Unzählige Kritiken im Netz lobten Naomi Noviks Auftakt zur Reihe „Die Feuerreiter seiner Majestät“. Ich selbst muss mich jedoch in die kleine Riege jener einreihen, die von „Drachenbrut“ enttäuscht waren. Dabei hat das Buch durchaus seine Stärken. Allein die Idee, Drachen als Teil eines Heeres gegen Napoleon in die Schlacht ziehen zu lassen, ist gut und hebt sich von anderen Drachengeschichten ab. Allerdings war mir die Umsetzung dann doch zu zäh.
„Drachenbrut. Die Feuerreiter seiner Majestät 1“ lässt sich grob dreiteilen: Zu Beginn lernen wir Kapitän Will Laurence und den Drachen Temeraire kennen, der an Bord von Laurences Schiff schlüpft. Laurence ist fortan verantwortlich für den Drachen, der auf Grund seiner schwarzen Farbe und der ungewöhnlichen Größe von keinem der Schiffsleute einer der bekannten Drachenrassen zugeordnet werden kann. Lange Zeit begleiten wir Laurence und Temeraire an Bord: Wir sehen den Drachen heranwachsen, erleben seinen ersten Flug und beobachten, wie sich zwischen beiden eine sehr enge Freundschaft entwickelt. Im zweiten großen Handlungsabschnitt finden wir uns mit beiden im Trainingslager wieder: Dort soll Temeraire gemeinsam mit anderen Drachen auf den Kriegseinsatz vorbereitet werden. Das letzte Drittel dreht sich schließlich um die Schlacht von Dover.
Obwohl all dies viel Potenzial bietet, kam für mich an keiner Stelle wirkliche Spannung auf bzw. wenn, dann immer nur für einen kurzen Augenblick. Der erste Band der Reihe „Die Feuerreiter seiner Majestät“ erschien mir stattdessen wie eine viel zu lange Einleitung für die Folgebände. Selbst alltägliche oder wiederkehrende Ereignisse (z. B. das Füttern der Drachen) wurden mit größter Ausführlichkeit beschrieben. An vielen Stellen hätte ich mir gerne mehr Tempo oder mehr Ereignisse gewünscht, obwohl ich generell auch Geschichten mit ruhigem Erzählstil mag – hier erschien mir diese Langsamkeit jedoch nicht passend, sondern nur unglaublich anstrengend und ermüdend. Insbesondere die stundenlange Beschreibung der Schlacht hätte ich gerne in zusammengeraffter Form präsentiert bekommen, anstatt jede Bewegung, jede Handlung und jeden Gedanken detailliert zu erfahren.
Naomi Novik nimmt sich daneben sehr viel Zeit, um den Lesern die Welt der Drachen nahe zu bringen. Die Entwicklung und Darstellung der verschiedenen Drachenarten kann dabei sehr überzeugen. Auch die Schilderung der Freundschaft zwischen Laurence und Temeraire ist gut gelungen. Allerdings blieben die Nebencharaktere nur Schatten für mich. Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Figuren sehr blass, was sie beliebig austauschbar macht. Daher hatte ich während des ganzen Buches Probleme, die Namen den jeweiligen Personen oder Drachen zuzuordnen. Zudem erschien mir Temeraire nicht immer glaubhaft. Da er einer chinesischen Rasse angehört, zählt er zu den weisesten Drachen der Welt. Manchmal kam mir seine Denk- und Sprechweise jedoch sehr naiv und ein wenig dümmlich vor. Natürlich ist Temeraire noch nicht sehr alt, doch da während des ganzen Handlungsverlaufs keinerlei Entwicklung diesbezüglich festzustellen war, gehe ich nicht davon aus, dass sich dies in den Folgebänden noch ändert. Gefallen hat mir jedoch, dass Naomi Novik den Drachen auch Empfindungen wie Unsicherheit und Eifersucht zuschrieb, die ich so bisher eher weniger aus Drachengeschichten kenne.
Positiv hervorheben möchte ich zudem die Umsetzung als Hörbuch: Einerseits ist dieses als gekürzte und ungekürzte Version erhältlich, was ja eher selten vorkommt. Andererseits ist Detlef Bierstedt wirklich ein passender Sprecher. Nicht nur hat er eine Stimme, der selbst nach über sechs Stunden noch angenehm zuzuhören ist, sondern er variiert auch viel mit Stimmlage und Aussprache, um in die unzähligen Figuren etwas mehr Individualität zu bringen.
Fazit:
Wer sich an stundenlangen Beschreibungen von Schlachten, Nichtigkeiten und immer wiederkehrenden Ereignissen sowie an einer Vielzahl flach gezeichneter Charaktere nicht stört, wird sich für Naomi Noviks „Drachenbrut. Die Feuerreiter seiner Majestät 1“ vielleicht begeistern können. Wer auf der Suche nach einem Spannungsverlauf und Vielschichtigkeit ist, sollte von dem Serienauftakt aber eventuell die Finger lassen. Zwar überzeugt „Drachenbrut“ durch seine Darstellung der Drachen, durch die Freundschaft zwischen Laurence und Temeraire und nicht zuletzt durch die Hörbuchumsetzung, ansonsten wurde jedoch viel Potenzial der eigentlichen Idee vergeudet.
Geplauder