Wie ihr inzwischen wisst, eröffnet sich mir in den nächsten Tagen ein völlig neuer Lebensabschnitt. Damit verbunden sind diverse Pendelfahrten und resultierend daraus mehr Möglichkeiten, Hörbüchern und Hörspielen zu lauschen. Doch die Audio-Geschichten und ich – wir waren nicht immer die besten Freunde …
Ist es nicht komisch, dass es vielen Erwachsenen schwer fällt, sich auf Hörbücher einzulassen, wo doch fast jeder von uns mit Hörspielen aufwuchs? Auch ich lauschte während der Kindheit ständig Hörspielen auf Kassette: „Fünf Freunde“, „Bibi Blocksberg“, „Benjamin Blümchen“ und Märchen-Hörspiele waren meine Welt. Im Gegensatz zu Filmen, Fernsehserien oder einem gedruckten Buch konnte man diese nämlich auch nachts im Bett, während Auto- und Busfahrten oder Wanderungen genießen – entweder allein oder auch zu zweit mit der besten Freundin. Kurz: Hörspiele waren praktisch und zudem noch sehr unterhaltsam. Damit sollte doch das perfekte Fundament für einen späteren Hörbuchliebhaber geschaffen sein, nicht wahr?
Als Kind der ’80er und ’90er hatte ich zwar bis zum Alter von 12, 13 Jahren genug Hörspielauswahl. Doch für ältere Kinder/Jugendliche war das Angebot an Hörspielen damals mehr als dürftig, um nicht zu sagen: nicht-existent. Hörbücher kamen ebenfalls nicht in Frage, da auch dieser Markt eher klein war und – zumindest in unserer kleinstädtischen Bibliothek – fast nur Krimis erhältlich waren, was mich während meiner Teeniezeit peripher tangierte. Die freundschaftlichen Bande, die in der Kindheit zwischen hörbaren Geschichten und mir geknüpft wurden, wurden nun also radikal durchtrennt.
Etliche Jahre las ich also nur noch selbst, anstatt mir von irgendeinem Sprecher etwas erzählen zu lassen. Als ich während meines Bachelorstudiums bei meinen Eltern auszog und mein Fernseher irgendwann den Geist aufgab, griff ich dann erstmals zu Hörbüchern. Zunächst war ich hochmotiviert, immerhin waren mir die Hörspiele aus der Kindheit in positiver Erinnerung geblieben und so war ich zuversichtlich, dass ich keinerlei Probleme mit Hörbüchern haben sollte. Zum Einstieg probierte ich es mit Demo-CDs von Hörbüchern und Hörspielen, die ich beispielsweise auf Messen erhielt. Ich merkte jedoch schnell, dass meine Gedanken spätestens nach fünf Minuten immer abdrifteten. Hörbuchliebhaber rieten mir während der Hausarbeit zu lauschen – doch auch das funktionierte nicht, denn entweder konzentrierte ich mich nicht mehr auf die Geschichte oder nicht mehr auf die Hausarbeit.
Nach diesen gescheiterten Versuchen legte ich die Hörbücher erst einmal ad acta – zumindest halbwegs. Ich gab sie zwar nicht auf, wollte aber auch nichts erzwingen. Nun hatte ich das Glück, dass der Radiosender MDR Sputnik, in dessen Sendegebiet ich lebte, damals noch nicht so mainstream war wie heute und Literatur noch einen größeren Platz im Programm hatte: Es gab die Literatursendung „Lydias Lesestoff“, die LitPop (ein alljährliches Literaturfestival während der Leipziger Buchmesse, das übrigens noch immer fester Bestandteil des Messeprogramms ist) und das „Sputnik Hörerlebnis“, das den Radiohörern jede Woche Ausschnitte aus einem Hörbuch präsentierte. In den Genuss des „Sputnik Hörerlebnisses“ kam ich – ungeplant – häufig, beispielsweise wenn ich abends noch am Rechner saß oder im Auto unterwegs war. Das ein oder andere Hörbuch konnte mich dabei auch in seinen Bann ziehen. Dadurch stieß ich zunächst auf den ersten Namen eines Sprechers, dem ich gern lauschte (nämlich Oliver Rohrbeck) und später auch auf eine Geschichte, die ich unbedingt in meinem CD-Regal haben wollte (Shalom Auslanders „Eine Vorhaut klagt an“, gelesen von Alexis Krüger). Mit diesen Namen und Titeln im Hinterkopf war meine Motivation für die Lauschliteratur wieder entfacht. Jetzt hatte ich einen Startpunkt und musste nur noch herausfinden, in welchen Situationen ich mich am besten aufs Geschichtenhören konzentrieren kann.
Da ich das „Sputnik Hörerlebnis“ am häufigsten während der Autofahrten mitbekam und die Geschichten in diesen Momenten am besten meine Aufmerksamkeit weckten, startete ich meinen nächsten Hörbuchversuch ebenfalls beim Autofahren – in einer Lebensphase, in der ich täglich pendeln musste und so ausreichend Zeit zum Herantasten an dieses Medium hatte. Tatsächlich erwies sich das Autofahren als ideale Hörbuchgelegenheit. Zwar haben sich inzwischen auch noch andere Situationen als hörbuchgeeignet erwiesen, doch lausche ich noch heute am liebsten im Auto, da hier meine Konzentration am stärksten ist.
Für die Audiogeschichten und mich hat es also nach zwischenzeitlichen Krisen doch noch ein Happy End gegeben. Zum Glück! Andernfalls würde mir auch so einiges entgehen, zum Beispiel könnte ich mich nicht an den wunderbaren neuaufgelegten Hörspielen auf Vinyl erfreuen, die der Hörverlag und Oetinger audio in den vergangenen Jahren auf den Markt gebracht haben.
Für 2015 habe ich mir nun vorgenommen, Hörbüchern und Hörspielen noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen und meine Audiothek auf englischsprachige Produktionen auszuweiten. Ute von buchstapelweise hat nämlich immer ganz wunderbare englischsprachige Hörbuchtipps und in den vergangenen Monaten landete so manches auf meiner Merkliste! Meine englischsprachige Hörbuchpremiere habe ich übrigens seit kurzem auch hinter mir: Steffan Pipers „Greyhound“ erwies sich hierbei gleich als Glückstreffer – nicht nur in Bezug auf Story und Charaktere, sondern vor allem hinsichtlich des Sprechers Nick Podehl, der die Geschichte nicht einfach nur vorliest, sondern regelrecht performt! Er spielt derart mit Slang, Stimmfarben und -höhen, Lautstärken, Effekten und Betonungen, dass ich mich fühlte wie im Kino. Weiterer Pluspunkt: Bei „Greyhound“ und vielen anderen (englischsprachigen) Hörbuchtiteln bieten Audible und Amazon seit vergangenem Jahr die Funktion Whispersync for Voice an, was bedeutet, dass sich E-Book und Hörbuch untereinander synchronisieren und man so bequem zwischen den beiden Medien wechseln kann – ich kann also abends im Bett selber lesen und am nächsten Tag unterwegs einfach mit dem Hörbuch an der Stelle einsetzen, an der ich am Vorabend pausiert habe!
Nachdem sich meine Hörmotivation dadurch aktuell auf einem Höhepunkt befindet und ich – wie erwähnt – in den kommenden Monaten mehr Zeit zum Hören haben sollte, spiele ich nun seit ein paar Wochen mit dem Gedanken, ein Audible-Abo abzuschließen. Hierfür spricht nicht nur der preisliche Vorteil (statt zum Beispiel regulär 15 € oder 25 € für ein Hörbuch würde ich nur 9,95 € zahlen), sondern auch, dass man das Abo jederzeit kündigen kann – sollte ich also in drei oder vier Monaten plötzlich weniger Zeit für Hörbücher haben oder einfach mal etwas Abstand zum gesprochenen Wort benötigen, kann ich aus dem Abo aussteigen. Eigentlich ideal. Ich werde wohl nicht mehr lange zögern und bald regelmäßiger in Lauschliteratur versinken.
Geplauder