Silber_Kerstin GierDie Silbers ziehen um. Mal wieder. In den letzten Jahren haben die Schwestern Liv und Mia zusammen mit ihrer Mutter, dem Langzeit-AuPair-Mädchen Lottie und ihrer Hündin Butter häufiger die Wohnungen gewechselt als manche Menschen in ihrem ganzen Leben. Nun hat Livs und Mias Mutter eine Stelle in Oxford erhalten – ein lang gehegter Traum. In den Silber-Schwestern keimt daher die Hoffnung, nun doch endlich ein richtiges, dauerhaftes Zuhause zu finden. Doch kaum sind sie in London gelandet, gibt es eine negative Nachricht nach der anderen: Statt in einem alten, geheimnisvollen Cottage werden die Silbers in einem Haus in der Stadt leben – nicht in irgendeinem Haus, sondern dem des neuen Lebenspartners der Mutter, zusammen mit dessen zwei Kindern. Für Liv wird der Einzug in das neue Heim jedoch noch eine weitere Überraschung parat haben: Sie erlebt ihre Träume aktiv, kann diese sogar steuern. In einem ihrer Träume beobachtet sie ihren zukünftigen Stiefbruder Grayson mit dessen besten Freunden – der In-Clique der Schule – bei einem Ritual auf dem Highgate Cemetery. Nachdem sich herausstellt, dass die Jungs Dinge über Liv wissen, die sie nur aus ihren Träumen wissen könnten, wird klar, dass Grayson und seine Freunde ein Geheimnis haben. Und obwohl sie sie kaum kennen, weihen die Jungs Liv schon bald in dieses Geheimnis ein.

Ich muss gestehen, dass mich „Silber – Das erste Buch der Träume“ erst etwas später in den Bann ziehen konnte. Bis zum ersten Drittel lautete mein Eindruck: „Ja, ganz nett.“ Versteht mich nicht falsch, es war humorvoll und gut geschrieben, eben typisch Kerstin Gier, aber so richtig packen konnte es mich zunächst nicht. Was zum Einen daran lag, dass sich für die Handlung im ersten Drittel viel Zeit genommen wurde. Zum anderen lag es daran, dass mich manches zu sehr an die Edelstein-Trilogie erinnerte: Die kluge, witzige Protagonistin, die mit den ganzen Tussis an der Schule so gar nichts anfangen kann sowie ein attraktiver Junge, dem alle Mädchen der Schule zu Füßen liegen und der sich natürlich für keine von denen interessiert, dafür aber für unsere nicht klischee-mädchenhafte Protagonistin.

Doch zum Glück bringen mich solche Dinge nicht so leicht zum Abruch einer Lektüre! Und nach dem guten, aber nicht spektakulären ersten Drittel konnte mich „Silber – Das erste Buch der Träume“ auch schon bald mit jeder weiteren Seite mehr in den Bann ziehen. Ich fand es unglaublich spannend, Stück für Stück mehr über die Träume und Rituale der Jungs zu erfahren, die Traumwelten zu erkunden und zu rätseln, was sich in den unheimlichen Schatten des langen Traum-Flurs verbirgt. Im Laufe der Geschichte habe ich gelacht, mitgefiebert, spekuliert und gegrübelt.

Sehr gefallen hat mir dabei die Idee der Traumtür-Schlösser: Jeder Träumer hat nicht nur eine individuell aussehende Tür, die in seine Träume hineinführt, sondern auch Türschlösser, die Unbefugten dem Zutritt verwehren sollen. Diese Schlösser reichen von simplen Vorkehrungen, wie wir sie von unseren alltäglichen Türen kennen, bis hin zu Rätseln, die gelöst werden müssen. Besonders Livs Sicherheitsvorkehrung fand ich immer wieder aufs Neue amüsant.

Die einzelnen Charaktere konnten mich nach dem ersten Drittel ebenfalls immer mehr für sich gewinnen. Insbesondere, dass nicht nur Liv im Fokus stand, sondern auch die Jungs-Clique eine so bedeutende Rolle innehatte, fand ich für ein Jugendbuch, das sich vorwiegend an Mädchen richtet, sehr erfrischend. Natürlich waren manche Personenkonstellationen ziemlich voraussehbar, das tat der Geschichte und dem Handlungsverlauf jedoch keinen Abbruch. Denn letztlich überzeugen die Charaktere aus Kerstin Giers Feder wieder einmal durch Authentizität und einen sprachlichen Ausdruck, der alters- und zeitgemäß, aber kein aufgesetzter Pseudo-Teenieslang ist.

Neben der klassisch erzählten Geschichte finden sich im Buch auch immer wieder Artikel des „Tittle-Tattle Blogs“ – der Blog eines/ einer anonymen Schülers/ Schülerin von Livs neuer Schule. Die Geschichte damit zu unterbrechen und den Blog für Kerstin Giers Leser auch im „realen“ Internet zu veröffentlichen, ist  an sich eine gute Idee. Als Leser ist man dadurch noch stärker daran interessiert, wer hinter dem Blog steckt. Ich persönlich hätte auf die Blogeinträge jedoch auch verzichten können, da man der Handlung auch ohne Kenntnis der Posts folgen kann und manche Beiträge nicht die geringste Relevanz für die Geschichte aufweisen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Posts eine stärkere Bedeutung für den Handlungsverlauf gehabt hätten.

Große Komplimente gibt es von mir jedoch für den „Rasierspaß-Ken“-Vergleich, der sich durch den ganzen Band zieht, ohne dabei langweilig zu werden, für das Ende, das glücklicherweise nicht mit einem allzu großen Cliffhanger frustriert sowie für die fabelhafte Optik des Buches!

Silber_Exlibris Silber

Fazit:

„Silber – Das erste Buch der Träume“ ist nicht perfekt und kann leider nicht ganz so leicht begeistern wie die Bücher der „Edelsteintrilogie“. Mit zunehmender Kapitelzahl steigt jedoch auch die Spannung und so wird es letztlich doch zu einer guten, unterhaltsamen Lektüre und bildet einen soliden Auftakt für Kerstin Giers neue Trilogie.