Rund ein Monat ist vergangen, seit ich wieder in den heimischen Gefilden gelandet bin. Das Reisen per Kutsche, Zug und Schiff gehört (vorerst) der Vergangenheit an und die letzten Wochen nutzte ich, um die gesammelten Eindrücke zu verarbeiten. Zwei Monate schipperte ich über die Ozeane, kämpfte mich durch Wälder und Berge und versuchte, so viel wie möglich zu entdecken. An meiner Seite hatte ich Wissenschaftler, Seefahrer, Schriftsteller und andere Reisende. Ein jeder von ihnen setzte dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Manche interessierten sich vor allem für das Leben der (Ur-)Einwohner und die Kultur der Region, andere legten Schwerpunkte auf Architektur und für manche schienen die Umstände und Beschwerlichkeiten der Reise relevanter zu sein als die besuchten Orte selbst.
Am meisten genoss ich das Reisen mit Oscar Wilde, der mir erneut bewies, welch begnadeter Erzähler er war. Mit Wilde war es mir am besten möglich, das besuchte Land (in diesem Fall die USA) wirklich kennenzulernen, da das Reisen mit dem Schriftsteller am facettenreichsten war. Außerdem hat der Ire einen wunderbaren Humor und ich liebte jeden seiner Kommentare zu dem Gesehenen und Erlebten. Wäre es mir möglich gewesen, noch länger mit Wilde unterwegs zu sein, hätte ich wohl ohne zu zögern die nachfolgenden Reisen abgesagt.
Doch nicht mit jedem Gefährten war das Reisen so wunderbar wie mit Oscar Wilde. Der ein oder andere vertrat Ansichten oder tat Dinge, die meinen Werten sehr zuwiderliefen. Bei manchen Reisenden hingegen habe ich mich zwischenzeitlich sogar etwas gelangweilt, beispielsweise weil sie sich auf Dinge fokussierten, die mich weniger interessierten, während sie anderen Aspekten, über die ich gerne mehr erfahren hätte, weniger Beachtung schenkten.
Abgesehen davon fielen mir in den Aufzeichnungen der Reisenden gelegentlich auch Fehler auf. So schrieb Hans Staden, dass er im April 1548 in Portugal eintraf, von wo aus er nach Marokko und Brasilien aufbrach. Im Januar 1548 soll er einen Hügel in der Nähe von Kap Sankt Augustin (Cabo de Santo Agostinho) gesichtet haben und kurz darauf in Brasilien an Land gegangen sein – demnach müsste Hans Staden Brasilien erreicht haben, noch bevor er überhaupt zu der Reise dorthin aufbrach! Ein weiterer Fehler fand sich bei den Daten der Familie Polo: Marco Polo wurde 1254 geboren. Sein Vater Nicolao und dessen Bruder sollen laut “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch” jedoch bereits 1250 aufgebrochen sein und kamen erst nach neun Jahren zurück in ihre Heimat – in dem Falle könne Marco weder Nicolaos Sohn sein, noch das genannte Alter von 15 Jahren erreicht haben, als Nicolao und sein Bruder von ihrer neunjährigen Reise zurückkehrten. Ein wenig Recherche ergab entsprechend auch, dass die Brüder Polo nicht im Jahr 1250, sondern 1260 aufbrachen.
Nichtsdestotrotz war das Projekt „Literarische Weltreise“ eine sehr interessante, vielfältige Erfahrung, die sich sehr von meinem sonstigen Leseverhalten unterschied. Auch lernte ich es während des Projektes zu schätzen, Notizen zum Gelesenen anzufertigen. Normalerweise mache ich mir während der Lektüre eines Buches keine Notizen, sondern markiere höchstens für mich wichtige Stellen. In den vergangenen Monaten habe ich jedoch gemerkt, dass sich durch das Notieren wichtiger Aspekte und das Zusammenfassen nicht nur eine wunderbare Möglichkeit ergibt, das Gelesene später für meine Blogbeiträge aufzugreifen, sondern dass ich hierdurch auch bewusster lese bzw. das Gelesene noch stärker reflektiere. Dennoch werde ich in Zukunft wohl nicht auf regelmäßige Notizen zurückgreifen: Zum einen möchte ich die Papierberge vermeiden, die hierdurch entstünden, zum anderen kostet das schriftliche Festhalten auch viel Zeit und reißt mich jedes Mal zu sehr aus der Geschichte heraus.
Über die literarische Weltreise: Im Juli und August 2014 reiste ich mittels des Fischer Klassik-Titels “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch” durch die ganze Welt. Geschichten, Aufsätze, Briefe und Tagebucheinträge von Entdeckern, Forschern und Schriftstellern sollten mir dabei Land und Leute nahe bringen. Was ich mit den berühmten Reisegefährten erlebte, schickte ich jede Woche per digitaler Flaschenpost ins WWW-Meer. Alle Beiträge zum Projekt könnt ihr hier nachlesen.
Geplauder