Was ich diesen September alles so in London sah, tat und kaufte, wisst ihr bereits. Ich persönlich finde es bei Reisen auch immer spannend, zu entdecken, was denn gerade so außerhalb Deutschlands über die Buchhandelstheken geht. Darum möchte ich euch heute einen kleinen Einblick in die Regale der Londoner Buchhandlungen geben.
Bei meinem Londontrip vor vier Jahren konnte ich viele Geheimtipps entdecken, die es entweder nie oder erst später zu einer deutschsprachigen Übersetzung geschafft haben. Das war dieses Jahr definitiv anders! Überwältigende Geheimtipps? Überraschende Buchtitel? Nach denen habe ich leider nahezu vergeblich gesucht. Eine Ausnahme hier bilden die vom Designer-Duo MinaLima künstlerisch neu-verlegten Kinderbuchklassiker, die ich euch bereits in meinem London-Reisebericht zeigte, sowie die Abenteuer von Winnie the Pooh auf Latein! Als ich vor vier Jahren in London war, entdeckte ich bei Hatchards Tolkiens „The Hobbit“ auf Latein – dieses Mal nun ein weiterer Kinderbuchklassiker in der „toten“ Sprache, entdeckt in derselben Buchhandlung. Zugegeben, wirklich lesen wird diese Ausgabe wohl kaum jemand, dennoch finde ich die Idee dahinter spannend und die Übersetzung stelle ich mir als nicht gerade leichte Aufgabe vor. Für Sammler dürften solche Ausgaben sicherlich einen Reiz haben – vor allem, wenn es künftig noch mehr (Kinderbuch-)Klassiker auf Latein geben sollte. Tatsächlich gibt es diese lateinischen Ausgaben schon seit Jahrzehnten, scheinbar holt man diese aber nun Stück für Stück aus der Versenkung.
Unter den Neuerscheinungen konnte ich fast nur aus den Bereichen der Jugend- und Horrorliteratur sowie der historischen Romane vereinzelte Titel entdecken, die in jeder Buchhandlung präsent waren. Dazu zählen das in Russland spielende Jugendbuch „The Wolf Wilder“ von Katherine Rundell, das ich euch schon im letzten London-Beitrag zeigte und die optisch neugierig machenden Romane „The Essex Serpent“ von Sarah Perry, „The Lesser Bohemians“ von Eimear McBride und „The Watchmaker of Filigree Street“ von Natasha Pulley. Überall zu sehen ist auch die von Stephen King empfohlene Horrorstory „Hex“ des dänischen Autors Thomas Olde Heuvelt, die ich mir definitiv noch gönnen werde – was vom Meister des Horror empfohlen wird, kann schließlich nur gut sein, oder?!
Ansonsten sieht man in den Londoner Buchhandlungen tatsächlich nur das bereits Bekannte und Erwartete: Die Titel der Man Booker Longlist (von denen ich aber tatsächlich nur Graeme Macrae Burnets „His Bloody Project“ in den Händen der Londoner gesehen habe), einige Gewinnertitel des Man Booker Prize der letzten Jahre, natürlich „Harry Potter and the Cursed Child“ und – aufgrund der aktuellen Verfilmung – „The Girl on the Train“. Ergänzt wird das um weitere Romane und Biografien, die schon in deutscher Übersetzung vorliegen oder demnächst auf Deutsch erscheinen werden – und in der Regel von Bestsellerautoren stammen: die neuesten Titel von Jonathan Safran Foer, John le Carré, Eowyn Ivey und Emma Donoghue, die Biografie von Bruce Springsteen oder auch „The Little Book of Hygge: The Danish Way to Live Well“ von Meik Wiking, das diesen Monat auf Deutsch bei Lübbe erscheint.
Sehr dominant wird in den Londoner Buchhandlungen aktuell auch „Grief is the Thing with Feathers“ von Max Porter präsentiert, das bereits im vergangenen Jahr bei Hanser in deutscher Übersetzung erschien. Ebenfalls „wiederbelebt“ wird das in den ’90ern erschienene „Einstein’s Dreams“ von Alan Lightman.
Voll auf ihre Kosten kommen in London dagegen Liebhaber von Klassikern! In diesem Jahr habe ich in den Londoner Buchhandlungen so viele Klassiker wie nie zuvor gesehen. Ich hatte den Eindruck, dass Klassiker einerseits einen besseren Platz in den Buchhandlungen erhalten haben (in Eingangs- und/oder Kassennähe) und andererseits auch mehr Raum einnehmen – statt nur ein oder zwei Regale schmücken Klassiker nun rund vier Regale in kleinen Läden und reihen sich in großen Läden wie Foyles oder Waterstones locker in schier endlosen Regalwänden auf schätzungsweise 100 qm. Dabei ist für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei: Vom Kinderbuchklassiker bis zu den Poeten, vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, vom preisgünstigen Penguin-Paperback bis zum illustrierten und in Leder gebundenen Hardcover! Schmuckausgaben liegen dabei aber ganz klar vorne. Für Sammler hochwertiger Klassikerausgaben (ich winke mal mit dem Zaunpfahl rüber zu Tobi ;) ) ist London gerade also eine Art Mekka. Der Liebste und ich mussten uns daher extrem zurückhalten, nicht mit zehn neuen Ausgaben von Tolkiens Mittelerde-Romanen oder Lewis Carrolls Alice-Büchern zurückzukommen.
Doch nicht nur Klassiker schätzt man in London mehr als in den deutschen Buchhandlungen, auch Graphic Novels und Mangas haben einen höheren Stellenwert. Fristen diese bei uns eher ein Dasein in kleinen Nischen, präsentiert man sie in London deutlich stärker und vor allem weist das Sortiment mehr Vielfalt bei den Titeln auf, was besonders den Liebsten freute, der sich erstmals seit fast einem Jahr wieder Graphic Novels kaufte. Ich dagegen freute mich darüber, dass kürzere Mangareihen in England auch gebündelt als Hardcover erscheinen, da ich ungern Einzelbände über Jahre hinweg ansammel, sondern lieber alle Bände auf einen Schlag erwerbe. Abseits unserer persönlichen Vorlieben fielen uns folgende Graphic Novels regelmäßig in den Blick:
… sowie eine Graphic Novel über die IT-Pionierin Ada Lovelace. (Miss Booleana, wäre das nicht etwas für dich?)
Und wie verhält es sich mit unseren deutschsprachigen Autoren in Großbritannien? Als ich 2012 in London war, waren die Zamonien-Bücher von Walters Moers abseits der Klassiker die einzigen Werke deutschsprachiger Autoren, die man ohne intensives, gezieltes Suchen in den Buchhandlungen entdecken konnte. Vier Jahre später nun sieht die Auswahl an Werken deutschsprachiger Autoren nicht sehr viel besser aus und es gab lediglich vier Titel, die wirklich präsent waren:
Fazit: Im rein belletristischen Bereich unterscheidet sich Londons Buchmarkt mittlerweile nur noch wenig von unserem, wahre Schätze lassen sich vorrangig m Angebot der antiquarischen oder Schmuckausgaben finden, Geheimtipps lediglich in der Palette der bei uns noch zu sehr vernachlässigten Graphic Novels und Mangas. Lohnend sind Londoner Bucheinkäufe für diejenigen, die Wert auf signierte oder Erstausgaben legen, die bei Waterstones und Hatchards in besonderem Fokus stehen.
Huhu :)
Du hast mich mit diesem wunderbaren Beitrag gerade daran erinnert, dass ich mir Harry Potter auf Altgriechisch kaufen wollte. Ich danke dir und mein Freund verdreht die Augen und plant schon einen Ersatzkoffer mitzunehmen. :D
Liebe Grüße
Jule
Hallo liebe Jule,
ich freue mich, dass ich dir noch ein wenig Inspiration für London geben konnte – nachdem du uns mit MinaLima ja auch ein richtiges Highlight beschert hast :)
Nachdem du nun die ersten Stunden zurück in Deutschland hinter dir hast: Vermisst du London auch schon so sehr wie ich? :D Und hast du Harry Potter auf Altgriechisch bekommen? Ich bin gespannt, was du alles aus London mitgebracht hast :)
Hallöchen Kathrin :),
Ich vermisse London jetzt schon. Dort gab/gibt es einfach kein Geschupse beim Ein-/Aussteigen der U-Bahn. Zurück in Deutschland wurde ich nur geschupst meinem Koffer :/
Harry habe ich leider nicht auf Altgriechisch bekommen – da muss ich wohl „leider“ mal eine Bestellung tätigen. :D
Ein Bericht wird wohl in den nächsten Tagen folgen. :D
Liebe Kathrin,
ein interessanter Einblick in die Bücherwelt Londons. Also das mit den Klassikern hört sich ja sehr geschmeidig an, da würde ich auch gerne bummeln gehen. Ich hatte schon öfter das Gefühl, dass im englischsprachigen Raum die Leser wesentlich besser versorgt werden. Bei uns schauts da ja mager aus. Beim Thalia haben sie die Klassikerabteilung irgendwann Anfang des Jahres komplett gestrichen. Beim Buchdandler ums Eck gibts ein halbes Regal mit Klassiker, aber da sind die Low-Budget-Anaconda Bücher, wohl primär um Schüler und Studenten abzudecken. Sonst geht da nichts. Der Hugendubel am Stachus war diesbezüglich immer noch ganz gut ausgestattet, aber da war ich auch schon lange nicht mehr. Unterm Strich würde ich mir halt auch mehr so Knallerausgaben wie die von Barnes & Nobles oder die Penguin Classics wünschen. Aber ich kann halt auch verstehen, dass die Verlage das eher stiefmütterlich behandeln, wenn einfach der Markt zu klein ist.
Tja, ein sehr schöner Beitrag der Lust auf London macht ;)
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
ich glaube, du hättest in London so manche Kostbarkeit für dein Regal gefunden. Von Tolkiens und Lovecrafts Werken habe ich beispielsweise jeweils rund 10 verschiedene, hochwertige Ausgaben gesehen – illustriert, in Leder oder Leinen gebunden, mit und ohne Schuber, mit Anmerkungen, Lesebändchen und und und … Bei Waterstones sind auch die Ausgaben von Barnes & Noble und die Penguin Classics großflächig ausgestellt. Es war wirklich nicht leicht, da zu widerstehen – auf Käufe verzichten ging nur, weil wir die Gewichtgrenzen fürs Gepäck einhalten mussten und es so viele großartige Ausgaben gab, dass ich mich nie hätte entscheiden können.
Thalia ohne Klassikerabteilung? Wow, das ist traurig. Normalerweise finden sich ja wenigstens die Schullektüren. Insgesamt trifft es deine Beschreibung des deutschen Buchmarktes aber wirklich gut. Richtig gute Klassikerausgaben habe ich fast nie im deutschen Buchhandel entdeckt (eine Ausnahme sind Kinderbücher), sondern bin irgendwo im Netz darauf gestoßen und habe sie dann selbst angefordert. Insgesamt habe ich aber das Gefühl, dass die deutschsprachigen Verlage im Bereich hochwertiger Klassikerausgaben langsam aktiver werden – nur müssen diese Ausgaben dann eben auch in den kleinen und großen Buchhandlungen zu finden sein (und zwar nicht versteckt im hintersten Regal). Mit Ausgaben wie denen von Barnes & Noble, Penguin oder der Folio Society können die meisten deutschen Ausgaben aber noch nicht mithalten, da geb ich dir vollkommen Recht.
Vielleicht treibt es dich ja irgendwann nach London oder eine andere schöne Stadt mit so viel guter Buchauswahl – dann bin ich gespannt, was du für Schätze mitbringst!
Ada Lovelace! Mensch! Das könnte in der Tat interessant sein! Danke, dass du an mich gedacht hast ;)
Und sowieso danke für den Artikel. Ich finde die Ausgaben sehen und klingen total spannend. Ich brauche ja immer so ein bisschen einen Schubs und werde mir deswegen mal einige der Bücher auf den Verlagsseiten und Goodreads anschauen. Kann es sein, dass man in Übersee einfach viel mehr Sinn für spannende Buchcover hat? Ich finde bei uns gibt es wahnsinnig viel Einheitsbrei.
Freut mich, dass ich dich auf das ein oder andere aufmerksam machen konnte. In London dachten wir oft: „Das wäre etwas für Steffi“, weil es so viele tolle Graphic Novels und Mangas gibt! Mit der Graphic Novel über Ada Lovelace habe ich ganz oft gehadert, weil sie mir in fast jeder Buchhandlung begegnet ist und das Cover immer wieder ein kleiner Eyecatcher war. Aber ich hatte dann doch zu sehr Angst, enttäuscht zu werden, weshalb das Buch nur auf die Merkliste wanderte. Zurück in Deutschland habe ich ein wenig in Ruhe mehr dazu gelesen und bin nun sicher, dass ich die Graphic Novel irgendwann lesen möchte. Mal schauen, wann das der Fall ist … ;)
Was die Cover angeht … Auch in England und den USA habe ich schon richtig schlechte Cover gesehen, aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass man dort bei den Covern von Büchern eines Genres mehr Vielfalt findet. Hier in Deutschland kaufe ich kaum noch Fantasy, weil für mich mittlerweile jedes zweite Cover gleich aussieht, die Titel oftmals auch ähnlich sind und ich die Bücher dadurch gar nicht mehr auseinander halten kann (vor allem, wenn es dann auch noch Reihen sind). Im Bereich der historischen Romane findet man hier genauso viel Einheitsbrei, der noch dazu immer ein wenig kitschig-nostalgisch anmutet – in England waren die historischen Romane optisch nicht sonderlich von der Gegenwartsliteratur abzugrenzen, sodass ich das Gefühl hatte, dass Leser hier viel leichter außerhalb ihrer favorisierten Genres Entdeckungen machen können.