Wenn eine eine (Dienst-)Reise tut … und eine Stunde auf einem Kleinstadtbahnhof warten muss, wandert schon mal der ein oder andere Titel in die Tasche. In meinem Fall war es u.a. eine Sammlung von Batman-Comics aus der Feder von Neil Gaiman. Batman war für mich schon in der Kindheit der einzige (männliche) Superheld, den ich wirklich spannend und cool fand; Neil Gaiman schätze ich für seine Ideen (wenngleich nicht jede seiner Stories mich überzeugen kann). Abenteuer meines Lieblingshelden von einem so vielseitigen Autor? Das klang nicht nur vielversprechend, sondern entpuppte sich am Ende tatsächlich zu einem der besten Comics, die ich in den vergangenen Monaten gelesen habe.
Die sechs Geschichten, die Panini Comics in „Batman: Was wurde aus dem Dunklen Ritter? Und weitere Geschichten“ gebündelt hat, sind dabei nicht neu. Die zweiteilige titelgebende Story von Neil Gaiman und Zeichner Andy Kubert erschien 2009, die vier weiteren Erzählungen stammen aus den Jahren 1989 und 1996. Das macht sie natürlich nicht weniger lesenswert – im Gegenteil: An der Kombination dieser Geschichten aus drei unterschiedlichen Jahrzehnten lässt sich wunderbar die inhaltliche und visuelle Weiterentwicklung der Batman-Comics beobachten. Und die Titelstory ist in ihrer Herangehensweise an das Ende Batmans zeitlos gehalten.
Batman ist im Laufe seiner Karriere schon mehrfach neu erfunden worden, ist mehrfach gestorben und wiederauferstanden. Neil Gaiman war es daher ein Anliegen, dass „Was wurde aus dem Dunklen Ritter“ die wirklich letzte Geschichte um Bruce Wayne wird. Nicht im Sinne der Publikationshistorie, aber im Sinne der Einordnung in das gesamte Batman-Universum. Egal, wie viele Comics noch kommen, wie viele Reinkarnationen es von Gothams Helden noch geben würde, Gaimans Geschichte sollte immer als Abschluss funktionieren können. Ein sehr ambitioniertes Ziel, das der Autor aber erreicht hat, indem er all die verschiedenen Versionen und Enden Batmans selbst zum Thema der Story machte.
In „Was wurde aus dem Dunklen Ritter“ finden wir uns an Batmans Sarg wieder. All seine Wegbegleiter – Unterstützer und Freunde wie auch Gegner – sind zur Trauerfeier gekommen, um sich von Gothams Helden zu verabschieden. Nach und nach erzählen sie alle ihre persönliche Batman-Geschichte. Sie sprechen von ersten Begegnungen, Liaisons, Konfrontationen, Überraschungen, Geheimnissen – und davon, welche Rolle sie bei Bruce Waynes Tod spielten. Sie alle erzählen dabei eine jeweils andere Version des Endes des Dunklen Ritters. So wird aus einer Geschichte über einen gefallenen Helden eine Geschichte über Identitäten, über Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Besonders gut gefallen hat mir dabei die Version von Waynes Butler Alfred. Hier spielt Gaiman gekonnt mit dem „Der Butler war’s“-Klischee und lässt uns Bruce Waynes Leben und dessen Handeln als Batman aus einer ganz anderen Perspektive betrachten. Was wäre, wenn Batman gar nicht der starke, erfolgreiche Held war, für den wir ihn alle immer hielten? Gern würde ich mehr darüber schreiben, aber das hieße spoilern und somit bleibt mir nur zu sagen, dass ich Alfreds Geschichte grandios fand und sie für mich eines der Highlights innerhalb des Sammelbandes darstellt.
„Was wurde aus dem Dunklen Ritter“ liest sich dabei auch wie ein Who’s who Gothams und erfordert dennoch kein bzw. kaum Vorwissen, wodurch es auch für jene geeignet ist, die wie ich nur gelegentlich zu den DC-Comics greifen. Die Art, wie jede*r von Batmans Wegbegleiter*in Anekdoten erzählt und wie Gut und Böse miteinander plaudern, erinnerte mich an den Abschluss einer großen Theaterinszenierung: Alle betreten ein letztes Mal die Bühne, verbeugen sich vor ihrem Publikum; Verstorbene, Protagonisten und Antagonisten stehen vereint, sich an den Händen fassend und zufrieden lächelnd zusammen. Sie alle spielen ihre Rollen und die Geschichte funktioniert nur, weil es ihre Rollen gibt und weil sie ihre Rollen spielen.
Und Bruce Wayne selbst? Der betrachtet all das von außen bzw. oben herab, hinterfragt sich und seine Geschichte und schließt am Ende den Kreis. Denn jedes Ende ist auch ein Anfang.
Auf visueller Ebene hat Andy Kubert Gaimans Story äußerst ausdrucksstark und clever umgesetzt. So manche Entwicklung kann man aus den Bildern lesen, lange bevor diese Ereignisse tatsächlich eintreten – ohne dass dabei jedoch Spannung verloren geht. Und wenn Batman aus dem Off fragt, ob diese Tür schon die ganze Zeit da war, kommt man nicht umhin, sich erneut prüfend durch den Comic zu blättern … natürlich nur, um festzustellen, dass Kubert für den entsprechenden Ort immer so geschickte Perspektiven wählte, dass keine Rückschlüsse über die bisherige Existenz einer Tür möglich sind.
Doch die Sammlung der Gaiman-Comics umfasst mehr als die Story um Batmans Ende. Wie sind also die vier anderen Erzählungen?
Der titelgebenden Geschichte folgt das 1996 erschienene „Eine Welt in schwarz und weiß“. Der Überschrift entsprechend ist dieser Comic ausschließlich in schwarz und weiß gehalten. Das lässt die Bilder düsterer, dramatischer wirken; kleine Details kommen stärker zur Geltung. Doch das ist nicht das Einzige, was diesen Comic herausstechen lässt. „Eine Welt in schwarz und weiß“ verfolgt den Ansatz, dass Batmans Abenteuer im Prinzip nichts sind als eine große Filmshow. Auch ein Held, der die Welt retten möchte, muss am Ende warten, bis er an der Reihe ist und er seinen großen Auftritt hinlegen kann. Backstage übt er mit dem Joker seinen Text, es wird über lausige Dialoge und das dürftige Catering gemeckert. Und nach der Arbeit beneiden Joker und Batman einander: Batman findet Jokers Monologe klasse und Joker feiert Batmans Splash Pages – so einen Auftritt würde auch er gerne mal hinlegen dürfen. „Eine Welt in schwarz und weiß“ nimmt sich und die Superheldencomics im Allgemeinen nicht zu ernst und macht dadurch einfach verdammt viel Spaß zu lesen. Allerdings ist das Vergnügen nach nur acht Seiten vorbei.
Die drei letzten Geschichten stammen alle aus dem Jahr 1989 und das sieht man ihnen auch an. Die Farben sind knallig und großflächig aufgetragen, die Bilder haben wenig Tiefe und mit Details wird sparsam umgegangen. Inhaltlich können die Geschichten mehr überzeugen, auch wenn sie stellenweise sehr vorhersehbar sind und etliche Figuren arg stereotyp und oberflächlich daherkommen. Batman selbst hat in diesen Geschichten übrigens nur zwei winzige Auftritte. Das Spannendste an diesen Stories sind daher die Schurk*innen.
In „Pavane“ steht Poison Ivy im Mittelpunkt. Im Gefängnis lässt sie ihren Charme spielen und erzählt uns, wie und warum sie zu Poison Ivy wurde. Inwieweit diese Geschichte der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt. Ich, die bislang kaum etwas mit Poison Ivy gelesen oder gesehen hat, bin auf jeden Fall neugierig auf mehr Stories mit ihr geworden.
Die beiden letzten Comics „Erbsünden“ und „Wann ist ’ne Tür“ gehören zusammen und erzählen von einem Fernsehteam, das Batmans Gegenspieler zu Wort kommen lassen möchte. Nach eher ernüchternden Interviews in „Erbsünden“ besuchen sie in „Wann ist ’ne Tür“ den Riddler – und bei diesem Besuch habe ich mich als Beobachterin wieder köstlich amüsiert. Während die Crew fast verzweifelte (außer der Kameramann, der den Riddler als äußerst telegen bezeichnet), fand ich großen Gefallen an den Fragen, Absurditäten, Widersprüchlichkeiten und den gigantischen Spielzeugen . Und als der Riddler fragt, wann sich die Spielregeln für Schurken geändert hätten und alle von recht harmlosen Verbrechern zu Mördern wurden, keimt sogar ein Stück Sympathie und Traurigkeit auf.
Fazit:
Kann man in ein Comic-Universum mit einer Geschichte über das Ende des Helden einsteigen? Auf jeden Fall! Neil Gaimans Batman-Stories erfordern keine bzw. kaum Vorkenntnisse und bieten durch die Auftritte verschiedenster Gefährt*innen und Gegenspieler*innen sogar eine gute Einführung in Gothams Unterwelt. Aber auch regelmäßigere Batman-Leser*innen kommen mit der Sammlung auf ihre Kosten und erhalten einen zeitlosen Abschluss für jede Batman-Ära. Und ich? Ich muss jetzt unbedingt mehr Comics von Neil Gaiman lesen.
Neil Gaiman, Andy Kubert et al: „Batman: Was wurde aus dem Dunklen Ritter? Und weitere Geschichten“, aus dem Englischen übersetzt von Ralph Kruhm, Panini Comics 2019, ISBN: 978-3-7416-1554-2
Neil Gaiman und Batman sind ja mal wirklich eine verheißungsvolle Mischung, liebe Kathrin!
Mir geht es ganz ähnlich wie Dir und ich fand auch in der Kindheit nur „Batman“ den einzig wahren Superhelden und kann bis heute nichts mit Superman, Spiderman und Co anfangen.
Ich glaube, ich muss mal im Netz nach dem Comic stöbern!
Liebe Grüße,
Barbara
Liebe Barbara,
die Kombination ist wirklich die Lektüre wert. Nicht jede Geschichte überzeugt gänzlich, aber gerade die titelgebende Story ist wirklich toll gemacht.
Ich habe bei Batman immer sehr gemocht, dass er eigentlich ein „normaler“ Mensch ist, der letztlich nur auf Technik und menschliche, körperliche Fähigkeiten zurückgreift. Seine Macht und Stärke haben ihren Ursprung nicht in etwas Übernatürlichem. Und er hatte ein persönliches Motiv, war außerdem nie der perfekte Held, sondern hatte durchaus Schwächen und Fehler. Hinzu kommt, dass die Batman-Stories sehr oft gesellschaftliche und politische Problematiken aufarbeiten.
Ich hoffe, dich kann Gaimans Batman ebenso begeistern!
Hallo Kathrin,
das ist eine Sammlung, die ich mir – als eigentlich comicscheue Leserin – auch zulegen würde! Batman gehört für mich auch zu den interessantesten Superhelden (Superman, Captain America, … alle zu glatt gebügelt). Ich behalt´s im Hinterkopf, ist auch ein schönes Geschenk. ;-) Über Neil Gaiman bin ich in letzter Zeit so oft gestolpert, ohne je bewusst was von ihm gelesen zu haben; ich geh mal auf Recherchereise. Sein Norse Mythology interessiert mich sehr.
Viele Grüße aus Dresden :-)
Jana
Liebe Jana,
das Gute an dieser Sammlung ist eben wirklich, dass man keine Vorkenntnisse benötigt.
Und was das Aalglatte betrifft: Ja, das hat mich bei Superman oder Captain America auch gestört. Spiderman fand ich daher – nach Batman – noch am spannendsten (nur so richtig begeistert haben mich die Geschichten trotzdem nie).
Neil Gaiman hat eine extreme Bandbreite geschrieben und wandelt da wirklich zwischen verschiedenen Formaten und Genres. Daher schätze ich ihn auch sehr, obwohl mich nicht jede seiner Geschichten überzeugt hat. Zu seinen bekanntesten Werke zählen die „Sandman“-Comics oder der Roman „The Ocean at the End of the Lane“ („Der Ozean am Ende der Straße“). Letzteres ist dir sicher schon hin und wieder mal im Buchhandel begegnet, da der Roman damals nach Erscheinen sehr gehyped wurde. Gelesen hab ich ihn allerdings auch noch nicht.
Liebe Grüße
Kathrin
Mensch das klingt ja spannend. Tatsächlich ist Batman auch der einzige Superheld, von dem ich über all die Jahre immer mal wieder einen Trade gelesen oder mir ein Volume zugelegt habe. Ansonsten konnte ich nie so besonders gut mit den vermeintlichen Superhelden. Mir ist aber auch leider im Superheldencomic (verallgemeinernd) das Pacing zu schnell. Bei Batman wirkt es oftmals noiriger und lässt sich mehr Zeit
Die Sammlung hat mir sehr neugierig gemacht! Danke dafür
Ich bin, ehrlich gesagt, ein wenig baff, dass es so vielen (v.a. Frauen) mit Batman genauso ging wie mir. Stimmt, die Stories aus Gotham sind grundsätzlich düsterer, aber ich finde auch die Themen, die angeschlagen werden, tiefgründiger, politischer, ernster. Und ich mag einfach Menschen, die sich nicht als unfehlbar zeigen, die offen zu Schwächen stehen und ihr persönliches Glück auch mal hintenanstellen, wenn damit der Allgemeinheit ein größerer Gefallen getan wird.