Die Reihenfolge stellt jedoch kein Ranking dar und ist vollkommen beliebig gewählt.
Edgar Allan Poe & Benjamin Lacombe: „Unheimliche Geschichten“
Benjamin Lacombes Werk begleitet mich nun fast genauso lange, wie es diesen Blog gibt. 2011 entdeckte ich zufällig die von ihm illustrierten Poe-Geschichten – das erste Buch des französischen Künstlers, das hier in Deutschland erschien und den Grundstein für eine große Liebe legte. Für mich ist es immer wieder spannend, zu verfolgen, wie Benjamin Lacombe seinen Stil und seine inhaltlichen Schwerpunkte weiterentwickelt und mit wie viel Leidenschaft und Begeisterung er an seine Arbeiten herangeht. Poes „Unheimliche Geschichten“ gewannen durch Lacombes Zeichnungen so viel schaurig-schöne Atmosphäre und trugen dazu bei, dass ich mich kurz darauf noch eingehender mit Edgar Allan Poe und seinen Geschichten beschäftigte.
Sébastien Perez & Benjamin Lacombe: „Das Elfen-Bestimmungsbuch“
„Das Elfen-Bestimmungsbuch“ wird gerne als Kinderbuch abgestempelt. Es ist jedoch keins – allein schon deshalb, weil der Aufbau der Geschichte recht ungewöhnlich ist und es kein klassisches Ende gibt. Perez und Lacombe präsentieren uns hier keine linear durcherzählte Geschichte. Vielmehr haben wir verschiedene Tagebucheinträge, Zeitungsausschnitte und Bilder, die puzzleartig zu einer Geschichte zusammengesetzt sind. Und das Ende lässt sich auf verschiedene Arten deuten. Wie Benjamin Lacombe vor Jahren bei einer Präsentation in Erfurt erzählte, haben sogar er und Perez ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit dem Protagonisten geschehen ist. Das übergroße Format, die märchenhaften Illustrationen, halbtransparente und Lasercut-Seiten machen das Buch außerdem auch optisch zu etwas Besonderem.
Jan Drees: „Sandbergs Liebe“
Vielleicht ist es voreilig, dass ich „Sandbergs Liebe“ in diese Liste aufnehme, denn ich habe dieses Buch erst in diesem Januar gelesen. Aber ich habe lange keinen Roman in den Händen gehalten, der derart intensiv ist. Jan Drees‘ Geschichte über Gaslighting ist keine 200 Seiten lang und doch habe ich fast einen Monat für dieses Buch gebraucht, weil ich es immer nur in kleinen Etappen lesen konnte. Auch nach der Lektüre ließ mich die Geschichte über Kristian Sandberg, der in die emotionale Abhängigkeit einer manipulativen Frau gerät, nicht los. Derzeit lese ich „Sandbergs Liebe“ bereits zum zweiten Mal – und damit hat Jan Drees etwas geschafft, was seit vielen Jahren keinem*keiner Autor*in gelungen ist.
Lew Tolstoi: „Krieg und Frieden“
Kommt die Sprache auf Tolstoi, geht es schnell um „Anna Karenina“. Der viel gefeierte Roman ist gefühlt für alle der Einstieg in Tolstois Werk. Mich konnte „Anna Karenina“ leider nicht gänzlich überzeugt. Ausnahmslos begeistert war ich jedoch von Tolstois epochalem „Krieg und Frieden“. Wie Tolstoi hier persönliche Schicksale mit Weltpolitik verknüpft, die Vielfalt der Themen, die er anschneidet, die zeitlosen Fragen, die er aufwirft, die Emotionen, die während des Lesens geweckt werden – all das hat mich tief beeindruckt. Dürfte ich nur eine Handvoll Bücher behalten, wäre „Krieg und Frieden“ darunter.
Victor Hugo: „Les Misérables“
Für sehr lange Zeit hat mich Victor Hugos „Les Misérables“ begleitet. Es ist eines jener Bücher, in denen ich pausenlos lesen könnte, bei denen ich aber gleichzeitig nie zum Ende kommen wollte. Was für ein riesiges Potpourri aus Politik, Moral, Gesellschaftskritik, Glaube, Liebe, Familie, Verlust und Schuld! Hugos Roman sensibilisiert hervorragend dafür, welch lange und komplexe Prozesse zu politischen Stimmungen führen, wie vorschnell wir urteilen und dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer Hand in Hand gehen. Auch hier gilt: eines der Bücher meines Lebens!
Ted Chiang: „Stories of Your Life and Others”
Habt ihr „Arrival“ gesehen und gemocht? Dann lest unbedingt auch die Vorlage „Story of Your Life“! Wissenschaftler und Science Fiction-Autor Ted Chiang war für mich eine der Entdeckungen der letzten Jahre und ist in meinen Augen die größte Bereicherung für die Science Fiction seit Jules Verne. Seine Kurzgeschichten und Novellen erzählen jeweils für sich komplexere, dichtere Geschichten als das Gros der umfangreichen Romane. Dabei fasst er den Wissenschaftsbegriff so wohltuend offen, wie es nun mal tatsächlich ist: Wissenschaft begrenzt sich nicht auf Technologien oder Naturwissenschaften, sondern umfasst auch Linguistik, Kommunikationswissenschaft, Religionswissenschaft und mehr. Einziger Nachteil: Hat man Ted Chiangs Geschichten gelesen, erscheint einem danach die Mehrheit der Science Fiction als öde, einfallslos, einseitig.
Joey Goebel: „Irgendwann wird es gut“
Joey Goebel ist ein weiterer Autor, der noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hat – vor allem in seinem Heimatland, wo kein Verlag bereit ist, seine Werke zu veröffentlichen! Im deutschsprachigen Raum spricht sich dagegen langsam herum, was für ein grandioser Erzähler Joey Goebel ist. „Irgendwann wird es gut“ ist seine erste Kurzgeschichtensammlung und hierin hat Goebel die Stärken seiner Texte zur Perfektion vollendet. Seine Geschichten lassen sich mit nichts vergleichen, drehen sich um die Außenseiter der Gesellschaft. Sie erzählen vom Scheitern, von Verlusten, Einsamkeit, der Diskrepanz zwischen Dazugehören und Sich-Selbst-Treu-Bleiben – und: den fehlenden Perspektiven der Kleinstädte. Das alles erzählt in einer sehr direkten Art und mit viel Tragikomik.
Durian Sukegawa: „Kirschblüten und rote Bohnen“
Hinter dem harmlosen Titel „Kirschblüten und rote Bohnen“ und dem pastelligen Cover verbirgt sich eine leise, poetische Geschichte über drei Außenseiter, deren Leben durch verschiedene Schwierigkeiten und Schicksalsschläge geprägt ist. Es geht um Verantwortung, geplatzte Träume, Stigmata – und die Hansen-Krankheit. Aber der Roman lenkt den Blick auch auf die Kostbarkeit des Lebens, die Schönheit kleiner Dinge, ein besseres Miteinander sowie auf die Tradition des An-Kochens und der perfekten Dorayaki.
Antonia Michaelis: „Solange die Nachtigall singt“
Antonia Michaelis „Solange die Nachtigall singt“ ist eines der wenigen Bücher, deren Lektüre viele Jahre zurückliegt, das mir aber noch heute immer wieder durch den Kopf geht. Die Geschichte von Jari, der sich nach seiner Lehre auf Wanderschaft begibt, aber schnell in den Bann dreier im Wald lebender Frauen gerät und in einem regelrecht Zustand aus Rausch und Manipulation mit seinem bisherigen Leben bricht, hat mich mit ihrer Intensität, ihrer düsteren Atmosphäre, den vielen Wendungen und Interpretationsspielräumen sehr fasziniert. Wie viele Thesen habe ich damals beim Lesen aufgestellt, verworfen, neu aufgestellt, wieder verworfen … und nun müsste ich das Buch mit dem Wissen der Wahrheit eigentlich noch einmal neu lesen, um alles neu deuten zu können.
Torben Kuhlmann: „Lindbergh“
Neben Benjamin Lacombe ist Torben Kuhlmann für mich die Künstlerentdeckung der vergangenen Jahre. Ich liebe seinen detailreichen Zeichenstil und was sich in seinen Bildern alles entdecken lässt: Stundenlang könnte ich seine Bilder betrachten und über all die Feinheiten staunen! Mit seinen klugen, visionären Mäusen aus „Lindbergh“, „Armstrong“ und „Edison“ hat Torben Kuhlmann zudem außergewöhnliche und liebenswerte Figuren geschaffen. Sein Erstling „Lindbergh“ kann inzwischen auch durchaus als moderner Klassiker der Kinderliteratur betrachtet werden.
Sehr schöne Mischung. Lindbergh hab ich mir direkt mal auf den Wunschzettel gelegt für die kleine Nichte :)
Liebe Sabine,
es freut mich, dass dir der Beitrag gefallen hat und du Neues entdecken konntest!
„Lindbergh“ für die Nichte ist eine ganz hervorragende Idee! Ich hab bisher niemanden getroffen / gehört, denen „Lindbergh“ nicht gefiel. Auch wenn ich mir manchmal unsicher bin, wer die Bücher mehr mag: wir Erwachsenen oder die Kinder. ;)
Liebe Grüße
Kathrin
Herzlichen Glückwunsch zum Bloggeburtstag! Ich finde, dass die Bücher, die du als besonders prägend ausgesucht hast, die Bandbreite deiner Blogbeiträge widerspiegeln. Vieles davon, insbesondere die Graphic Novels, gehen immer an mir vorbei, deshalb schau ich mich so gern bei dir um. 😊
„Krieg und Frieden“ steht ziemlich weit oben auf der Leseliste, ich liebäugle derzeit mit der (leider sehr teuren) Ausgabe aus dem Hanser Verlag, weil mir Design, Handlichkeit und besonders die Anmerkungen bei Anna Karenina schon so gut gefallen haben.
Ich hoffe auf viele weitere gemeinsame Leserunden, viel Austausch und tolle Empfehlungen. Auf die nächsten zehn!
Viele Grüße
Jana
Liebe Jana,
ganz herzlichen Dank für deine Zeilen! Ich freu mich, dass dir die Vielfalt gefällt. Ich habe immer den Eindruck, dass es Blogs, die sich nicht auf bestimmte Genres, Themengebiete oder Altersgruppen konzentrieren, schwerer haben, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Aber ich mag Abwechslung – nicht nur bei Büchern – und bevorzuge selbst auch jene Blogs, die nicht in Schubladen arbeiten und offen für alles sind.
Ich glaube, du wirst „Krieg und Frieden“ ebenfalls sehr schätzen. Es hat seine Längen – wie auch „Anna Karenina“ oder andere Werke dieser Zeit. Aber allein die vielen unterschiedlichen Figuren und die große Zeitspanne der Geschichte machen es trotzdem sehr spannend. Und die Szene auf den Schlachtfeldern sind manchmal (unfreiwillig?) komisch und führen das teils absurde Agieren vor Augen.
Du und Steffi hattet, meine ich, mal über eine Leserunde nachgedacht?! Wenn ja, sagt Bescheid. Ich habe hier nämlich noch die Urfassung ungelesen stehen und bin neugierig auf einen live Vergleich.
Zur Übersetzung kann ich dir leider wenig sagen. Ich hatte damals eine gemeinfreie Version für den Kindle genutzt. Aber ich glaube, Ute von Buchstapelweise und die andere Ute hatten die Ausgabe vom Hanser Verlag und waren sehr zufrieden damit (auch was die Anmerkungen betraf).
Ich hoffe ebenfalls auf viele weitere gemeinsame Blogjahre und welche Bücher ich bei dir noch entdecken werde. Und ich hoffe auch, wir werden noch so manche Leserunde gemeinsam bestreiten – du hast oft noch mal einen ganz anderen Blick auf bestimmte Szenen und das zeigt mir immer wieder, wie sehr auch unser Wissen und unsere Erfahrungen prägen, was wir wie deuten oder gewichten. Das finde ich jedes Mal aufs Neue spannend. :)
Liebe Grüße
Kathrin
PS: Meine 10 liebsten Comics und Mangas werden im März folgen. :)