Luftpolsterfolie des Universums“ hüllt, retten der Magier Claude und sein Lehrling Ivan das Mädchen vor den Klauen des An’ya. Doch die Gefahr ist damit nicht behoben, denn der An’ya, der sich noch immer in den Wäldern herumtreibt und nun einmal Blut geleckt hat, hat es auf Flo abgesehen und gibt keine Ruhe, bevor er sie getötet hat. Zurück in England erfährt Flo nicht nur den Schutz ihres neuen Freundes Ivan und dessen Meisters Claude, sondern etlicher anderer Magier, die sich verbündet haben, um den An’ya zu töten – ein mutiges Unterfangen, denn so selten An’yas sind, so gefährlich sind sie und im Alleingang ist kein Magier der gewaltigen Macht dieses Wesens gewachsen …

Doch was hat Flos, Ivans und Claudes Kampf gegen den An’ya mit der Wiedergeburt der Frau aus dem Eingangskapitel zu tun? Das verrate ich an dieser Stelle selbstverständlich nicht. Tatsächlich ist dies auch zu Beginn der Novelle ein Rätsel, dessen Lösung sich langsam und Stück für Stück im Verlauf der Geschichte offenbart – und anders ausfällt, als man anfänglich glaubt. Überhaupt hält Dennis Frey zum Ende hin diverse Überraschungen bereit; manche hiervon sorgen für einen erhellenden Aha-Effekt, andere bringen zum Lachen und halten der Menschheit den Spiegel vor.

Insgesamt sorgt „Magische Meriten 1 – Gefunden“ für wunderbare Unterhaltung: Dennis Frey erzählt mit charmantem Witz eine temporeiche Geschichte voller magischer Abenteuer, einer bunten Palette an Emotionen und starken Charakteren. Allen voran sei hier Ivan erwähnt, der sich seinem Meister Claude zwar bisher nicht als vorbildlichster Lehrling erwiesen hat, aber trotz – oder besser gesagt: gerade wegen – seiner ungewöhnlichen Entscheidungen und Methoden so manche schicksalhafte Wendung herbeiführt. Außerdem ist Ivan mit seiner offenen und witzigen Art einfach nur liebenswürdig und so wundert es auch nicht, dass er Flos Herz gewinnt. Flo selbst scheint auf den ersten Blick ein ganz normales Mädchen zu sein, ist aber natürlich viel mehr. Sie nimmt sich selbst nicht allzu ernst und bekämpft ihre Angst mit einer Prise Humor. In Anbetracht, dass ihr Leben auf dem Spiel steht, erweist sich Flo auch als verdammt tough – lediglich zu Beginn des Kreuzzuges gegen den An’ya gewinnt die Furcht überhand und lässt Flo zu ihrem Lieblingsteddy aus Kindertagen greifen, was das Mädchen aber nur umso sympathischer macht.

Doch nicht nur die jungen Helden der Geschichte wachsen ans Herz, sondern auch so mancher erfahrener Magier. Zu den markantesten unter ihnen zählt die Magierin Snow, die lediglich zum Ende der Geschichte auftritt, aber von Dennis Frey so gut in die Geschichte eingewoben wurde, dass man meint, sie schon länger zu kennen und sie für ihre Stärke und ihren Charakter bewundert. Claude hingegen bleibt anfangs sehr distanziert gegenüber Flo und uns Lesern. Im Gegensatz zu seinem Lehrling Ivan ist Claude ausgesprochen ernst und lässt nicht erahnen, was in ihm vorgeht. Doch im weiteren Handlungsverlauf bekommen wir Stück für Stück mehr Einblick in sein Seelenleben. Wir erfahren, wie streng Claude mit sich selbst ist und welche Fehler aus der Vergangenheit ihn noch heute verfolgen. Mit Blick auf den geringen Umfang, der mit dem Format der Novelle einhergeht, ist es bewundernswert, wie viel Tiefe Dennis Frey in die Haupt- und Nebencharaktere gelegt hat und dabei gleichzeitig eine derart ereignisreiche, aus zwei Perspektiven geschilderte Geschichte entwickelt hat. Eine vielversprechende Basis für die weiteren Bände der Reihe!

Fazit:

Ein rasantes Fantasyabenteuer und spannender Auftakt zu Dennis Freys „Magische Meriten“-Reihe. Ein Geheimtipp (nicht nur) für Fans von Urban Fantasy. Aber: Unbedingt erst nach „Fremdes Leben“ lesen!

Dennis Frey: „Magische Meriten 1 – Gefunden“, erschienen im Eigenverlag von Dennis Frey 2016, ASIN: B01LY71E3N