Nach meinem Aufenthalt in Asien begebe ich mich schnurstracks nach Neuseeland, wo ich an Bord der Resolution gehe, mit der Captain James Cook seine zweite Weltumsegelung unternimmt. Auf dem Schiff hefte ich mich an die Fersen des nicht mal zwanzigjährigen Georg Forster. Doch schon bald bereue ich, mich Cook und Forster angeschlossen zu haben: An Bord brechen Krankheiten aus (einige Mitreisende leiden beispielsweise unter Skorbut) und auch das Verhalten meiner Reisegefährten schockiert mich. Unterwegs ziehen mehrfach Gruppen unterschiedlichster Walarten an uns vorüber und die Crew der Resolution schießt wieder und wieder auf die armen Tiere. Die Offiziere sind sogar so dreist, ihren eigenen Hund zu töten und zu verspeisen, obwohl es an Bord nicht an Nahrung mangelt. Auch Forster verzehrt das Fleisch des Hundes und ist sogar der Ansicht, dass Hunde sich vortrefflich als Nahrungsmittel eignen. Mich macht das Gebaren der Schiffscrew indes nur sprachlos und die schön anzusehenden Regenbögen, die sich während der Schiffsreise des Öfteren am Horizont abzeichnen, können mir die Zeit an Bord der Resolution nicht angenehmer machen. Daher bin ich mehr als glücklich, als wir Tahiti erreichen und ich mich von Forster verabschieden kann.
Auf Tahiti, genauer gesagt in Matavai-Bai, treffe ich mich mit niemand geringerem als Charles Darwin, der gerade vom Galapagos-Archipel angereist ist. In den folgenden Tagen erkunden wir gemeinsam das Landesinnere, wobei wir durch die Schluchten der Insel wandern und sogar in jenen übernachten. Auch die Einwohner Tahitis lernen wir näher kennen. Darwin findet vor allem Gefallen an ihren Tätowierungen, die – ebenso wie die tahitianischen Frisuren – modischen Trends unterliegen: Jede Generation ist von einer anderen Tattoo-Mode geprägt; die Haut der jungen Tahitianer zieren andere Muster als die ihrer Großeltern – „[a]uf diese Weise trägt ein alter Mann für immer den Stempel seiner Zeit auf seinem Körper“ (Charles Darwin: „Tahiti und Neu-Seeland“ In Patrick Hutsch (Hrsg.), “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch”, Fischer Taschenbuch Verlag 2012, S. 240). Doch es ist nicht nur die optische Erscheinung, die Darwin fasziniert, auch die Moral und Religiosität der Tahitianer lobt der Wissenschaftler – womit er natürlich nur meint, dass die Tahitianer den christlichen Glauben, den ihnen die Missionare lehren, vorbildlich angenommen haben und ausüben.
Keine zwei Wochen nach unserer Ankunft auf Tahiti brechen Darwin und ich auch schon wieder auf. Nach fast einem Monat auf See erreichen wir Neuseeland, wo wir in der kleinen Missionarssiedlung Pahia an Land gehen. Auch hier wollen Darwin und ich das Landesinnere erforschen, allerdings ist die Insel derart mit Farnkraut und Gebüsch bewachsen, dass das Wandern schwer möglich ist. Wir beschließen daher, am Strand entlangzugehen, um die Insel zu erkunden. Doch auch das erweist sich alles andere als leicht, da unser Weg immer wieder von tiefen Bächen und Buchten gekreuzt wird. Allerdings gelingt es uns, die sogenannten Pas zu entdecken – Berge, die einst während der Kriege der Einwohner von großer Bedeutung waren. Später reisen Darwin und ich in den Ort Waimate – ein Stück Land, das fünf Jahre zuvor von Missionaren zur landwirtschaftlichen Nutzung erworben wurde. Dass auf dem Land, das vor fünf Jahren noch gänzlich wild bewachsen war, nun Obst und Gemüse in Hülle und Fülle wachsen, sich sogar eine Schmiede, Ställe und andere landwirtschaftliche Geräte und Gebäude befinden, versetzt Darwin in Staunen. Waimate erinnert meinen Reisegefährten an England und er kommt aus dem Schwärmen über die Entwicklung des Ortes kaum heraus. Mit Ausnahme Waimates kann Darwin sich in Neuseeland jedoch für nichts begeistern. Beispielsweise findet er an den Einwohnern bei Weitem nicht so viel Positives wie an den Tahitianern. Als wir neun Tage nach unserer Ankunft auf Neuseeland nach Sydney aufbrechen, ist Darwin sogar froh, nicht länger auf Neuseeland weilen zu müssen. Ich für meinen Teil habe durchaus Gefallen an dieser grünen Insel gefunden und hoffe, irgendwann zurückkehren zu können.
In Australien angekommen fahre ich nach Adelaide, wo ich Otto E. Ehlers begegne. Ehlers hat sich spontan dazu entschlossen, nach Samoa zu reisen, nachdem er in mehreren Zeitungen über die Inselgruppe gelesen hatte. Auf dem Weg dorthin hat er nun Halt in Australien gemacht und in den kommenden Tagen werden wir gemeinsam durch den Kontinent fahren. Dabei machen wir unter anderem Station in Melbourne, das von den Einwohnern als schönste Stadt der Welt angesehen wird. Ehlers kann sich mit Melbourne jedoch nicht so recht anfreunden, da ihm die Stadt zu modern ist. Er findet mehr Gefallen an Sydney, das deutlich schmalere Straßen und ältere Gebäude aufweist als Melbourne. Nichtsdestotrotz ist Ehlers der Meinung, dass Melbourne „unstreitig eine Stadt [ist], auf die jeder europäische Staat stolz sein könnte“ (Otto E. Ehlers: „Samoa“ In Patrick Hutsch (Hrsg.), “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch”, Fischer Taschenbuch Verlag 2012, S. 266).
Während der Reise durch Australien will Ehlers wissen, wie die zugezogenen Deutschen hier leben – und zeigt sich enttäuscht von dem, was sich ihm eröffnet. Die hier lebenden Deutschen sprechen im Alltag auch Englisch, einige von ihnen unterhalten sich auch untereinander ausschließlich auf Englisch. Wir würden das heute als Zeichen einer guten Integration sehen – Ehlers indes lässt kein gutes Haar an diesem Verhalten. Auf dem Kontinent gibt es jedoch ein paar deutsche Dörfer, beispielsweise das nahe Adelaide gelegene Hahndorf, welches Ehlers und ich auch besuchen. In diesen Dörfern wird ausschließlich Deutsch geschrieben und gesprochen; die Englischkenntnisse der Bewohner halten sich arg in Grenzen. Über diese Dörfer schwärmt Ehlers unentwegt und er ist tatsächlich der Ansicht, dass auf ihre Bewohner, die sich so vom restlichen australischen Leben ausgrenzen, stolz zu sein wäre! Ginge es nach ihm, müssten alle in Australien lebenden Deutschen kein Wort Englisch sprechen. Als sich unsere Wege später trennen, bin ich daher nicht traurig über den Abschied von meinem Reisegefährten, dessen Ansichten sich so von meinen unterscheiden. Stattdessen freue ich mich auf die letzte Station meiner Weltreise: Afrika.
Über die literarische Weltreise: Ab Juli 2014 möchte ich mittels des Fischer Klassik-Titels „Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch“ die ganze Welt bereisen. Geschichten, Aufsätze, Briefe und Tagebucheinträge von Entdeckern, Forschern und Schriftstellern sollen mir dabei Land und Leute nahe bringen. Was ich mit den berühmten Reisegefährten erlebe, lasse ich euch jede Woche per digitaler Flaschenpost wissen.
Sei froh, dass du Herrn Ehlers nicht nach Papua-Neuguinea begleitet hast, sonst währst du auch im Topf gelandet (Er und seine Begleiter fielen vermutlich dem Hungerkannibalismus, verübt durch seine gequälten Helfer einer sehr schlecht vorbereiteten Expedition zum Opfer).
LG
Da hast du natürlich vollkommen Rech – unter den Umständen hätte meine Reise ein früheres Ende genommen als erwartet ;)
Wäre echt schade um die schönen Reiseberichte. Viel Spaß noch dabei!
lg
Wow, ist das spannend!!!
Liebste Grüße,
Kasia