8.30 Uhr
Guten Morgen liebe Lesewelt!
Endlich Freitag, endlich Wochenende! Und was macht mein Körper? Er schreit um 6.15 Uhr: „Aufstehen!“, obwohl ich heute frei habe … Scheinbar hat sich meine innere Uhr nach bereits 4 Monaten zu sehr auf den Arbeitsalltag eingestellt. Oder war es vielleicht doch nur die Vorfreude auf viel Lesezeit, die mich so zeitig aus dem Traumreich entführte? Wie dem auch sei: Zeitig aufstehen bedeutet mehr Zeit fürs Schmökern. Also ran an die Bücher!
Nachdem ich den gestrigen Tag mit Nick Hornbys „Slam“ ausklingen ließ und mich bereits nach 30 Minuten in das Buch verliebte (Hornby ist erst der zweite Autor in meinem Leben, dem es gelungen ist, mich beim Lesen wirklich laut auflachen zu lassen!), tauche ich nun wieder in die Mankell’sche Welt der „Daisy Sisters“ ein. Wie es mit Vivi und Elna wohl weitergeht? Der Klappentext verspricht jedenfalls kein Happy End … Ich bin gespannt.
Gemütlich gemacht habe ich es mir übrigens auf dem Balkon, obwohl es gerade doch noch etwas kühl ist. Damit wären wir übrigens auch bei Wörterkatzes Frage, wo ich während des #wklm2015 am liebsten lese! Natürlich auf besagtem Balkon. Bereits während meines Marathons vor zwei Wochen saß ich hier von morgens bis abends, trotzte Wind, Nieselregen und Sonne-Wolken-Wechsel. Ich genieße es einfach zu sehr, zum ersten Mal in meinem Leben einen Balkon zu haben. Und so umgeben von Grün, wohin das Auge blickt, Vogelgezwitscher und Besuchen von wilden Hasen in Nachbars Garten ist der Balkon ein idyllische Leseoase. Was macht da schon die morgendliche kalte Luft aus? Gegen Gänsehaut gibt’s schließlich kuschlige Decken.
10.30 Uhr
Die ersten 94 Seiten von „Daisy Sisters“ liegen hinter mir, das Jahr 1941 ist Vergangenheit – und Elnas Geschichte macht mich unglaublich wütend. Nicht nur hat dieser notgeile Soldat sie vergewaltigt und dabei geschwängert, nein, Elna sieht sich aus Geldmangel auch noch gezwungen die lüsternen Bedürfnisse des Abtreibers zu befriedigen – der sich dann als Stümper erweist und Elnas Leben gefährdet. Als wäre das nicht bereits grausam genug, macht Elnas Mutter ihr Vorwürfe, wie sie ihrer Familie nur solche Schande bringen könne. Auch sonst erfährt die 17-jährige Elna nur wenig Unterstützung … Es ist furchtbar, all das mitanzusehen und ich leide gerade bei jeder Zeile mit dieser jungen Frau, die eigentlich noch ein Mädchen ist und nun das Kind ihres Vergewaltigers zur Welt gebracht hat. Sie wird es nicht zur Adoption freigeben und ich frage mich, wie sie in Zukunft damit zurecht kommen wird, ein Kind zu haben, dessen Anblick sie immer an ihren Vergewaltiger erinnern wird …
20.40 Uhr
Nach zehn Stunden ist es an der Zeit, euch ein kleines Update über meine heutigen Lesefortschritte zu liefern. Leider halten sich diese Fortschritte aber relativ in Grenzen. Nach dem Update vom Vormittag habe ich bis ca. 14 Uhr zunächst gar nichts gelesen: Wocheneinkauf, Mittagessen und Haushalt verschlangen Zeit. Zu viel Zeit. Nachdem ich mich dann am Nachmittag wieder den „Daisy Sisters“ widmete, überfiel mich unglücklicherweise nach nur 30 Seiten auch noch eine plötzliche, extreme Müdigkeit und kein Wort ergab mehr Sinn in meinem Kopf. Also legte ich mich für ein halbes Stündchen hin, um Augen und Kopf zu erholen – etwas, das ich eigentlich nur tue, wenn ich sehr krank bin (bin ich aktuell jedoch nicht). Erst nach 17 Uhr war ich wieder fit, geriet dann aber schnell wieder in den mir bekannten Mankell-Sog, sodass ich inzwischen auf der 224. der insgesamt 558 Seiten angelangt bin.
Dieses Mal ging es direkt in die ’50er und ich lernte Elnas Tochter Eivor kennen, die mit einem entflohenen Sträfling durchbrennt, den sie zuvor nur zweimal gesehen hat, in den sie aber Hals über Kopf verliebt ist. Es dauert nicht lange, bis der Trip zu einem wahren Albtraum wird und schließlich widerfährt Eivor das gleiche Schicksal wie einst ihrer Mutter …
Was mir heute besonders gut gefallen hat, ist der Perspektivwechsel: Mankell lässt uns Elnas und Eivors Geschichte nämlich vorwiegend aus der Sicht des Nachbarn Anders erleben. Anders ist über 70 Jahre alt und freiwilliger Alkoholiker – ja, freiwillig, denn er trinkt nicht, um etwas zu verdrängen, sondern weil er sich dafür entschieden hat, bis zum Jahresende zu sterben und überzeugt ist, dass Sich-zu-Tode-saufen die richtige Methode ist, um dieses merkwürdige Ziel zu erreichen. Trotzdem hat Anders etwas Liebenswertes an sich, er glaubt an das Gute in den Menschen, stellt keine Ansprüche an die Leute in seiner Umgebung, zeigt Verständnis und will überhaupt nur das Beste für alle. Damit möchte ich auch gleich zu Wörterkatzes Freitagsfrage überleiten. Kerstin wollte heute nämlich von den anderen Marathonteilnehmern wissen:
„Habt ihr oder hattet ihr bisher einen Lieblingsprota und wenn ja wen und wenn es geht auch warum?“
Da ich erst gestern in den Marathon eingestiegen bin und noch nicht so viel gelesen habe, hält sich die Anzahl der Charaktere natürlich noch sehr in Grenzen. Von allen Figuren, die mir in den vergangenen 24 Stunden begegneten, ist mir Anders aufgrund seiner Gut- und Großherzigkeit bislang jedoch am sympathischsten.
Jetzt, zum Ausklang des Tages, brauche ich jedoch etwas, das weniger Konzentration erfordert und dessen Themen weniger an die Nieren gehen. Daher wechsel ich nun zur Graphic Novel-Version von Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ aus der Reihe Brockhaus Literaturcomics.
Damit verabschiede ich mich auch für heute und wünsche euch einen wunderbaren Freitagabend! Bis morgen!
PS: Ihr wollt auch noch spontan bei Wörterkatzes Lesemarathon einsteigen oder seid einfach nur neugierig, was die anderen Marathonteilnehmer so lesen? Dann schaut einfach >hier< vorbei.
„Daisy Sisters“ liegt auch noch bei mir im Regal. Wie so manches Mankell-Buch. Das, was du dazu schreibst, macht mir den Eindruck, dass es alles andere als leicht ist zu lesen. Von der Thematik her.
Liebe Grüße
Kerstin
Es ist – trotz des idyllischen Covers – wirklich kein leichter Stoff. Ich habe zwar schon Bücher gelesen, die mich mehr aufwühlten, aber die Frauen in „Daisy Sisters“ müssen schon etliches Grausames über sich ergehen lassen. Einfach mal so nebenbei liest sich das Buch daher auch nicht. Welche anderen Mankell-Bücher liegen denn noch auf deinem SUB?
Seine Afrika-Romane und natürlich Wallander. Manchmal ist er mir einfach zu düster. Aber vielleicht packe ich bald mal einen Afrikaroman an.
Die Wallander-Krimis habe ich bislang noch nicht gelesen. Ich war in der Vergangenheit von Krimis im Allgemeinen zu oft enttäuscht und fürchtete daher immer, dass es mir mit Mankells Krimis auch so ergehen könnte, obwohl ich Mankells Schreibstil so liebe. Vielleicht probiere ich es eines Tages mal mit den Wallander-Bänden, wenn ich alle anderen Werke Mankells gelesen habe ;)
Seine Afrika-Romane habe ich – bis auf einen oder zwei – alle gelesen. Nichts, was sich mal eben schnell weglesen lässt, aber mich haben sie fast immer gepackt. „Der Chronist der Winde“ ist von ihnen noch immer mein Lieblingsroman.
Vielleicht sollte ich mir dann mal den zu gemüte führen. Denn den habe ich auf jeden Fall. Im August probiere ich es mal mit dem.
Oh ja, auf jeden Fall! Es war mein erster Mankell und ist – neben „Die italienischen Schuhe“ – bis heute mein liebster Mankell-Roman. Für den Einstieg in die Afrika-Romane ist „Der Chronist der Winde“ auch deshalb ideal, weil es ein schmales Büchlein ist. Ich bin gespannt, ob dich „Der Chronist der Winde“ ebenfalls so begeistern wird wie mich :)
Damit steht ein Buch für die August-Leseliste fest.