Wormworld SagaBereits vor ein paar Monaten wurde ich auf Daniel Lieskes Graphic Novel „Die Wormworld Saga“ aufmerksam. Allerdings konnte ich mir damals nur online einen ersten Eindruck verschaffen und blieb zunächst noch unentschlossen, ob dieser Comic etwas für mich wäre. Gestern nun sah ich das Buch zufällig in einem Geschäft und hatte die Möglichkeit, mir das gedruckte Exemplar näher anzuschauen. Beim kurzen Durchblättern entdeckte ich, dass die Schule, die Protagonist Jonas besucht, nach Michael Ende benannt wurde. Allein das war wie ein gutes Omen für eine Leserin, deren Blogtitel auf Endes wohl berühmtestes Werk zurückgeht und ich las zwei Seiten probe. Kurz darauf schlenderte ich mit „Die Wormworld Saga, Band 1: Die Reise beginnt“ nach Hause und begann zu lesen. Nach etwa 90 Minuten hatte ich die Graphic Novel durch und war glücklich ob meiner Kaufentscheidung. Denn nicht nur war Michael Ende Namensgeber für die fiktive Grundschule, sondern auch sonst griff Autor und Zeichner Daniel Lieske auf Elemente klassischer Werke der Phantastik zurück, wie man sie unter anderem aus „Die unendliche Geschichte“ oder Lewis Carrolls „Alice“-Büchern kennt:

Protagonist Jonas ist ein Träumer, der sich aus Schule wenig macht, ein Talent fürs Zeichnen hat und vor Fantasie nur so überquillt – zum Missfallen seines alleinerziehenden Vaters, der den zehnjährigen Jungen lieber mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen sähe. Doch Jonas lebt weiter in seiner eigenen Welt, die sich jedes Jahr zu den Sommerferien besonders gut entfalten lässt. Dann verbringt er die sechs freien Wochen gemeinsam mit seinem Vater bei seiner Oma auf dem Land. Dort verlebt er eine Kindheit, wie sie nur jenseits der Großstädte möglich ist und wie sie wohl viele von uns verlebten – damals als der kindliche Alltag nicht durch Handys und Computer geprägt wurde, als eine Wiese und ein paar Bäume zu einem immer wechselnden Abenteuerland wurden, als Dachböden regelrechten Schatztruhen voller Geheimnisse gleichkamen und unsere Vorstellungskraft grenzenlos war.  Allein dafür, dass Daniel Lieske die Leser so in ihre eigene Kindheit zurückholt, möchte ich für den ersten Band der Wormworld Saga schon eine Leseempfehlung aussprechen.

Der Sommer des Jahres 1977 soll für unseren Helden Jonas jedoch noch mehr bereithalten, als seine bisherigen unbeschwerten Kindheitserlebnisse: Auf dem Dachboden entdeckt er zufällig ein Gemälde, das als Portal in eine magische Welt dient. Doch nachdem Jonas dieses durchschritten hat, muss er ziemlich schnell feststellen, dass die wirklichen Abenteuer, die dort auf ihn lauern, viel gefährlicher sind als seine imaginären.

So klassisch die wesentlichen Elemente in „Die Wormworld Saga“ sind, so modern ist die Umsetzung: Grafisch erinnern die Bilder bisweilen an Animationsfilme und Fantasy-Spiele, was kaum verwunderlich ist, war Daniel Lieske bis zum Erfolg der Wormworld Saga doch hauptberuflich für einen Computerspiel-Entwickler tätig. Zugegeben, für mich war dieser optische Stil etwas völlig Neues, da ich bisher vorwiegend Graphic Novels las, die nicht digital, sondern analog gezeichnet wurden. Doch ich gewöhnte mich schneller als gedacht daran – nicht zuletzt durch die gute Umsetzung, die sehr viel Liebe zum Detail aufweist. Die Illustrationen und Erzählweise in „Die Wormworld Saga“ haben etwas sehr Filmhaftes an sich, beispielsweise was die Bildausschnitte und Perspektiven angeht. Die Rezeption erfolgt weit über den eigentlichen Bildinhalt hinaus: Statt eines starren Bildes, setzt der Kopf lauter kleine Sequenzen zusammen – vor dem inneren Auge fangen die Figuren an, sich zu bewegen und die gesamte Umgebung um sie herum scheint zum Leben zu erwachen. Damit gelingt Daniel Lieske mit jeweils nur einem Bild das, wofür in einem Film 24 Bilder pro Sekunde notwendig wären.

Der Zeichner veröffentlichte die Kapitel seiner Wormworld Saga zunächst online, wo sie schnell eine große Fangemeinde fanden. Für Tablet-PCs mit Android- oder iOS-Betriebssystem wurde zusätzlich eine kostenlose App entwickelt. Im vergangenen Herbst erschien Jonas‘ Abenteuer schließlich auch in gedruckter Form bei Tokyopop. Band 1 beinhaltet die ersten drei von insgesamt 20 geplanten Kapiteln der Graphic Novel-Reihe. Die Erstauflage kommt mit einem exklusiven Druck, der Jonas kurz vor seinem Aufbruch in die magische Welt zeigt. Abgerundet wird das Leseerlebnis durch Hintergründe zum Entstehungsprozess, Auszüge aus Lieskes Skizzenbuch und ausgewählte Fan-Art.

Fazit:

Daniel Lieske ist mit „Die Wormworld Saga, Band 1: Die Reise beginnt“ nicht nur eine wunderbare Geschichte für kleine und große Leser gelungen, sondern vor allem auch eine gekonnte Kombination klassischer Fantasy-Elemente mit modernem, digitalem Zeichenstil. Zu recht avancierte die Geschichte um Jonas online zu einem derart großen Erfolg.