Auf meinem Blog und meinen Social-Media-Kanälen ist es seit einigen Wochen ruhig. Neben dem Office-Job habe ich aktuell keine Lust, auch in meiner Freizeit viel Zeit vor Bildschirmen zu verbringen. Außerdem bin ich oft unterwegs und social-media-müde, weil ich zu viel Ähnliches und zu viel Negatives präsentiert bekomme. Aber: Ich habe immerhin mehr Zeit, um Bücher zu lesen, zu hören, zu erleben.

Gehört

Seit Herbst gehe ich – meinem Knie und meinem Rücken zuliebe – regelmäßig ins Fitnessstudio. Wie sich herausgestellt hat, eignen sich diese Stunden perfekt, um Podcasts und Hörbücher zu hören. Insbesondere auf Sachbücher kann ich mich während des Trainings viel besser konzentrieren als in anderen Situationen. Nach zwei Sachbüchern in Folge („Buchenleben“ von Peter Wohlleben und „Den Bach rauf“ von Robert Habeck) brauchte ich dennoch etwas Abwechslung. Aktuell höre ich – endlich – „Circe“ von Madeline Miller. Sprecherin Ann Vielhaben verkörpert die Göttin hervorragend und trägt für mich maßgeblich dazu bei, wie ich Circe wahrnehme. Auch Circes charakterliche Weiterentwicklung spiegelt sich sehr gut in Ann Vielhabens Stimmlage und Sprechweise wider. Der Roman selbst gefällt mir insgesamt gut, auch wenn er mich nicht in so starker Weise begeistert, wie ich es nach all den Lobeshymnen erwartet hatte.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander
Gelesen

In der Printversion habe ich u.a. „Verdammt wütend“ von Linn Strømsborg gelesen. Obwohl der Roman mit recht wenig Handlung daherkommt, gelingt es der Autorin, eine unglaubliche Breite an Themen aufzugreifen: Kindheitstraumata, Regretting Motherhood, Mental Load, Zugehörigkeit, Beziehungen, der Druck, es immer allen recht machen zu müssen und dabei selbst zu kurz zu kommen. In „Verdammt wütend“ findet sich viel von dem, was sich an der Selbst- und Fremdwahrnehmung von Frausein und Muttersein ändern muss, wo Gleichberechtigung nach wie vor zu früh endet und wo gesellschaftliche Normen und Rahmenbedingungen mal mehr, mal weniger offensichtlich diskriminieren und veraltete Rollenbilder festigen. Ganz klare Leseempfehlung!

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander

Parallel dazu bekam ich verstärkt Lust auf Fantasy. So habe ich nach Jahren „Der geheime Name“ von Daniela Winterfeld gelesen – ein Coming-of-Age-Roman inspiriert von „Rumpelstilzchen“. In meinen ersten Blogjahren war „Der geheime Name“ eines jener Bücher, die von der Blogosphäre sehr gefeiert wurden. Obwohl ich auf die – vorhersehbare – Lovestory hätte verzichten können und ich manches zu unglaubwürdig fand, hat mich das Buch insgesamt überzeugt. Je konkreter und häufiger „Der Geheime aus dem Moor“ auftrat, desto düsterer und unheimlicher wurde die Story und stellenweise waren die Szenen wirklich sehr beklemmend und unangenehm (Triggerwarnungen: Entführung, physische und psychische Gewalt, sexualisierte Gewalt). Sehr positiv fiel mir zudem der authentische, natürliche und verantwortungsbewusste Umgang mit den Themen „Erstes Mal“ und Verhütung auf – das habe ich in dieser Form in noch keinem Jugendroman gelesen.

Nach „Der geheime Name“ griff ich zu „Die Wedernoch“, der Fortsetzung von Stefan Bachmanns „Die Seltsamen“. Auch „Die Seltsamen“ gehört zu den Büchern, die nach Erscheinen extrem gelobt wurden, um Band 2 wurde es hingegen ruhiger. Richtig überzeugt hat mich keiner der beiden Bänden. Stefan Bachmann hat gute Ideen, aber davon einfach zu viele: In den Büchern taucht vieles auf, aber das meiste davon wird nicht weiterverfolgt und viel Potenzial verschenkt. Beispielsweise werden einige der Wesen nur mit ihrem Namen genannt, aber nicht beschrieben, sodass ich mir als Leserin keinerlei Vorstellung davon machen konnte, wie diese Wesen aussehen, was sie können und welche allgemeinen Charakterzüge und Lebensweisen sie haben. Ähnlich verhält es sich mit anderen Aspekten des Worldbuildings. In „Die Seltsamen“ hatte ich auch immer wieder den Eindruck, dass nicht alles logisch aufgebaut ist, sich zum Teil sogar widerspricht. Letzteres ist in „Die Wedernoch“ weniger der Fall, aber auch dieser Band kommt von der Handlung her nicht über eine durchschnittliche Leistung hinaus.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander
Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander

Inspiriert von Christins Beitragsreihe zu Katzen in Manga begann ich in den letzten Wochen, mich ebenfalls mit Katzen in Büchern zu beschäftigen. Los ging es mit den Bilderbüchern „Als die Katzen die Insel verließen“ und „Die Katze, die nach Weisheit sucht“. An dieser Stelle werde ich nicht näher auf diese Bücher eingehen – mehr erfahrt ihr im Laufe des Jahres in einem Themenspecial.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander
Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander
Erlebt

Ein Highlight war für mich Sophie Hungers Lesung am 16. April im Stuttgarter Theaterhaus. Die Musikerin veröffentlichte im März mit „Walzer für Niemand“ ihren ersten Roman. Wer Sophie Hungers Werk kennt, weiß, dass sie sich nichts aus Konventionen oder Genregrenzen macht. Dementsprechend war ihre Lesung auch eine der ungewöhnlichsten die ungewöhnlichste, die ich je erlebt habe: eine Mischung aus Konzert, Lesung, Performancekunst und Videoinstallation. Die Lesung begann damit, dass Sophie Hunger vor ein Mikrofon mit Kamera trat. Während sie aus ihrem Buch las, übertrug die Kamera ihre Lippenbewegungen. Später wechselte Sophie Hunger zu einem anderen Mikrofon, das ihre Stimme tiefer und verzerrt wiedergab – es wurde zur Stimme für jene Stellen im Buch, in denen über das alpine Volk der Walserinnen berichtet wird, begleitet von Zeichnungen aus dem Roman. Weitere Mikrofon- und Ortswechsel auf der Bühne folgten; Kunstschnee fiel und zwischen diesen verschiedenen Episoden sang Sophie Hunger immer wieder – selbstverständlich auch ihren Klassiker „Walzer für Niemand“, der dem Buch seinen Namen gab und in Kenntnis der Romanhandlung noch einmal neu interpretiert werden kann.

Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander
Die beiden Bilderbücher "Das Spiegel-Zebra" und "Frederiko - Der kleine Waldwichtel" liegen nebeneinander