Das Antlitz der GöttinNeun Mädchen und Frauen zwischen 9 und 90 Jahren aus Königsau und Umgebung: Ihr aller Leben wird sich am Montag, dem 8. Juni, für immer ändern. Schritt für Schritt tritt die Magie in ihren Alltag ein, zeigt ihnen bislang verborgene Zwischenwelten und gibt ihnen die Kraft, Dinge zu tun, für die ihnen bis dato der Mut fehlte. Die Frauen könnten dabei unterschiedlicher kaum sein: Da ist zum Beispiel die angehende Doktorandin Katharina, für die die Welt vor allem grau ist, die sich eingeengt fühlt und die mit dem Thema ihrer Doktorarbeit auf Widerstand stößt. Des Weiteren gibt es Jennifer, die nicht nur in der Schule eine Außenseiterin ist, sondern auch von ihrer eigenen Mutter weder Zuneigung noch Respekt erfährt. Dann wäre da Else – eine gute Seele, der es nie vergönnt war, Mutter zu werden – sowie die sechs weiteren Protagonistinnen, über die an dieser Stelle noch nichts weiter verraten werden soll. Und während sich einige von ihnen bereits kennen, werden sich die Wege anderer erst noch kreuzen. Doch keine der Frauen ahnt zu diesem Zeitpunkt, wie sehr sich ihre Schicksale ab besagtem Junitag miteinander verflechten werden.

Ein auktorialer Erzähler berichtet dem Leser von den Geschehnissen in und um Königsau, wobei der Fokus abwechselnd auf einzelne Charaktere gelegt wird. Das ermöglicht nicht nur einen detaillierten Einblick in die Gedanken und Beweggründe der Figuren, sondern auch das Erleben von Tagen und Ereignissen aus Sicht der verschiedensten Personen. Orts-, Datums- und Zeitangaben schaffen chronologische und geografische Zuordnung und geben der Erzählweise einen Tagebuch-ähnlichen Charakter. Autorin Elvira Stecher gelingt es dabei, für jede Figur einen eigenen sprachlichen Stil zu finden: mal philosophisch, mal alltäglich, ein weiteres Mal metaphorisch oder jugendlich. Manche Abschnitte lesen sich leicht und schnell, für andere bedarf es etwas mehr Zeit und Ruhe. Insbesondere nach Einblicken in Katharinas kulturwissenschaftliche Gedanken und Theorien wird der ein oder andere eventuell eine kleine Pause benötigen, um das Gelesene erst einmal richtig aufzunehmen. Diese Abschnitte sind es jedoch auch, die viele Ansätze zum Nachdenken und Diskutieren liefern – zum Beispiel über Religion oder verschiedene Gesellschaftssysteme und -strukturen. „Das Antlitz der Göttin I: Der Ursprung der Liebe“ ist sowohl stilistisch als auch thematisch sehr facettenreich: Zum Teil Phantastik, andererseits aber auch Entwicklungsroman und Gesellschaftsportrait – die Geschichte lässt sich in keine Schublade stecken oder mit einem bestimmten Genre etikettieren. Es ist vor allem diese Vielseitigkeit, die das Buch interessant macht.

„Das Antlitz der Göttin I: Der Ursprung der Liebe“ überzeugt zudem durch die unterschiedlichen Personen – Elvira Stecher hat für jede Figur eine eigene Vergangenheit entwickelt, die den Charakteren viel Tiefe verleiht. Das macht jede Handlung glaubhaft und begründet und ermöglicht gleichzeitig, dass der Leser seine Einstellung zu manchen Protagonisten im Laufe des ersten Bands ändert. Man entwickelt Mitleid oder Sympathien für Figuren, über die man anfänglich nur entrüstet den Kopf schüttelte. Andere Charaktere schließt man mit jeder weiteren Zeile mehr ins Herz – in meinem Fall waren das vor allem Jennifer und der Straßenjunge Jakob.

Fazit:

Mit dem ersten Band der Göttinnen-Reihe ist Elvira Stecher eine genreübergreifende, komplexe Geschichte gelungen, die vielschichtige, authentische Charaktere bereithält und stilistisch ebenso abwechslungsreich ist wie die Palette an aufgegriffenen Themen. „Das Antlitz der Göttin I: Der Ursprung der Liebe“ lässt sich daher mit keinem anderen Buch vergleichen und richtet sich vor allem an Leser, die nicht auf reine Unterhaltung aus sind, sondern in ihrer Lektüre gerne auch neue Denkansätze und Diskussionsanregungen finden wollen.

„Das Antlitz der Göttin I: Der Ursprung der Liebe“ ist der Auftakt zu einer Reihe. Der erste, rund 600 Seiten umfassende Band unterteilt sich in drei einzeln erhältliche E-Books.


Für die bereitgestellten Rezensionsexemplare und ein interessantes Leseerlebnis bedanke ich mich vielmals bei Elvira Stecher!