Der 16-jährige Leo ist verliebt. Die Liebe ist rot, genau wie das Haar seiner Traumfrau Beatrice. Überhaupt: „Alljedes ist eine Farbe. Jede Empfindung ist eine Farbe.” (Alessandro D’Avenia: “Weiß wie Milch, rot wie Blut”, btb 2010, Seite 9) Und Rot ist eine Farbe, die Leo mag – ganz im Gegensatz zu Weiß. Weiß macht ihm Angst, es überfällt ihn immer dann, wenn er allein und ohne Ablenkung ist. Nur wenige Personen schaffen es, Leo aus diesen weißen Momenten, die sich so schwer auf ihn drücken, zu befreien. Dazu gehören vorrangig seine besten Freunde Niko und Silvia, aber auch Beatrice – wenngleich sie davon nichts ahnt. Doch das soll sich ändern: Leo ist fest entschlossen, ihr seine Gefühle zu gestehen. Um sie auf sich aufmerksam zu machen, besorgt er sich ihre Handynummer und schickt eine SMS. Doch am nächsten Tag verhält sich Beatrice ihm gegenüber wie immer, spricht ihn nicht an und antwortet auch nicht auf seine Nachricht. Einige Tage später fehlt sie in der Schule. Von dem neuen Vertretungslehrer, den Leo nur den „Träumer“ nennt, erfahren die Schüler, dass Beatrice an Leukämie erkrankt ist und deswegen vorerst nicht zur Schule kommen kann. Für Leo ist das ein Albtraum und er spendet ihr Blut. Wieder heißt es Rot gegen Weiß: Leos gesundes, rotes Blut soll gegen Beatrices Überzahl der weißen Blutkörperchen helfen. Doch als wären die erste Verliebtheit und Krebs nicht schon genug Probleme, werden auch Leos Freundschaften zu Niko und Silvia auf die Probe gestellt. Schließlich wird nach diesem elften Schuljahr für Leo nichts mehr so sein wie früher.

“ ‚Ich hab mal gelesen, dass die Liebe nicht dazu da ist, uns glücklich zu machen, sondern uns zu zeigen, wie viel Schmerz wir ertragen können.‘ „

(Alessandro D’Avenia: “Weiß wie Milch, rot wie Blut”, btb 2010, Seite 169)

„Weiß wie Milch, rot wie Blut“ ist das schriftstellerische Debüt des 1977 geborenen Italieners Alessandro D’Avenia und zeugt von einer großartigen sprachlichen Brillanz. Die Geschichte des Schülers Leo, die auch aus dessen Perspektive erzählt wird, ist von der ersten bis zur letzten Seite ein purer Genuss. Mal poetisch, voller Tiefgang und Weißheit, dann wieder direkt, frisch und authentisch jugendlich. Zunächst scheinen diese beiden sprachlichen Niveaus nicht zusammenzupassen, doch beim Lesen zeigt sich sofort, wie gut diese Stile in Kombination klingen. Sie bieten Abwechslung und vereinen perfekt Melancholie und Lebenslust, Ernst und Unbefangenheit. So gelingt es, dass die traurige Geschichte berührt, aber gleichzeitig nie ins Melodramatische abdriftet, sondern auch eine Leichtigkeit in sich birgt.

Die Charaktere hat D’Avenia dabei ebenso liebenswert gestaltet. Als Leser spürt man zwar schnell, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, doch nimmt dies keineswegs die Spannung. Man möchte die Figuren trotz des absehbaren Endes auf ihrem weiteren Weg begleiten. Zudem scheint der von D’Avenia beschlossene Ausgang auch der einzig richtige zu sein. Eine besondere Rolle in der Geschichte nimmt dabei der Träumer ein, den Leo nach außen zwar belächelt, der ihn aber im Inneren zu verstehen scheint, wie sonst niemand. Der Vertretungslehrer trägt so immer wieder auf besondere Weise zur Geschichte bei – genau wie das farbliche Spiel von Rot und Weiß.

Als Leser kommt man nicht umhin, sich zu fragen, wie viel vom Wesen des italienischen Autors selbst in Leo und dem Träumer steckt: Mit seiner wilden Lockenmähne erinnert Leo vor allem optisch an Alessandro D’Avenia selbst, gleichzeitig ist der Autor ebenfalls Lehrer und wie der „Träumer“ recht jung. Dass D’Avenia sein Debüt unter anderem seinen Schülern widmet und sich am Ende des Buches bei ihnen bedankt, lässt vermuten, dass er zu ihnen ein ähnlich positives Verhältnis pflegt wie sein scheinbares Alter Ego, der Träumer. In diesem Fall kann man seine Schüler nur beneiden.

Fazit:

In Alessandro D’Avenias Debüt „Weiß wie Milch, rot wie Blut“ mit seiner gekonnten Schreibstilkombination aus Poesie und jugendlicher Direktheit kann man sich nur verlieben. Ein Buch, das seine Leser davon trägt und in Deutschland bislang viel zu unbekannt ist. Daher sei an diese Stelle eine uneingeschränkte Leseempfehlung ausgesprochen. Also: Lesen, lesen und verlieben!