Bei Soleil kam die Frage auf, was für den Leser an Fantasy interessant ist. Nachdem sie auf ihrem Blog erste Antworten zusammengetragen hat, habe auch ich mich einmal näher mit diesem Thema auseinandergesetzt.

In Soleils Blog spricht Kirsten M. an, dass Fantasy für viele einfach nur Trivialliteratur sei, anspruchsloser „Trash“. Diese Erfahrung habe ich zum Glück noch nicht machen müssen, kann mir aber durchaus vorstellen, dass manche Menschen diesen Gedanken hegen. Aber warum? Wieso sollte Fantasy nicht anspruchsvoll sein? Nehmen wir doch einfach mal „Alice im Wunderland“, „Die unendliche Geschichte“ oder „Momo“ – Weltliteratur! Das sind Bücher, die vermutlich jedem zweiten Menschen auf diesem Planeten etwas sagen. Und sind sie anspruchs- oder gar bedeutungslos? Nein. Charles L. Dodgson aka. Lewis Carroll steckte viele Rätsel in seine Alice-Bücher, war selber Mathematiker. Und Michael Endes Werke enthalten alle eine (gesellschaftskritische) Botschaft.  Davon einmal abgesehen schaffen Fantasy-Autoren völlig neue Welten, erfinden so viel Neues. Ich denke da besonders an Ende und Tolkien, die so eine Masse an Wesen, Landschaften und vor allem neuen Wörtern erschufen! Mit ihren Wortkreationen kann es wohl kaum einer aufnehmen – über die heutigen Werbetexter mit ihren vermeintlich „coolen“, möchtegern-modernen Sprüchen würden sie vermutlich lachen! Nirgends ist so viel Ideenreichtum erforderlich wie in der fantastischen Literatur. Ja, ich stehe sogar kurz davor, zu sagen, dass Fantasy eine der anspruchsvollsten Arten der Literatur ist. Denn für Krimis, Liebes-, historische Romane und all die zig anderen Genres muss man als Autor zwar viele Recherchen betreiben, was eine Menge Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt. Doch recherchieren kann jeder. Für Fantasy reicht das bloße Reisen, Internet und Bibliotheken durchforsten allerdings nicht aus. Hier benötigt man sehr viel Kreativität und Einfallsreichtum. Das gesamte Werk entsteht einzig und allein im Kopf – nicht wie in anderen Gattungen, bei denen zwar Thema, Handlung und Personen im Kopf entstehen, geschichtliche und gesellschaftliche Hintergründe aber gegeben sind. Gleiches gilt für die Leser: Jeder kann Geschichten lesen, die in der realen Welt spielen. Wer jedoch Fantasy lesen möchte, muss sich voll und ganz auf eine neue Welt einlassen und dazu seinen Verstand abschalten – wozu in der heutigen Zeit leider immer weniger Menschen in der Lage sind.

Was sonst macht Fantasy interessant? Nun, ich denke, der größte und wichtigste Aspekt ist, dass in den fantastischen Welten alles möglich ist, was in der Realität niemals möglich wäre. Es können Dinge getan werden, die man im wahren Leben niemals tun würde oder könnte, beispielsweise kann man über ein Volk herrschen, die Welt vor dem Untergang bewahren, gegen unheimliche Wesen kämpfen und vieles mehr. Man kann alles aufgeben, seine Lieben und sein Zuhause verlassen und sich in Lebensgefahr stürzen, um eine Person oder auch eine ganze Welt zu retten, um sich gegen das Böse aufzulehnen und dieses zu besiegen. Ganz ehrlich: Wie viele würden dies in der Realität schon tun? Genau das ist das Schöne an fantastischer Literatur. Als Autor kann man völlig neue Welten und Wesen kreieren, als Leser kann man diese entdecken. Man kann fantasieren, „was wäre wenn…?“ Somit ist Fantasie keine Realitätsflucht – wie viele Kritiker meinen -, sondern eher eine Fortsetzung der Realität: Fantasie beginnt immer dort, wo die reale Welt an ihre Grenzen stößt. Denn Realität ist nun einmal begrenzt. Die Quelle der Fantasie hingegen ist unerschöpflich.