Benjamin Lacombe und Sébastien Perez laden uns erneut auf eine fabelhafte, wahrhaft verzaubernde Reise ein. In „Das Elfen-Bestimmungsbuch“ begleiten wir den russischen Wissenschaftler Alexander Bogdanowitsch in die Bretagne. Für niemand geringeren als Rasputin soll Alexander die Heilkräfte der Pflanzen nutzen, um ein Unsterblichkeitselixier zu entwickeln. Der sagenumwobene Wald von Brocéliande scheint dafür ideal: Er gilt als ein Ort voller Magie und Mystik, an dem auch einige Ereignisse aus der Legende rund um Artus und Merlin stattgefunden haben sollen. Daneben bietet der Wald und das Dorf Paimpont genau die Abgeschiedenheit, die Alexanders Forschungen vor Neugierigen bewahren.
Bereits nach wenigen rein botanischen Untersuchungen macht der Wissenschaftler die erste geheimnisvolle Entdeckung: An einem Pillenfarn entdeckt er ein winziges Wesen, dass er zunächst den Amphibien zuordnet. Immer mehr dieser unbekannten Kreaturen findet Alexander im Wald von Brocéliande. Er untersucht ihr Verhalten, seziert ihre Körper, entdeckt ihre einzigartigen Heilkräfte. Voller Begeisterung berichtet er Rasputin von seinen Entdeckungen und sendet ihm einige der Wesen. Russische Wissenschaftler stellen Zweitanalysen an und bestätigen, dass Lebewesen dieser Spezies bislang unbekannt gewesen sind. Immer tiefer stürzt sich Alexander nun in seine Forschungen – seine Frau Irina und Töchterchen Nina, die in Russland zurück geblieben sind, geraten schnell in Vergessenheit. Während die Jahre vergehen, in denen Alexander nicht ein einziges Mal die Gegend um Brocéliande verlassen hat, entdeckt er immer mehr dieser einzigartigen Kreaturen – und stellt fest, dass diese kleinen Wesen keine Tiere sind, sondern es sich nur um Elfen handeln kann. Fortan geht Bogdanowitsch nicht länger Rasputins Forschungsauftrag nach, sondern genießt die Faszination der kleinen magischen Wesen – bis er irgendwann verschwunden ist. Wie sich das Verschwinden erklären lässt – ob vielleicht Rasputin, die Feen oder jemand aus Paimpont etwas damit zu tun haben oder Alexander sich an einen geheimen Ort zurückgezogen hat – darauf geben Lacombe und Perez keine Antwort. Sie präsentieren uns Zeitungsausschnitte, die sich auf das Verschwinden des Wissenschaftlers beziehen, aber jeder Leser muss für sich selbst die Frage beantworten, was mit Bogdanowitsch geschehen sein könnte. Die eine, wahre Lösung gibt es nicht – Benjamin Lacombe hat während seiner Präsentation im Dezember betont, dass das Ende auf verschiedene Weisen interpretiert werden kann und selbst er und Perez zwei unterschiedliche Ausgänge der Geschichte haben.
„Das Elfen-Bestimmungsbuch“ präsentiert sich als Alexanders Tagebuch. Es enthält seine Skizzen und Aufzeichnungen, Briefe und Fotos. Lacombe nutzte dazu verschiedene Maltechniken wie Gouache und Bleistiftzeichungen. So wird das ganze Buch zu einer großen Collage mit Elementen aus Alexanders Forschungsreise in den Wald von Brocéliande. Pergamentseiten verleihen dem Ganzen etwas Magisches und Lasercuts bilden das Blätterwerk, unter dem sich die Elfen von Brocéliande verbergen. Stück für Stück taucht man so gemeinsam mit Alexander Bogdanowitsch tiefer in die magischen Geheimnisse des Waldes ein. Eine Reise, die leider viel zu schnell endet
Fazit:
Benjamin Lacombe und Sébastien Perez haben mit „Das Elfen-Bestimmungsbuch“ ein wahrlich märchenhaftes Buch geschaffen, dass sich der Elfen-Thematik auf zunächst wissenschaftliche Weise annähert, dabei jedoch stets den Zauber und die Faszination der kleinen Wesen einfängt. Eine Collage aus Illustrationen, Fotos und Texten macht „Das Elfen-Bestimmungsbuch“ zu keiner klassisch aufgebauten Erzählung und gibt dem Leser die Möglichkeit, sich die Geschichte wie ein Puzzle zusammenzusetzen und ein für sich selbst als richtig empfundenes Ende zu finden.
PS: Wer wissen möchte, wie die Geschichte in meinen Augen ausgeht, muss die folgenden Zeilen nur markieren (Achtung Spoiler!):
Obwohl Rasputin Alexander gedroht hat, denke ich nicht, dass er hinter dem Verschwinden steckt. Laut der Zeitungsartikel wurde in dem Wald Alexanders Tagebuch entdeckt, dass die französische Polizei für ihre Nachforschungen einbehalten hat. Nachdem das russische Reich die Unterlagen einforderte, streitet Frankreich deren Existenz jedoch ab. Hätte Rasputin wirklich Alexander auf dem Gewissen, hätten die von ihm Beauftragten auch das Tagebuch genommen und Rasputin zukommen lassen. Ich lege das Ende so aus, dass Alexander irgendwo im Wald einen geheimen Ort gefunden hat, den lediglich Paimponts Kräuterfrau Léopoldine kennt. In einem Brief an seine Frau Irina schreibt Alexander, dass sie und Tochter Nina nach Paimpont kommen sollen und Léopoldine ihnen den Weg zu den Elfen zeigen wird – er selbst sei dann bereits aufgebrochen. Nachdem Irina und Nina in die Nähe von Paimpont reisten, verschwinden kurz darauf auch sie. Léopoldine äußerte sich zwar in einem Artikel, dass sie Alexander zuletzt nur selten sah und vermute, er wäre dem Schnaps verfallen, doch Alexander selbst bezeichnete sie als gute Freundin – ihre Aussage kann daher dazu dienen, die Spekulationen über den Elfenwald zu besänftigen und Alexanders Flucht zu vertuschen. Meiner Interpretation nach, verhalf sie ihm und seiner Familie zu einem Untertauchen in dem Wald von Brocéliande.
Ihr habt „Das Elfen-Bestimmungsbuch“ auch schon gelesen? Wenn ja, würde ich mich freuen zu erfahren, wie ihr das Ende deutet!
Du stellst hier wirklich tolle Bücher vor, die ich so noch in keinem Bücherblog gesehen habe. Was sich fatal auf meinen SuB auswirkt, macht so herrlich den Kopf auf. Du machst also Deinem Namen alle Ehre. Denn die von Dir rezensierten Bücher entführen mich immer in phanastische Welt. Dafür ein ganz liebes Dankeschön :)
LG, Katarina :)
Danke, liebe Katarina, für diese schönen Zeilen! Zur Prüfungszeit sind solche Worte Balsam für die Seele und eine wunderbare Aufheiterung!
Es freut mich, dass ich dich hin und wieder auf neue/ selten besprochene Bücher aufmerksam machen kann! Mit deinem Blog verhält es sich in der Hinsicht ja auch nicht anders (durch deine Rezension steht u.a. „Lucky“ von Alice Sebold in meinem Regal).
Ich finde es großartig, dass man auch als Viel- und Blogleser gelegentlich noch überrascht wird und auf Bücher stößt, die man bis dato nie gesehen hat. Natürlich kann man nicht immer nur solche Exemplare entdecken und besprechen, aber ich finde, dass das ein Aspekt ist, der das Bloggen ausmacht. Es gibt so viele verschiedene Bücher und Geschmäcker, da sollte in der breiten, bunten Bloggerwelt doch für alles ein Platz sein :)
Und mit Büchern von Lacombe kann man eigentlich nichts verkehrt machen (es sei denn, man kann weder mit Märchen noch mit einem Tim Burton ähnlichen Stil etwas anfangen ;) ).
Liebe Grüße
Kathrin
Ich bin übrigens, was das Ende betrifft, vollkommen Deiner Meinung :-). Genau so habe ich das auch interpretiert. Hach, das ist sooooooooooo ein wunderschönes Buch. Kennst Du auch „Schneewittchen“ von ihm??? Auf meinem Wunschzettel stehen jetzt noch „Undine“ und „Cherry and Olive“ …
Schön, endlich einmal eine Lesermeinung zum Ende zu erfahren :) Interessant und toll finde ich natürlich, dass du es ebenso interpretiert hast. Da waren meine Gedanken also doch nicht so abwegig.
„Schneewittchen“ habe ich bereits vor langem gelesen, ebenso „Unheimliche Geschichten“ und „Undine“. Ich bin sicher, dass du „Undine“ lieben wirst: Es ist so wunderbar aufgemacht – mir gefiel vor allem, wie das Wasser in diesem Buch in Szene gesetzt wurde. (einen kleinen Einblick habe ich hier: https://phantasienreisen.de//2013/03/05/benjamin-lacombe-undine/)
„Cherry and Olive“ steht ebenfalls noch auf meiner Wunschliste – ich habe immer auf eine deutsche Übersetzung gewartet, aber glaube, die wird es nie (oder zumindest nicht allzu bald) geben.
Liebe Grüße
Kathrin