Ronar, der einst von allen verspottete, in sich gekehrte Junge, ist inzwischen 15 Jahre alt und hat im Reich der Elthen ein neues, wohlbehütetes Zuhause gefunden. Besonders die kleine Mané, jüngste Tochter Athanians, ist dem Findeljungen wie eine eigene Schwester. Es scheint, als wäre Ronars Leben nun vollkommen. Doch in diesem harten Winter wird das harmonische Leben gestört, denn der Burgvogt Tarst, der früher Ronars Vater Elaran diente, hat einen Auftrag zu erfüllen: Sein Meister, der dem Leser zunächst unbekannt bleibt, ist mit dem Verlauf der Geschichte alles andere als zufrieden und möchte daher die Zeit zurückdrehen. Mit Erfolg. Als sich im Reich der Elthen alles in Nichts auflöst, begreift Athanian schnell und reicht seiner Tochter Mané drei magische Ähren – die einzige Hoffnung auf eine Rückkehr ins Hier und Jetzt.

Im nächsten Moment befindet sich der Leser gemeinsam mit Ronar wieder im Dorf. In der veränderten Zeit fanden die bekannten Abenteuer nicht statt und es scheint, als hätte sich die Welt zu einer schlechteren gewandelt: Ronar lebt mit 15 Jahren noch immer bei der Familie des Schmieds und ist wieder der verspottete Einzelgänger; die Elthen leben unfrei und sind zum Fällen der von ihnen so geschätzten Bäume gezwungen; Athanian ist verstorben und sowohl die Menschen als auch die Elthen leiden unter der grausamen Herrschaft des Schwarzen Königs, der in dieser Zeit jedoch nicht Elaran ist. Eines Tages schließlich entdeckt Ronar eine der drei magischen Ähren in seiner Tasche. Fortan nimmt der Hohn gegenüber dem Findeljungen ein Ende und sowohl Ronar als auch dessen Ziehschwester Irith haben Visionen aus der alten Zeit. Denn wenn die richtige Zeit wiederhergestellt werden soll, müssen der Findeljunge und seine Weggefährten sich an diese erinnern und eine Prophezeiung erfüllen. Unterstützung erhalten sie dabei vom Geist Manés, die in dieser Welt nie geboren ist. Doch nicht nur der Schwarze König will Ronar daran hindern, auch die Zeit selbst ist zum Feind geworden.

Im dritten und finalen Band von Anke Höhl-Kaysers Reihe um den besonderen Findeljungen ist unser Held ebenso starken Prüfungen unterlegen wie zu Beginn seiner abenteuerlichen Reise. Der ganze Weg, den Ronar während der letzten Jahre gegangen ist, scheint hinfällig geworden, ist sein Leben in der neuen Zeit doch ebenso traurig wie zu Beginn des ersten Bandes. Erneut ist er Grausamkeiten ausgesetzt und von seiner Ziehfamilie nicht geliebt. Wieder ist er ein dünner, schwacher Einzelgänger ohne Selbstvertrauen. All dies muss Ronar von Neuem erleben und sich sein wirkliches Wesen wiederholt hart erkämpfen. Nein, die Zeit hat es auch in diesem Leben nicht gut mit ihm gemeint. Doch durch die jüngsten Ereignisse nimmt Ronar sein Leben wieder selbst in die Hand und so sehen wir den Findeljungen noch einmal aufs Neue reifen und an seinen Aufgaben wachsen. „Drei Ähren“ erinnert seine Leser daran, was die Herkunft, aber auch die eigenen Entscheidungen für das Wesen eines Menschen ausmachen; dass alles, was wir je erlebten, uns zu dem machte, wer wir sind – die guten Dinge ebenso wie die schlechten. Doch die Geschichte gemahnt auch daran, dass es nicht das eine Schicksal gibt, sondern wir dieses mit unseren Taten und Entscheidungen selber beeinflussen und jederzeit gänzlich ändern können. Und so wie auch ursprünglich gutherzige Personen einen schlechten Weg einschlagen können, hat auch jeder die Chance, sein Leben zum Besseren zu wandeln. Auf diese Weise appelliert die Geschichte des dritten Bandes der Ronar-Saga auf ihre ganz eigene, unscheinbare Weise daran, sich selbst nie aufzugeben und auch jenen, die durch ihr Taten in Ungnade gefallen sind, zu verzeihen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fehler wieder gut zu machen. Daneben handelt die finale Geschichte von der Bedeutung der Erinnerung. Denn wer die Gegenwart verstehen will, muss sich der Vergangenheit bewusst sein und darf nicht vergessen.

„Drei Ähren“ führt in seiner Geschichte die einzelnen Elemente aus den vorangehenden Bänden geschickt zusammen: Wie in Band 2 spielen auch im finalen Buch Veränderungen der Zeit eine Rolle, gleichzeitig wird auf die in „Zwei Welten“ verwendeten Science-Fiction nahen Elemente verzichtet – statt dessen folgt die Geschichte im letzten Band wieder stärker dem klassischen Fantasy- und Abenteuerstil, den die Leser noch aus dem ersten Buch kennen. Auch werden bestimmte Symbole, Personen und Wesen der beiden Vorgänger im Finale aufgegriffen. Sogar ein Wiedersehen mit der warmherzigen Kapitänsfamilie, die der Leser im zweiten Band kennen und lieben lernte, gibt es in „Drei Ähren“ – wenn auch leider nur kurz. So schließt sich der Kreis um Ronar und seine Abenteuer perfekt. Der finale Band ist dabei ebenso wie sein Protagonist gereift: Die Sprache ist im dritten Buch der Reihe deutlich erwachsener und die Komplexität der Handlung höher als in Band 1. So wächst die Ronar-Reihe mit, wenn ihr junges Publikum älter wird.

Als Leser lohnt sich daneben auch ein gründlicher Blick auf das Cover, dessen einzelne Elemente im Laufe der Geschichte entscheidende Rollen spielen.

Fazit:

„Ronar. Drei Ähren“ birgt eine Vielzahl an Abenteuern und Wendungen und bildet so einen spannenden Abschluss der Ronar-Reihe. Anke Höhl-Kayser ist es in ihrer Trilogie dabei gelungen, ihre Charaktere weiterzuentwickeln und diese sich trotzdem treu bleiben zu lassen. Die einzelnen Bücher rund um den Findeljungen bilden dabei nie eine bloße Wiederholung ähnlicher Abenteuer, wie man dies oft in anderen Reihen erleben kann, und so hat jeder Band seine eigene Besonderheit, was das Lesen der Ronar-Reihe abwechslungsreich und gleichbleibend spannend macht.

Für die Bereitstellung der Rezensionsexemplare und die Teilhabe an Ronars Abenteuern bedanke ich mich von ganzem Herzen bei Anke Höhl-Kayser!  Möge der Findeljunge noch viele weitere Weggefährten finden!