Izadkhāst (Yesd-i-Khast) (Bildquelle: Ernst Hoeltzer [Public domain], via Wikimedia Commons)

Izadkhāst (Yesd-i-Khast) (Bildquelle: Ernst Hoeltzer [Public domain], via Wikimedia Commons)

Nach meinen Rundtrip durch den Kaukasus breche ich gen Süden auf und stoße in Damaskus auf den italienischen Schriftsteller Ludovico de Varthema. Gemeinsam wollen wir nach Mekka reisen. Dazu verkleiden wir uns als Mamluken und schließen uns einer Gruppe von Mamluken an, die eine Karawane zur besagten Pilgerstätte begleiten wird. 40 Tage und Nächte dauert es, bis Mekka erreicht ist. Täglich reiten wir mit der gesamten Karawane bis 22 Uhr, dann folgt eine zweistündige Pause und direkt danach die Weiterreise. Eine wirkliche Erholung bietet sich uns nur aller acht Tage: Dann wird für ein oder zwei Tage am Stück pausiert. Immer wieder werden wir in Kämpfe mit Arabern verwickelt, doch Ludovico de Varthema sorgt sich eher um die Kamele, die nicht nur schwere Lasten tragen müssen, sondern denen man zudem nur aller zwei Tage Wasser zu trinken gibt – dabei können diese Tiere doch bis zu vier Wochen lang ohne Wasser überleben. Ganz im Gegensatz zu uns Menschen: Während wir unterwegs das circa 20 Meilen breite Tal von Sodom und Gomorrha durchreiten, verdursten mehr als 30 Leute unserer Karawane. Doch auch so kann man nicht anders, als Ehrfurcht vor diesem Tal zu empfinden, von dem Ludovico de Varthema sagt: „im Untergrund scheint es dort immer noch Blut zu geben, das wie rotes Wachs aussieht, vermischt mit Erde, […]. Ganz gewiß glaube ich, […] daß dort üble Leute lebten; denn ringsum ist das Land nur Wüste, und der Boden bringt nichts hervor, nicht einmal Wasser“ (Ludovico de Varthema: „Vom wüsten Arabien“ In Patrick Hutsch (Hrsg.), “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch”, Fischer Taschenbuch Verlag 2012, S. 148).

Nach dieser Reise nach Mekka, die von Strapazen und Entbehrungen geprägt gewesen ist, hoffe ich, dass mir mein nächster Wegbegleiter – T. E. Lawrence – den Nahen Osten auf andere Weise nahebringen kann. Also folge ich ihm im Jahr 1916 auf ein Kriegsschiff, das uns von Suez nach Dschidda bringt. In Dschidda angekommen, schlägt uns zuallererst eine gewaltige Hitze entgegen, die nach der Schiffsreise ein regelrechter Temperaturschock ist, hat uns an Bord doch stets eine kühle Meeresbrise umweht. Dschidda selbst besticht durch seine strahlend weißen Gebäuden. Der Appetit kann einem hier indes schnell vergehen: Als wir durch die engen und stickigen Straßen wandern, in denen die Lebensmittelhändler ihre Waren feilbieten, sehen wir überall unzählige Fliegen umherschwirren! Sicher hat Dschidda auch andere Seiten, doch bleiben mir diese leider verwehrt, denn Lawrence führt mich direkt zum Konsulat, wo er mit Emir Abdulla I. verabredet ist. Ihr Gespräch konzentriert sich auf politische bzw. militärische Angelegenheiten, von denen ich als Außenstehende – zugegebenerweise – nichts verstehe. So schweifen meine Gedanken während ihres Gesprächs immer wieder ab und ich ärgere mich, nicht mehr von Dschidda sehen zu können.

Die englische Schriftstellerin Vita Sackville-West weiß mich jedoch ausreichend zu entschädigen. Gemeinsam brechen wir auf, um die Bakhtiari-Straße zu bereisen – ohne zu wissen, worauf wir uns genau einlassen: Für unsere Reiseplanung hat Vita Sackville-West kaum hilfreiche Quellen finden können und sämtliche Karten hatten sich als unzuverlässig erwiesen. Die Berichte bisheriger Reisender verkünden jedoch einen schlimmen Trip: Entlang der Bakhtiari-Straße gäbe es schwindelerregende Abgründe, reißende Flüsse sowie halsbrecherische Brücken. Nichts davon wird sich jedoch als wahr herausstellen: Die Bakhtiari-Straße entpuppt sich als schmaler Pfad, der steil bergauf und -ab durch wildes, zerklüftetes Land führt – die Reise ist anstrengend, aber ungefährlich. Unterwegs machen wir in den verschiedensten Orten halt: Wir sehen die Ruinen von Persepolis und Heliopolis, die Säulenstraßen von Palmyra und die Stadt Yesd-i-Khast. Yesd-i-Khast wurde einst auf einem Felsen errichtet, der an einen tiefen Abgrund grenzt. Stadt und Fels scheinen dabei nahtlos ineinander überzugehen: „Die Stadt wirkt wie eine skelettfarbene Klippe, durchbrochen von Fenstern, die aussehen wie Augenhöhlen in einem Totenschädel, bestückt mit hölzernen Balkonen und Stiegen, die jeden Augenblick in die Schlucht zu stürzen drohen. Es ist schwer auszumachen, wo der natürliche Fels aufhört und wo die Häuser beginnen.“ (Vita Sackville-West: „Reise über die Bakhtiari-Berge“ In Patrick Hutsch (Hrsg.), “Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch”, Fischer Taschenbuch Verlag 2012, S. 172). Alles hier wirkt wacklig und morsch; die hiesige Moschee wurde während eines Erdbebens vom Boden bis zur Decke gespalten. Dennoch entschließen wir uns dazu, die Nacht hier zu verbringen und von allem, was ich während meiner Reise durch den Nahen Osten gesehen und erlebt habe, wird mir Yesd-i-Khast am stärksten in Erinnerung bleiben.

Über die literarische Weltreise: Ab Juli 2014 möchte ich mittels des Fischer Klassik-Titels „Weltreisende und Entdecker: Ein Lesebuch“ die ganze Welt bereisen. Geschichten, Aufsätze, Briefe und Tagebucheinträge von Entdeckern, Forschern und Schriftstellern sollen mir dabei Land und Leute nahe bringen. Was ich mit den berühmten Reisegefährten erlebe, lasse ich euch jede Woche per digitaler Flaschenpost wissen.

Literarische Weltreise

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