Lyrik ist eine literarische Gattung, die heutzutage weniger Fans findet als andere Genres. Auch ich habe mich in den vergangenen Jahren Gedichten verschlossen. Dabei war das früher einmal anders: Ich las gern Gedichte und Balladen im Deutsch- oder Englischunterricht, eine Zeit lang probierte ich mich sogar selbst am Schreiben solcher (aufgrund fehlenden Talents verwarf ich dies allerdings schnell wieder). Das unersättliche, erzwungene Interpretieren im Deutschunterricht sowie viele Gedichte der heutigen Zeit haben mein Interesse an der Lyrik allerdings stark abflauen lassen. Doch hier saß ich nun und hielt Anke Höhl-Kaysers Gedichtband „Stille wird hörbar wie ein Flüstern“ in der Hand – etwas zweifelnd zunächst und dennoch neugierig. Soll man nicht hin und wieder Neues probieren? Und urteilen kann man nur über etwas, das man kennt. Also las ich – und schon nach den ersten Gedichten verflogen die anfänglichen Zweifel und Berührungsängste, denn Anke Höhl-Kayser schreibt klar, greifbar und authentisch. Die Gedichte wirken nicht so erzwungen und gekünstelt wie viele andere der heutigen Zeit. Jeder Leser kann sie verstehen und sich mit ihren Inhalten identifizieren. Das schafft vor allem Lyrik-Neulingen einen leichten und positiven Einstieg in diese Gattung. Die Gedichte selbst sind dabei sieben Themenbereichen untergeordnet, vielseitig und von Zitaten namhafter Schriftsteller eingeleitet. Sie erzählen von den Schwierigkeiten des Lebens, von der Schönheit der Natur, dem alltäglichen Glück, Verlust und vielem mehr. Mal sind sie reich an Metaphern, gewaltig und ernst, mal humorvoll, locker und modern, mal kurz, mal lang. Bei all der Verschiedenheit ist ihnen aber auch einiges gemein: Sie alle handeln vom Leben selbst, von seinen schönen und negativen Momenten, von Dingen, die jeder selbst erlebt hat oder kennt. Es fällt leicht, sich darauf einzulassen, zu verstehen. Immer wieder erwischt man sich dabei, wie man dem Geschriebenen zustimmt oder gar eigene Erlebnisse daraufhin rekapituliert. Doch auch wenn jeder Leser viel aus den Versen für sich ziehen kann, sind Anke Höhl-Kaysers Gedichte dennoch sehr persönlich: Deutlich wird beispielsweise ihre bedingungslose Liebe zu ihren Kindern sowie die Liebe zur Natur – allen voran seien hier der Herbst und das Meer erwähnt. Dies wirkt sich auch auf die Stimmung der Gedichte aus – das Meer als Metapher macht die Verse dynamisch und mitreißend, die herbstlichen Zeilen vermitteln Wärme, Ruhe und Geborgenheit. Von besonderer Kraft sind dabei die Werke des ersten Themenbereichs „Wie unterm Joch, wie Wind in den Ähren“, melancholisch hingegen stimmt der Bereich „Du bist schon weit“.
Untermalt werden die Gedichte von Bildern von Noëlle-Magali Wörheide. Aquarelle, Wachs-, Blei- und Buntstiftzeichnungen sowie Ölgemälde und Acrylbilder unterstreichen die jeweilige Stimmung der Verse. Wie die Gedichte sind auch die Gemälde sehr unterschiedlich in Stil und Atmosphäre. Besonders gelungen sind die Bilder zu „Mondnacht“, „Du!!!“ und „Amsellied zum Frühling“.
Fazit:
Mit ihrem Gedichtband „Stille wird hörbar wie ein Flüstern“ gelingt es Anke Höhl-Kayser, auch Skeptikern oder Lyrik-Fremden einen Zugang zu dieser literarischen Gattung zu schaffen. Die Gedichte erfassen die Lebenswirklichkeit eines jeden, was Interpretation und Identifikation leicht macht. Die vielen verschiedenen, behandelten Themen und die stilistisch sehr unterschiedlichen Bilder Noëlle-Magali Wörheides sorgen für Vielfalt und Abwechslung, wodurch sich jeder Leser auf andere Weise und andere Werke einlassen kann – Autorin und Malerin schaffen es auf diese Weise, viele Menschen zu erreichen, wie unterschiedlich diese auch immer sein mögen.
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