Nachdem mich der Film „Shutter Island“ total begeistern konnte und ich anschließend auch vom zugehörigen Buch gefesselt wurde, entdeckte ich kürzlich Dennis Lehanes Geschichte als Graphic Novel – diese Umsetzung der mir bekannten Geschichte musste ich haben!

Da ich meinen Eindruck zu Lehanes Thriller bereits in der entsprechenden Rezension geschildert habe, soll an dieser Stelle auf Inhalt, Charaktere und die Umsetzung des Themas nicht weiter eingegangen werden. Stattdessen möchte ich mich hier auf die spezielle Umsetzung als Graphic Novel konzentrieren.

Für die Comic-Version wurde die Handlung stark zusammengerafft. So sind viele Ereignisse auf das wesentliche gekürzt oder wurden ganz gestrichen, so zum Beispiel der Moment, in dem Teddy Daniels – unter anderem mit dem von seiner Frau erhaltenen Schlips – das Auto in die Luft jagt. Trotz dieser vielen und starken Einschnitte ist alles wichtige drin, die Charaktere haben noch genug Tiefe, die Geschichte bleibt stets nachvollziehbar und weist keine Lücken auf. Verloren ging allerdings ein wenig der unheimlichen, fesselnden Atmosphäre sowie die Hintergründe zu Teddy, beispielsweise das Verhältnis zu seinem Vater und die Bedeutung des Meeres für den US-Marshall. Im Gesamtbild der Geschichte stört dies jedoch nicht.

Die grafischen Mittel sowie die Möglichkeiten für die Erzählweise wurden perfekt genutzt: Die Bilder sind in Sepia-Tönen gehalten und unterstreichen so die Zeit, in der die Geschichte spielt. Das Lesen erhält so etwas von einem alten Film, erinnert an die erste Zeit des in den 50er Jahren noch recht jungen Mediums Fernsehen. Die Farben: Mysteriös und zwielichtig, passend zum Thrillergenre. Eine Ausnahme in dieser Sepia-Erzählung sind Teddys Albträume, in denen er immer wieder mit dem Tod seiner Frau und der drei Kinder konfrontiert wird. Sie sind farbig und grenzen sich so optisch von Teddys Realität ab. Doch auch sie sind düster gehalten und Christian De Metters Zeichenstil schafft es in diesen Traum-Szenen, den Wahnsinn und die Grausamkeit der Ereignisse intensiv zum Ausdruck zu bringen.

Die dargestellten Szenen aus „Shutter Island“ selbst entsprechen zwar sehr den einzelnen Szenen des Films – besonders bezüglich der Perspektiven -, die einzelnen Charaktere gleichen der Filmbesetzung optisch jedoch nicht (mit Ausnahme von Chuck Aule), sodass genug Distanz zur Leinwandadaption geschaffen wurde und die zeichnerische Umsetzung etwas gänzlich Eigenständiges ist.

Dadurch, dass der Leser Informationen nicht von einem allwissenden Erzähler, sondern allein durch die Dialoge bezieht, wird die Bedeutung bestimmter Aussagen intensiviert, sie werden viel einprägsamer als im eigentlichen Buch oder dem Film. Und wer – wie ich – die Geschichte nun auf diese Weise zum zweiten Mal liest, entdeckt auch viel leichter die Zweideutigkeit mancher Aussagen. Das Ende erscheint noch logischer, absehbarer. Alles Gesagte erhält plötzlich mehr Gewicht. So werden beispielsweise die Sätze des inhaftierten George Noyce vom Leser nun anders interpretiert als während ersten Lesens oder ersten Filmschauens, bei dem die Geschichte allein aus Teddys Blickwinkel erlebt und interpretiert wird.

Fazit:

Wer Dennis Lehanes Thriller noch nicht kennt und / oder das ausführliche Lesen der Geschichte (aus welchen Gründen auch immer) umgehen möchte, dem bietet die Comic-Version die Handlung und die Charaktere in einer guten, kompakten und perfekten Umsetzung. Zwar verwirrt die Geschichte in ihrer grafischen Umsetzung nicht so sehr wie Film und Roman, regt nicht so zum Miträtseln und Grübeln an, sondern erzählt stattdessen auf leicht verständliche Weise und lässt vieles klarer erscheinen, als es in der Geschichte ursprünglich beabsichtigt ist. Kurz: Als Graphic Novel wirkt „Shutter Island“ leider weniger nach, hinterlässt dafür aber weniger Fragezeichen beim Leser. Wer lieber selber nachdenkt und alles auf so verwirrende Weise erleben will, wie Teddy Daniels es tut, der ist mit dem Original-Roman am besten bedient. Wer die Geschichte lieber schnell und zwischendurch erfahren möchte und ungern interpretiert, für den ist die Graphic Novel die bessere Alternative.