Im Februar begannen Kasia von Protagonist erlebt und ich, gemeinsam Jodi Picoults „The Pact“/ „Bis ans Ende aller Tage“ zu lesen – Kasia die deutsche Ausgabe, ich die englische. Dann stand jedoch uns beiden ein neuer Lebensabschnitt bevor und so fand sich lange nicht die Zeit, sich intensiver unserem Leseprojekt zu widmen. Nun, Monate später, soll sich das wieder ändern. Kasia und ich haben auf ihrem Blog unsere ersten Gedanken festgehalten und nachdem ich nun wieder gut in der Geschichte drin bin, möchte ich euch auch hier einen kleinen Überblick über den ersten Teil des Buches geben. Ich werde mich dabei auf die Haupthandlung konzentrieren, denn ginge ich auf alles ein, was Kasia und mich beschäftigt und worüber wir spekulieren, würde dieser Beitrag zu lang werden – außerdem könnt ihr das ja alles auf Kasias Blog nachlesen ;) .
Die Familien Harte und Gold sind Nachbarn und beste Freunde. Perfekt ist die Idylle, als ihre Kinder Chris und Emily, die gemeinsam aufwachsen, zu einem Liebespaar werden. Doch einige Jahre später fällt ein Schuss: Emily ist tot – und Chris bei ihr. Nun steht logische Schlussfolgerung gegen Aussage: Chris wird des Mordes an seiner großen Liebe Emily beschuldigt, doch er behauptet, unschuldig zu sein und dass Emily Selbstmord beging.
Jodi Picoult erzählt uns diese Geschichte in drei Teilen: „The Boy Next Door“, in dem Chris im Fokus steht, „The Girl Next Door“, in dem Emilys Perspektive stärker in den Mittelpunkt rückt, und „The Truth“, dem Teil, der letztlich die Wahrheit über alles enthüllen wird. Dabei wechselt die Erzählung immer zwischen den Ereignissen der Gegenwart und der Vergangenheit.
Kasia und ich haben den ersten Teil hinter uns gelassen und bisher tauchen immer wieder neue Fragen auf.
Wir haben erfahren, dass die forensischen Untersuchungen ergeben haben, dass Emily sich nicht selbst getötet hat. Chris dagegen behauptete, er und Emily wollten sich beide umbringen, dass es einen Selbstmordpakt gab. Später revidiert er diese Aussage, hält aber weiterhin daran fest, dass er Emily nicht getötet hat. Und wenn man die Geschichte liest, erfährt, wie Chris denkt und was er für Emily empfindet, glaubt man das sofort. Doch was ist dann wirklich geschehen? Und wenn sich Emily umgebracht hat, warum? Motive scheint es nicht zu geben. Zwar soll Emily schwanger gewesen sein – aber ob sie sich deswegen gleich umbringen würde? So, wie wir die Hartes und Golds (sowohl Eltern als auch Kinder) kennengelernt haben, bezweifle ich, dass Emily sich wegen einer Schwangerschaft umbringen würde.
Doch was in Emily vorgeht, können wir bislang nur ahnen. Denn alles, was wir im ersten Teil des Buches über Emily erfahren, ist das, was wir durch die Augen ihrer Eltern, Chris‘ und Chris‘ Eltern wahrnehmen. Wir beobachten Emily zunächst nur. Die Ereignisse aus der Vergangenheit entspringen den Erinnerungen anderer, insbesondere denen von Chris, wobei Emily und Chris jedoch fast jeden Moment ihrer Leben gemeinsam verbrachten – Emilys Geschichte ist Chris‘ Geschichte und umgekehrt.
“ ‚Tell me,‘ he said, ‚do you have any early childhood memories that don’t include Emily?‘
Chris tried to run backward in his mind, replaying his life like a loop of a film. He saw himself standing in the bathtub with Emily, peeing in the water while she giggled and his mother yelled bloody murder. He saw himself making a snow angel, swinging wide his arms and legs and hitting Emily, who was doing the same thing beside him. He caught glimpses and snippets of his parents‘ faces, but Emily was off to the side.
Chris shook his head. ‚Actually,‘ he said, ‚I don’t.‘ „
(Jodi Picoult: „The Pact“, HarperCollins 2008 , Kindle-E-Book-Location 2247)
Und doch können wir nur spekulieren, was hinter Emilys Tod wirklich steckt, denn Chris macht lediglich knappe Aussagen und gibt dem Leser immer das Gefühl, dass er nicht alles preisgibt, was er weiß.
So ist Chris‘ und Emilys Geschichte momentan noch ein unfertiges Puzzle: Chris‘ Sicht liefert den Rahmen und einzelne Teile, doch die Leerräume dazwischen müssen gefüllt werden – durch ihn und vor allem Emily. Ich bin daher gespannt, was „The Girl Next Door“ offenbaren wird, was wir darin über Emilys Sicht der Dinge erfahren und ob wir als Leser der Wahrheit hier schon auf die Spur kommen können oder weiterhin ahnungslos umherirren.
Klingt ziemlich spannend! Erinnert mich ein bisschen an das Konzept hinter „Das Veschwinden der Eleanor Rigby“, das es auch in 3 Ausgaben gibt. Seiner Sicht, ihrer Sicht und einer „Them“-Variante. Habe ich zwar noch nicht gesehen, finde den Gedanken aber spannend, genauso wie bei dem Buch. Das sind also 3 Teile in einem Buch?
„Das Veschwinden der Eleanor Rigby“ kenne ich noch nicht – da muss ich später unbedingt mal nähere Informationen einholen. Dabei handelt es sich also um mehrere Ausgaben?
Bei Picoults „The Pact“ sind es nicht direkt 3 Teile – das Buch ist zwar dreigeteilt, aber handelt es sich dabei nicht um die dreimal die gleiche Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Geschichte der Gegenwart wird durchgängig erzählt. Lediglich die Rückblenden stehen unter einem anderen Schwerpunkt: Im ersten Part („The Boy Next Door“) steht im Fokus, wie Chris aufgewachsen ist und wie er seine Kindheit und die Zeit mit Emily erlebt hat; im zweiten Part erfahren wir dann, wie sich die Beziehung der beiden für Emily anfühlte und was sie für Probleme hat – bis auf ein oder zwei Erlebnisse sind das aber andere Momente als in dem ersten Part. Den dritten Part habe ich noch nicht gelesen und weiß daher nicht, ob es einfach nur ein Geständnis oder ähnliches gibt oder ob wir Leser den Moment von Emilys Tod dann noch einmal vollständig erleben (bisher wissen wir nur von dem Schuss, aber nicht, was sich vorher abspielte). So oder so ist es spannend gemacht, weil man nur häppchenweise Informationen erhält, was den Leser natürlich super spekulieren lässt – und durch den Wechsel der Schwerpunkte der Rückblenden beginnt man auch, erste Meinungen zu ändern und manches in ein anderes Licht zu rücken.
„Das Verschwinden der Eleanor …“ ist ein Film, den es in drei Ausführungen gibt. Einmal aus ihrer, einmal aus seiner und einmal aus ihrer gemeinsamen Sicht. Ich habe ihn leider auch noch nicht gesehen, weil die Kinos in meiner Region den außer Acht gelassen haben. Leider. Vielleicht wussten sie einfach nur nicht, welchen der drei sie zeigen sollen XD Und auf DVD ist nur eine der Varianten erschienen.
Ach … jetzt habe ich aber auch Lust auf das Buch. Und der SuB wächst und wächst …
Sehr, sehr faszinierendes Filmkonzept (aber während der Laufzeit in den Kinos sicher auch eine gute Geldmaschine – wer eine Version sah und gut fand, ist garantiert auch in die anderen Vorführungen gegangen). Nur schade, dass lediglich eine der Versionen auf DVD veröffentlicht wurde – vor allem da ich nun wirklich neugierig geworden bin. An die Produktion solcher ungewöhnlichen Filme wagen sich ja sonst eher Studenten der Film-/ Medienhochschulen und keine Medienfirmen, die wirtschaftlich orientiert sind.