Die italienische Familie Sonnino ist jüdisch, fühlt sich jedoch sicher in ihrem Heimatland. Jedesmal wenn ihnen einer der vielen geflüchteten Juden von der momenten Situation in Deutschland berichtet, können Piera und ihre Familie dieses Grauen kaum glauben. Es fällt ihnen schwer, zu verstehen, was gerade in Europa geschieht und sie halten es für unwahrscheinlich, dass dieser Albtraum nach Italien vordringen kann. Sie sind der Ansicht, dass so etwas nie in ihrem Land passieren würde. Doch als 1938 die Rassegesetze in Kraft treten, beginnt diese Vorstellung zu bröckeln, Zweifel kommen auf und plötzlich fühlen sich die Sonninos gar nicht mehr so sicher in Genua. Die einzelnen Familienmitglieder verlieren ihre Jobs und müssen die Schulen wechseln. Nachdem das Leben für Juden auch in Italien immer gefährlicher wird, beginnen die Sonninos umherzuziehen. Sie flüchten von einer Notunterkunft in die nächste – nirgends können sie länger verweilen. Im Herbst 1944 hat dies ein Ende: Piera, ihre 5 Geschwister und ihre Eltern werden verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo sie am 28. Oktober 1944 eintreffen. Die Nacht der Ankunft soll die letzte Nacht sein, die die Sonninos gemeinsam verbringen können. Pieras Eltern werden am nächsten Tag vergast. Die Geschwister werden getrennt: Die drei Brüder Paolo, Giorgio und Roberto bleiben in Auschwitz, während Piera gemeinsam mit ihren Schwestern Bice und Maria Luisa nach Bergen-Belsen gebracht werden.

In den folgenden Monaten werden die Schwestern in weitere Lager gebracht, Maria Luisa dabei von ihren beiden Schwestern getrennt. Bice und Piera arbeiten nun in einem Lager nahe Braunschweig. Doch Bice ist krank und ihr Zustand verschlechtert sich zunehmends. Anfang 1945 stirbt sie an den Folgen der Krankheit. Nun ist Bice allein. Sie hat all ihre Lieben verloren und ist die Einzige der acht Familienmitglieder, die den Holocaust überleben.

1960 schreibt die Italienerin ihre Geschichte auf. Doch erst 2002, als Piera schon tot ist, wird die Niederschrift ihres Schicksals veröffentlicht.

Piera Sonninos Buch zeigt, wie weitreichend der Nationalsozialismus war. Piera schreibt aufrichtig, ohne etwas zu beschönigen, erzählt von all den demütigen Situation, die ihre Familie erfahren musste – Situationen, derer sich die scheue Familie Sonnino gewöhnlich geschämt hätte, ging es ihnen doch stets darum, nicht aufzufallen. Alles wird so direkt erzählt wie es war, ohne Metaphern, ohne Umschreibungen. Dabei schreibt Piera Sonnino völlig ohne Hass oder Wut, klagt niemanden an.

Mir als Leser fiel es jedoch ziemlich schwer, in die Geschichte einzusteigen. Dies hatte verschiedene Gründe. Zunächst einmal benutzte Piera gerade am Anfang ihrer Erzählung sehr viele Fachbegriffe bzw. Fremdwörter, sodass sich der Text stellenweise nicht gerade flüssig lesen ließ. Auch erwähnt sie sehr viele italienische Persönlichkeiten, die in Italien womöglich bekannt zu sein scheinen, von denen man hier jedoch noch nie etwas gehört hat. In der Mitte des Buches erzählt Piera beispielsweise von ihrer Verwandschaft, schreibt dieser wäre Signore So-und-so gewesen, und diese Großmutter eine So-und-so. Sie wollte den Status und die Wichtigkeit dieser Personen zeigen, veranschaulichen, dass sie als Juden es zu etwas gebracht haben, sich einen Namen machten und nun dennoch so minderwertig behandelt werden. Das Problem hierbei war, dass Piera nicht erwähnte, welche Bedeutung diese Personen hatten, sondern nur ihre Namen betonte. Mir sagten all diese Namen so gar nichts, weshalb ich mich anfangs fragt: „Und, sie war eine So-und-so. Doch was bedeutet das nun? Warum war sie eine bekannte oder wichtige Person?“ Piera riss also bestimmte Sachverhalte an, erklärt diese aber nicht genauer. Dies bezieht sich leider auch auf andere Situationen im Buch, nicht nur Personen. Sehr oft spricht die Italienerin ein Geschehen oder ähnliches an, geht aber nicht weiter darauf ein. Sie nennt sie kurz in einem Satz und im nächsten geht es schon wieder um etwas anderes und man fragt sich als Leser, was genau dies zu bedeuten hatte, warum Piera Sonnino dies erwähnt hat. Es ist schwer für den Leser, alles nachzuvollziehen und sich ein genaues Bild zu machen.

Ebenso störend empfand ich die Erzählgeschwindigkeit. Die Zeit vor der Deportation wird in solch einem rasendem Tempo erzählt, dass man kaum hinterher kommt. Gerade die Jahre, in denen die Sonninos auf der Flucht waren, sind oft schwer zu verstehen – in einem Moment ziehen Piera und ihre Familie in diesen Ort und in diese Straße, zwei Zeilen später wohnen sie schon wieder woanders, einen Abschnitt später bezieht sie Piera dann noch einmal kurz auf einen anderen Wohnort und wenige Zeilen drauf wieder auf einen anderen. Als Leser kommt man hier kaum mit und es ist schwer, der Geschichte zu folgen, kaum möglich, alles nachzuvollziehen. In der zweiten Hälfte legt sich dies etwas und es kommt Ordnung in den Text. Piera Sonnino ist nun einmal keine Autorin, sie schrieb ihre Erinnerungen für ihre Kinder und Enkelkinder auf, damit sie nie vergessen, was ihre Verwandten durchmachen mussten. Aber vielleicht hätte man das Buch dann auch im Kreise der Familie lassen sollen, da es für Außenstehende eben nicht so klar und verständlich ist, wenn man noch nie etwas von den einzelnen Personen, die Piera erwähnte, gehört hat.

Davon einmal abgesehen, liegen auch einige faktische Fehler vor: Piera wurde 1922 geboren. Das jüngste Kind der Sonninos, Giorgio, kam 1925 auf die Welt, also drei Jahre nach Piera. Demzufolge kann Bice, die jünger als Piera war, nur maximal zwei Jahre jünger als Piera sein. Doch trotz des geringen Altersunterschiedes schrieb Piera von ihnen immer als „Kinder“ und „klein“, obwohl sie schon erwachsen waren. Und als Bice im Frühjahr 1945 starb, war Piera gerade 22 oder 23 Jahre alt. Demzufolge müsste – rein rechnerisch und logisch gesehen – Bice mindestens 20 oder 21 sein. Piera hingegen schrieb, dass Bice mit 18 Jahren starb. Irgendetwas kann da also chronologisch nicht ganz stimmen, irgendwo muss ein Fehler vorliegen. Dieses Problem hat bei mir während des Lesens einige Fragezeichen aufgeworfen und egal, wie ich auch hin- und herüberlegte, 1 + 1 ergab in diesem Buch einfach nicht 2. Vielleicht lag irgendwo ein Druckfehler vor oder Piera hatte Schwierigkeiten, sich beim Aufschreiben an alles genau zu erinnern. Selbst schrieb sie in dem Buch noch, wie „dunkel“ die letzten Jahres des Krieges waren, dass sie in der Zeit, die sie in den KZs verbrachte, wie in einem Nebel lebte, Gefühl für Zeit und Raum verloren ging und sie bei gewissen Situationen unsicher war, ob diese Realität oder Halluzination waren.

Fazit:

Piera Sonninos „Die Nacht von Auschwitz“ erzählt ein weiteres, grauenvolles Holocaust-Schicksal – unbeschönigt und direkt, gleichzeitig jedoch ohne anzuklagen. Leider wird der Lesefluss oftmals durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt. Schade, denn dies macht es schwer, in die Geschichte einzusteigen und Pieras Erlebnisse nachzuvollziehen.