Erst Anfang dieses Jahres habe ich die Abenteuer von Spirou, Fantasio und Pips für mich (wieder)entdeckt und schon legt der Carlsen Verlag ein wahres Highlight vor: Anlässlich des 80-jährigen Bestehens der frankobelgischen Serie durfte mit Flix nicht nur einer der besten deutschen Comickünstler einen Spirou-Band zeichnen, sondern überhaupt erstmals ein deutscher Zeichner.
Mit „Spirou in Berlin“ holt Flix die Helden ins Ostberlin der späten ’80er Jahre. Graf von Rummelsdorf verschwindet plötzlich nach einer Einladung zu einem Mykologen-Kongress, die er eigentlich ablehnen wollte. Hat er seine Meinung geändert? Oder wurde er womöglich entführt? Fantasio, der sich endlich mit einer Titelstory rühmen möchte, sieht seine Chance gekommen. Sofort brechen er, Spirou und Eichhörnchen Pips auf in die DDR. Dort scheint für Fantasio zunächst alles friedlich zuzugehen, die Menschen scheinen glücklich zu sein. Dass dieser Schein trügt, erleben er und seine Freunde jedoch schnell am eigenen Leib. Nicht selten überstehen sie brenzlige Situationen nur dank der Ost-Berlinerin Momo, die Zootiere rettet und sich für ein friedliches, vereintes Deutschland einsetzt.
Man merkt „Spirou in Berlin“ sofort an, dass es sich um ein Werk von Flix handelt. Sein typischer Humor kommt ebenso zu tragen wie die seinen Figuren und Handlungen anhaftende Lebendigkeit und Lässigkeit. Auch optisch erhielten Spirou und Co. ein modernes, Flix’sches Makeover. Doch obwohl der Comic stark Flix‘ Note trägt, lässt er nicht die typischen Charakteristika der Spirou-Comics vermissen. So ist ein Band entstanden, der der Serie treu bleibt, aber trotzdem etwas ganz Eigenständiges ist. Mir persönlich gefällt dieses Ergebnis so gut, dass ich gerne mehr Spirou-Abenteuer aus Flix‘ Feder hätte.
Neben den bewährten Stärken der Spirou-Comics überzeugt der Jubiläumsband durch wunderbare Querverweise auf Alltag und Popkultur in der DDR: Es gibt Broiler, Lolek und Bolek, das Leipziger Messemännchen, den kleinen Maulwurf und das Sandmännchen mit seinen diversen Freunden (lediglich der coole Plumps fehlt). Sogar eine Hommage an Mawils „Kinderland“ findet sich.
Erzählt wird Spirous und Fantasios Zeit in der DDR überwiegend in den klassischen Zeilen-Panels. Hin und wieder wird diese starre Struktur aber dramaturgisch clever durchbrochen. So fliegt beispielsweise ein Trabi durch die Panels und unsere Helden klettern quer über die Seite durch Luftschächte.
Sprachlich und humoristisch ist „Spirou in Berlin“ immer genau auf den Punkt und vermittelt in wenigen Sätzen viel Charakteristisches über Politik im Allgemeinen und die DDR im Besonderen: Die Pionier-Losung „Seid bereit!“ hat man nicht zu hinterfragen und als Antwort auf alle Probleme bieten sich grundsätzlich Schnaps, Bananen und Krieg an („Krieg geht immer“).
Nicht fehlen darf natürlich Sidekick der heimliche Star Pips, der im Hintergrund gerne irgendwelchen Unfug anstellt oder auf seine ganz spezielle Art versucht, zu helfen. Dank „Spirou in Berlin“ wünsche ich mir nun sogar eine eigene Comic-Reihe rund um das legendärste Eichhörnchen aller Zeiten.
Fazit:
Typisch Flix + typisch Spirou = genial. Unbedingt lesen!
Flix: „Spirou in Berlin“ (Farben: Marvin Clifford mit Ralf Marczinczik), Carlsen Verlag 2018, ISBN: 978-3-551-72115-0
Habe neulich in einem Literaturpodcast schon davon gehört und finde es auch extrem cool, dass ein deutscher Zeichner ran durfte – und das zum Jubiläum. :D Ist zwar nicht so mein Zeichenstil, aber es ist absolut eine Ehre und ich freue mich für Flix.
Wie – Flix‘ Stil trifft nicht deinen Geschmack? Wie geht das denn? :-O *Skandal*
;)
Im Ernst: Der Stil muss natürlich gefallen, ansonsten kann auch die beste Geschichte nicht „abholen“. Mir geht es da nicht anders. Allerdings entgeht dir bei Flix wirklich etwas. Aber wer weiß, was ich schon alles verpasst habe, weil mir der Stil nicht zusagte…