Fortsetzungen bespreche ich nur sehr selten. Eine der wenigen Reihen, über die ich jedoch wieder und wieder schreiben könnte, sind die Abenteuer der Fuchskinder Milchzahn und Stinkefuß. Das liegt zum einen an Daniel Bauers Illustrationen, die mich jedes Mal aufs Neue sprachlos machen. Zum anderen sind die Geschichten wunderbar erzählt, indem sie gekonnt die kindliche Unbeschwertheit und Neugier einfangen. Mit „Was für ein Zirkus“ hat die Kinderbuchreihe nun ihren dritten Band erreicht – und damit auch ihren bisher besten.
Bereits als ich das Buch zum ersten Mal in die Hand nahm, fiel auf, dass die Reihe um Milchzahn und Stinkefuß mit „Was für ein Zirkus“ eine immense Weiterentwicklung erfahren hat und mit seinem Publikum regelrecht mitwächst. Verglichen mit den beiden Vorgängern ist der dritte Band nahezu doppelt so dick und kommt erstmals mit einem Schutzumschlag daher, der sich noch dazu als Wendecover entpuppt. Auf der Rückseite finden sich ein Metermaß und abwechslungsreiche Informationen zu verschiedenen Tieren. So trifft man zum Beispiel auf Nebelpader und erfährt, wie clever Orang-Utans sind.
Das neue Abenteuer der beiden Fuchsjungen, das wie schon der zweite Band von Holger Lindemann erzählt wird, ist insgesamt etwas komplexer gestaltet und greift verschiedene Themen auf, die direkt aus dem Leben der Zielgruppe stammen bzw. bei dieser besonders beliebt sind. So erleben wir Streit unter Geschwistern, Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt und Mut. Wir erhalten Einblicke in die Gedanken der verschiedenen Tiere, die Teil eines Zirkus sind. Einige von ihnen wurden bereits in Gefangenschaft geboren und kennen nichts anderes als das Leben im Zirkus. Die meisten der Tiere jedoch lebten einst in Freiheit und sehnen sich nach ihrem alten Leben zurück. Damit bietet „Milchzahn & Stinkefuß – Was für ein Zirkus“ auch viele Gesprächsanlässe zwischen Erwachsenen und Kindern, ohne dabei jedoch Spaß und Unterhaltung für das junge Publikum einzubüßen.
Zu Beginn des Buches begleiten wir einen Zirkus, der sich während eines Gewitters durch den dunklen Wald kämpft. Als es zu einem Unfall kommt, hat das gravierende Auswirkungen: Viele der Käfige sind beschädigt, die Türen stehen offen. Ein weißer Königstiger nutzt diese Chance und verschwindet im Wald. Am nächsten Morgen finden wir uns bei Milchzahn und Stinkefuß wieder, für die der Tag wie viele andere beginnt. Doch das ändert sich, als die Fuchsjungen dem weißen Tiger und einem Ara begegnen. Schon bald wimmelt es in ihrem Wald und auf dem nahegelegenen Bauernhof von exotischen Tieren. Doch jemand fehlt: Orang-Utan-Vater Mumba vermisst sein Junges. Und so brechen Milchzahn, Stinkefuß und einige der Zirkustiere auf, um den kleinen Affen wiederzufinden …
Holger Lindemann hat diese Ereignisse in Sätze verpackt, die die jeweiligen Illustrationen perfekt ergänzen, ohne zu viel oder zu wenig zu verraten, und die zu lesen einfach Spaß macht. Immer wieder bezieht er die Kinder in das Geschehen ein, schlägt gekonnte Brücken zu Figuren der ersten Abenteuer und regt an, genauer hinzusehen oder gar zurückzublättern.
„Füchse frisst du aber nicht, oder?“, fragt Milchzahn bibbernd.
„Ich habe ‚Bitte‘ gesagt“, raunt der Bär.
„Das ist ein Wort für Freunde, nicht für Futter.“
Auf visueller Ebene hat Daniel Bauer die Welt seiner tierischen Helden wieder beeindruckend zum Leben erweckt. Schon in den vorherigen Bänden war ich immer wieder fasziniert von seiner Art, zu zeichnen. In „Milchzahn & Stinkefuß – Was für ein Zirkus“ hat er sich aber noch einmal selbst übertroffen. Immer wieder stieß ich auf Tiere, Pflanzen, Bäche, die so detailreich und realistisch wirkten, dass ich mich mehrfach versichern musste, keine Fotos vor mir zu haben: Tigeraugen, die regelrecht zu funkeln scheinen, Affengesichter, die jede Pore erkennen lassen, Fell voller Struktur und Dichte, Blätter, deren Adern sich präzise abzeichnen. Auch die übrigen Stärken des Illustrators – das Spiel mit Licht und Lichtreflexen, räumliche Tiefe und satte Farben – kommen wieder zur vollsten Entfaltung. So werden die Wälder dieser Welt regelrecht mit allen Sinnen erlebbar, scheint es doch, als höre man den abgebildeten Bach plätschern, die Vögel des Dschungels rufen und den Donner grollen. Ein Ausflug, der gerne noch länger hätte andauern können.
Fazit:
„Milchzahn & Stinkefuß – Was für ein Zirkus“ ist ein Kinderbuch, das unterhaltsam und witzig ist, gleichzeitig voller Wissen und Werte steckt, das zum Träumen und Staunen verleitet und dessen Illustrationen zu den besten zählen, die sich im Kinderbuchbereich finden lassen.
Wenn ein Abenteuer an deine Tür klopft und du öffnest nicht, zieht es einfach weiter und sucht sich jemand anderen zum Spielen.
Und dann verpasst du den ganzen Spaß!
Daniel Bauer und Holger Lindemann: „Milchzahn & Stinkefuß – Was für ein Zirkus“, erschienen im Selbstverlag 2018, gegenwärtig nur über den Facebook-Auftritt der Buchreihe erhältlich
Zu den Besprechungen der weiteren Bände:
Daniel Bauer und Frank Sandmann: „Der Waldlauf“ (Band 1)
Daniel Bauer und Holger Lindemann: „Milchzahn & Stinkefuß – Der Hühnerdieb“ (Band 2)
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