Die ersten drei der acht Geschichten liegen hinter uns. Ihnen allen gemein ist, dass sie das Streben nach mehr thematisieren – und das ganz vielfältig interpretieren: Ihre Charaktere streben nach mehr Wissen, neuer Erkenntnis, neuen Möglichkeiten und buchstäblich nach neuen Horizonten.
Gleich in der ersten Geschichte – „Tower of Babylon“ – steht ein wahrlich größenwahnsinniges Projekt im Mittelpunkt: Der Bau eines scheinbar endlosen Turmes, der den Weg zum Reich Gottes bereiten soll. Eine Story, die uns alle überzeugen konnte und immer wieder ins Staunen versetzte. Allein die Ausmaße dieses Turms brachten uns fast an die Grenzen unserer Vorstellungskraft.
…
Tja, und dann legt er uns „Understand“ vor und haut uns damit regelrecht um! Die Story umfasst keine 50 Seiten und fühlte sich doch an wie ein kolossaler Roman.
Chiang entführt uns in „Understand“ in eine (nicht allzu ferne?) Zukunft, in der es der Wissenschaft gelungen ist, Nervenschäden der Menschen durch eine Hormontherapie wiederherzustellen. Ein Nebeneffekt der Behandlung: Das Hormon regeneriert den menschlichen Körper nicht nur, sondern erweitert die mentalen Fähigkeiten. Ihr kennt sicher alle die These, dass der Mensch nur einen Bruchteil seiner Hirnkapazitäten nutzt? „Understand“ zeigt auf, was uns erwarten könnte, wenn wir nun tatsächlich 100 Prozent unseres Gehirns nutzen könnten. Anfangs klingt diese Aussicht äußerst verlockend: Eine neue Sprache oder ein Instrument lernen? Klappt quasi über Nacht. Neues Wissen und neue Fähigkeiten aneignen? Schaffst du mühelos nebenbei. Lange To-Do-Listen? Gehören der Vergangenheit an, da du mehrere geistig anspruchsvolle Aufgaben im selben Augenblick erledigen kannst.
Ted Chiang: „Stories of Your Life and Others“, Picador 2014, ISBN: 9781447281986
Alle bisherigen Beiträge zum Leseprojekt:
- Ankündigung bei Phantásienreisen
- Ankündigung bei Miss Booleana
- Erstes Zwischenfazit bei Miss Booleana
Alle Eindrücke und Gespräche zu „Stories of Your Life and Others“ könnt ihr auf Twitter via #StoriesofChiang nachlesen.
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