Missverstandene MonsterMonster sind hässlich, unheimlich, eklig und wollen nur Böses, richtig? Falsch. Natürlich gibt es sie, die Wesen, die nur skrupellos spuken. Aber es existieren auch niedliche und friedliche Monster. Letztlich wollen all diese Wesen aber nur eins: ihr Leben leben. Denn das Dasein eines Monsters ist keineswegs easy-peasy! Manche Monster wollen einfach nicht erschrecken und streben nach einer anderen Existenz, andere haben sogar Angst vor Kindern, wieder andere beklagen den Verlust oder das Fehlen ihres Schrecktalents oder die schlechten Arbeitsbedingungen – tja, und die Pubertät ist für einen Monsterteenie auch nicht gerade die sorgenfreiste Zeit. Kein Wunder also, dass es selbst in der Monstergesellschaft mittlerweile viele therapeutische Angebote gibt: Ob Gruppen- oder Einzeltherapie – für jedes monströse Problem findet sich die passende Behandlung. Und da kommen nun wir Menschen und tun nichts anderes, als über die Monster zu meckern und zu fluchen! Das muss sich ändern. Wir müssen mehr Toleranz und Verständnis gegenüber den Drachen, Todesfeen, Trollen, Irrlichtern, vielbeinigen, schleimigen, pelzigen, scharfzähnigen Wesen zeigen! Die Monsterologen Anke Höhl-Kayser, Mortimer M. Müller, John R. Borrmann, Ulrik van Doorn, Nina C. Egli, Laura Dümpelfeld, Sophia Berg, Marcus Haas, Andrea Bienek, Helen B. Kraft, Corinna Schattauer, Susanne Haberland, Daniel Schlegel, Tina Alba, Tanja Rast, Robert von Cube, Dennis Bienkowski, Katharina F. Bode, Felicitas Heine und Rike Winthert haben daher in ihrem Monstererfahrungsschatz gekramt und diverse Fallbeispiele zu Tage gefördert, die unter der Feder von Ingrid Pointecker in der Anthologie „Missverstandene Monster“ gebündelt wurden. Sie gewähren uns tiefe Einblicke in die Vielschichtigkeit der Monstergattungen, zeigen uns den Alltag und die Sorgen der unterschiedlichsten Wesen. Dabei wird deutlich, dass wir Menschen an den Problemen dieser Spezies nicht immer ganz unschuldig sind. An mancher Stelle fragt man sich gar, wer die wahren Monster sind – diese Wesen oder wir Menschen? Bestes Beispiel dafür ist die Geschichte von Robert von Cube („Ribbli“), die uns Lesern die Abscheulichkeiten in den Versuchslaboren vor Augen führt.

Mit so manchem Wesen bekommt man dabei auch großes Mitleid. In „Willo, das Irrlicht“ erzählt uns beispielsweise Nina C. Egli die traurige Lebensgeschichte eines in den Sümpfen lebenden Irrlichts. Wieder und wieder hofft Willo auf Gäste und gibt sich tagtäglich Mühe, das Zuhause für Besucher einladend zu gestalten. Gelegentlich kündigen sich auch tatsächlich Reisende an. Freudig leuchtet Willo den Besuchern entgegen – doch dann ganz plötzlich versinken diese immer im Moor und Willo bleibt wieder allein zurück. Es zerbricht einem das Herz, zu lesen, wie sehr diese Einsamkeit und ständige Enttäuschung das arme Irrlicht schmerzt. Drachin Tarasque hingegen, deren „Protestbrief“ von Mortimer M. Müller bereitgestellt wurde, kam einst nach Frankreich in der Aussicht auf ein schönes Leben. Drache Fuchur (ja, genau jener Glücksdrache aus Michael Endes „Die unendliche Geschichte“) empfahl ihr die Region um Nerluc. Doch dort begegnet man Tarasque nur mit Ablehnung und Gewalt. Als Leser wird man sprachlos ob dieses herzlosen Verhaltens der Menschen. Gleichzeitig legt Tarasque aber ein so loses Mundwerk an den Tag, dass sie uns damit unweigerlich auch immer zum Schmunzeln bringt. Liebe Tarasque, solltest du noch immer auf der Suche nach einem friedlichen Zuhause sein – bei mir bist du jederzeit willkommen!

Sehr ins Herz geschlossen habe ich auch das kleine Wesen, das aus Mirandas Keller auftauchte (Tanja Rast: „Das aus dem Keller“). Es ist so unglaublich goldig und drollig, dass man sich ihm sofort annehmen möchte! Doch mehr möchte ich hier nicht über Mirandas Monster verraten – lernt es selbst kennen, ihr werdet in ihm einen wunderbaren Freund finden! Apropos Freundschaft: Auch Spinnen können gute Freunde sein und haben zudem einen guten Musikgeschmack, wie uns Tina Alba in „Arachne organophilia“ verrät.

Da die Geschichten über die „Missverstandenen Monster“ ebenso vielseitig sind wie die Vorlieben von uns Lesern, wird natürlich jeder Leser an den Geschichten unterschiedlich stark Gefallen finden. Auch ich ging aus der ein oder anderen Begegnung mit den Monstern ein wenig unzufrieden heraus, weil ich das Gefühl hatte, dass mir zum Beispiel noch Informationen fehlten oder die Ereignisse noch nicht wirklich ihr Ende erreicht haben. Hinzu kam auch gelegentliche Verwirrung, beispielsweise angesichts des unter Drachen sehr verbreiteten Namens Tarasque. In andere Erlebnisse hingegen wurde ich sehr stark involviert. Beispielsweise lädt uns Anke Höhl-Kayser in „Dank sei den Stinkmorcheln“ zu einer Runde Gassi-Gehen mit Sabine und ihrem Hund Flocke ein. Gut gelaunt machte ich mich also mit Sabine auf den Weg und hoffte auf einen gemütlichen Abendspaziergang. Doch Pustekuchen! Denn Sabine musste natürlich durch das finstere Nordwäldchen gehen – als wäre das nicht schon unheimlich genug, stießen wir dann auch noch auf Hundekadaver! DAS war wirklich abartig. Wie ich da lebend und ohne Schockfolgeschäden hinauskam? Das müsst ihr schon selbst nachlesen.

Missverstandene Monster CoverFazit:

Eine Kurzgeschichtensammlung, die Monster in all ihren Facetten portraitiert, den Mensch-Monster-Dialog fördert und die Leser auf ein Emotionskarussell setzt, auf dem sie lachen, grübeln, weinen, sich fürchten und ekeln können.

Ingrid Pointecker (Hrsg.): “Missverstandene Monster”, Verlag ohneohren 2014, ISBN (epub): 978-3-903006-15-7, ISBN (mobi): 978-3-903006-16-4

Ein großes Dankeschön für das bereitgestellte Exemplar im Rahmen der LovelyBooks-Leserunde geht an dieser Stelle nochmals an den Verlag ohneohren!