Nachdem ich euch bereits gestern und vorgestern in den Bienenstock zu unserer kleinen Heldin Flora 717 mitnahm, brechen wir heute zu unseren letzten Abenteuern auf.
Damit ich den Lesenachmittag zwar sonnengeküsst, aber nicht wieder vor Sonnenstich drückendem Kopf beende, bleibt mein dunkler Schopf heute strohhutbedeckt. So geschützt sollte ich die letzten rund 140 Seiten doch gut überstehen, oder?! Also: Flügel ausbreiten und Abflug!
Update 14.35 Uhr
Meine heutige Rückkehr in den Bienenstock startete direkt turbulent und nervenaufreibend. Erst wurde etliches Blut vergossen …
„She ripped his abdomen open down to his genitals, then tore out his penis and ate it.“ (S. 213)
… und dann gab es erneute Begegnungen mit Spinnen und zur Hälfte offenbarte Hintergründe zu Floras Herkunft und Schicksal, die meine bisherigen Vermutungen bestätigen und erweitern. Ich glaube, da kommt noch Großes auf die kleine Biene zu.
Update 18.15 Uhr
Es ist jetzt rund zwei Stunden her, seit ich Floras Bienenstock endgültig verlassen habe. Die letzten gemeinsamen Augenblicke mit dem Bienenvolk hielten noch so manchen Moment der Freude und des Glücks bereit, aber auch Phasen der Gefahr, Furcht, Gewalt und Sorge. Was davon letztlich „gesiegt“ hat, sei an dieser Stelle nicht verraten.
Fazit:
Blicke ich nun auf die gesamte Lektüre von Laline Paulls „The Bees“ zurück, so tue ich das nicht ohne gemischte Gefühle. Denn, um ehrlich zu sein, hat mir „The Bees“ zwar sehr gefallen, doch es hat mich auf emotionaler Ebene nicht ganz so intensiv gepackt, wie ich es ursprünglich erwartet hatte. Dabei kann ich nicht sagen, woran das liegt. Denn tatsächlich ist Laline Paulls Roman wirklich toll geschrieben: Erzählstil und Ausdruck sind intelligent; die Tiere sind kein bisschen vermenschlicht und dennoch fällt es leicht, sich in sie und ihre Welt hineinzuversetzen; dramaturgisch steht der Roman an keiner Stelle still. Die Handlung selbst ist vollkommen aus dem Alltag der Bienen entsprungen – das in „The Bees“ Geschilderte passiert so oder so ähnlich jedes Jahr auf der Welt. Trotz dieser alltäglichen Geschichten ist der Roman aber etwas Besonderes auf dem Buchmarkt, da er die Welt der Bienen aus einer einmaligen Perspektive zeigt und dies im Rahmen der Fiktion tut, ohne dabei uns Leser aus der Realität entführen zu müssen. Laline Paull hat also eigentlich alles richtig gemacht und „The Bees“ ist in jedem Fall die Lektüre wert. Welches winzige Quäntchen mir zum perfekten, vom Hocker reißenden Buch gefehlt hat, muss ich daher selbst noch erörtern – womöglich war es nur der klassische Fall zu hoher Erwartungen in Folge des Hypes?! Doch wie gesagt: „The Bees“ ist – objektiv betrachtet – ein hervorragendes Buch, das ich euch sehr ans Herz legen möchte.
Laline Paull: „The Bees“, 4th Estate 2015, ISBN: 978-0-00-755774-5
Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Ich finde „Die Bienen“ ist ein faszinierender, speziesübergreifender erzählerischer Annäherungsversuch an die komplexe Lebensform eines Bienenschwarms, übersetzt in menschliche Gefühlskategorien: Spannend, voller Lebensgefahren und tapferer Kämpfe wie ein Abenteuerroman, komplexe, beziehungsdynamische Verhältnisse wie in einer Familiengeschichte, berührend, gefühlvoll und sinnlich wie eine Liebesgeschichte und dabei betörend-duftbetont und auch mit einigen Prisen Humor bestäubt.
Meine Rezension hast Du ja gewiß schon zur Kenntnis genommen:
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/05/16/die-bienen/
Summsummende Grüße :-)
Ulrike von Leselebenszeichen
Liebe Ulrike,
du hast es wunderbar auf den Punkt gebracht!
Deine Rezension hatte ich damals gelesen. Nachdem ich den Roman nun selbst gelesen habe, habe ich deine Rezension sowie die anderer Blogger aber erneut gelesen. Was mir beim Lesen der Besprechungen der deutschen Ausgabe sofort auffiel, war die Änderung des obersten Gebotes: Im englischsprachigen Original heißt es nicht „arbeiten, gehorchen, dienen“, sondern es gilt, zu „akzeptieren, gehorchen, dienen“. Auch eine Unterscheidung in „Sie“, „Ihre“ und „du“ gibt es nicht, obwohl es sich in dem hierarchischen System anbietet. Dafür gibt es die Anrede mit Titeln wie „Sir“. … Ich finde es immer spannend, welche Unterschiede/ Änderungen sich durch Übersetzungen ergeben und wie sich diese eventuell auf die Wahrnehmung der Lesenden auswirken.
Liebe Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
danke für den Hinweis auf die Übersetzungsvariationsdetails. Ich denke, jede Übersetzung bedarf einer einfühlsamen ELASTIZITÄT in der Wortwahl, und ein reines wortwörtliches Übersetzen ist nicht unbedingt die erste Wahl für die Qualität und Lesbarkeit eines Textes.
Zwischen „arbeiten“ und „akzeptieren“ besteht ein deutlicher Unterschied, aber „arbeiten, gehorchen, dienen“ hat einfach ein typisch preußisch-deutsches, bienenfleißiges Stimmungsumfeld und paßt durchaus für die deutsche Buchausgabe. ;-)
Abendsonnige Grüße
Ulrike
Mensch … das erste Zitat könnte auch aus einem Hannibal-Lecter-Roman bzw. -Fernsehserie stammen. Die schenken sich nix, was?
:D Haha! Ja, da hast du Recht – ich war auch überrascht, wie brutal es mitunter in „The Bees“ zugeht. Sehr kannibalisch wird kurzer Prozess mit den Artgenossen, sogar mit dem Nachwuchs, gemacht. Mit der heilen Biene-Maja-Welt hat das nicht einmal ansatzweise etwas gemeinsam ;)